Grünen-Chef Habeck in Ludwigsburg: „Wir müssen zu einer Politik der Verantwortung kommen“ – Querdenker-Proteste bleiben aus

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Von Uwe Roth

Grünen-Chef Robert Habeck hat am Donnerstag in einer Kundgebung zur Bundestagswahl am 26. September auf einem gut gefüllten Ludwigsburger Rathaushof eine Politik der Verantwortung gefordert und dafür großen Beifall erhalten. Der 51-Jährige warf in seiner 30-mintügen Rede der Großen Koalition vor, Antworten auf wichtige Fragen in einer Zeit wachsender Krisen konsequent zu verweigern. Es sei in der Regierung und im Bundestag „eine Kultur der Verweigerung von Antworten“ entstanden, schlussfolgerte er. In der Bundesregierung seien heikle Aufgaben oftmals auf so vielen Schultern verteilt, dass am Ende jeder von sich behaupten könne, an einem Versagen nicht schuldig zu sein. „Wenn alle Verantwortung tragen, ist am Ende keiner verantwortlich“, stellte er fest und forderte. „Wir müssen wieder zu einer Politik der Verantwortung kommen.“

Robert Habeck (Mitte) mit Sandra Detzer, Kandidatin für den Wahlkreis Ludwigsburg, und Lars Maximilian Schweizer für den Wahlkreis Neckar-Zaber. Bild: Uwe Roth / LB24

Habeck war auf Einladung von Sandra Detzer, Grünen-Kandidatin für den Wahlkreis Ludwigsburg, und von Lars Maximilian Schweizer, Kandidat für den Wahlkreis Neckar-Zaber, um die Mittagszeit in die Stadt gekommen. Anhänger der Querdenker-Bewegung hatten zuvor im Internet Sympathisanten aufgerufen, mit dem lauten Einsatz von Triller-Pfeifen gegen seinen Auftritt und ganz allgemein gegen die Partei der Grünen zu protestieren. Doch während der gesamten Veranstaltung waren keine Pfiffe oder sonstigen Protestrufe zu hören. Die Polizei hatte sich auf eventuelle Störer vorbereitet und mit zahlreichen Beamten im Hintergrund Stellung bezogen. Aber diese mussten nicht eingreifen. So gut wie alle der nach Polizeiangaben etwa 400 Teilnehmer und Teilnehmerinnen auf dem Rathausplatz trugen vorschriftsmäßig einen Mund-Nasen-Schutz.

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Grünen-Boss Robert Habeck. Bild: Uwe Roth / LB24

Jüngstes Beispiel für politische Verantwortungslosigkeit ist für ihn die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan. Sowohl der Außenminister von der SPD also auch die Verteidigungsministerin von der CDU bleiben nach seinen Worten die Antwort auf die Frage schuldig, wer letztendlich die Verantwortung dafür trage, dass die Ortskräfte von der Bundesregierung in Stich gelassen worden seien. Die Grünen hätten bereits im Juni auf die kommende Katastrophe aufmerksam gemacht. Doch im Bundestag sei der Antrag seiner Fraktion, eine Evakuierung vorzubereiten, mit der Regierungsmehrheit abgelehnt worden. „Ich erwarte zumindest jetzt von der CDU die Größe zuzugeben, dass es falsch gewesen sei, unseren Antrag abzulehnen“, sagte Habeck.

Die Haltung der Regierungsverantwortlichen, Antworten schuldig zu bleiben, sieht der Grünen-Chef ebenso in der Klimapolitik. Das Bundesverfassungsgericht habe zurecht strengere Gesetze zur Eindämmung des Klimawandels gefordert. Bis zum Jahr 2040 müsse die Klimaneutralität erreicht werden. Doch dafür seien die eingeleiteten Schritte unzureichend, stellten die obersten Richter des Staates fest. SPD und CDU hätten das Karlsruher Urteil akzeptiert und Besserung geschworen. Die Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) hätten das Thema zur Chefsache erklärt. „Doch dann sollten beide noch vor der Wahl dazu eine klare Ansage machen“, sagte Habeck. Bislang sei das nicht passiert. So solle der Ausstieg aus der Kohle erst 2038 vollzogen sein. Dann blieben nur noch zwei Jahre Zeit, um die Klimaziele zu erreichen. Wie das zu schaffen sei, wüsste er gerne, so Habeck.

Auf die Querdenker-Bewegung ging er nur indirekt ein. Die populistisch geforderten Bürgerfreiheiten seien streng betrachtet purer Egoismus, stellte er fest und hielt dagegen: Über Freiheiten bestimme die Gesellschaft in demokratischen Wahlen. „Am 26.9. wählen wir die Freiheit“, lautete sein Schlusswort und meinte damit wohl seine Partei als Wahlsieger.

Wie die Polizei am Ende bilanzierte, ist die Veranstaltung „praktisch störungsfrei“ verlaufen. Lediglich bei einer Fragerunde zum Ende der Veranstaltung habe sich eine bereits bekannte Störerin dazu berufen gefühlt, ihre Ablehnung gegenüber den Corona-Maßnahmen ins Mikrofon zu brüllen und die Bundesregierung mit der NS-Diktatur zu vergleichen. „Die Staatsschutzinspektion der Kriminalpolizeidirektion Böblingen hat die Ermittlungen übernommen“, heißt es im Polizeibericht.