Kreissparkassen-Chef Heinz-Werner Schulte: “Mein Verhältnis zu Geld ist nicht erotisch”

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Er ist Chef von fast 1.500 Mitarbeitern und verwaltet Finanzen in zweistelliger Milliardenhöhe. Als Vorstandschef der Kreissparkasse Ludwigsburg ist Dr. Heinz-Werner Schulte ein angesehener Mann im Landkreis, der täglich mit seinem E-Bike von Neckarweihingen zur Arbeit nach Ludwigsburg fährt und in seinem Büro einen über tausend Jahre alten Stammbaum seiner Familie hängen hat. Doch nur die Wenigsten wissen genauer, was für ein Mensch sich hinter der öffentlichen Person verbirgt. Im Gespräch mit Ludwigsburg24 erzählt der dreifache Vater über seine Herkunft, seine Hobbys und was ihn geprägt hat.

Ein Interview von Patricia Leßnerkraus und Ayhan Günes

Herr Dr. Schulte, war Banker schon immer Ihr Traumberuf?
Nein, im Gegenteil, ich wollte ursprünglich Lehrer werden für Geschichte und Biologie. Mir hat das Leben an der Schule schon immer gut gefallen. Doch leider gab es damals einen Lehrer-Überschuss, so dass es nach dem Studium kaum Aussicht auf eine Anstellung gegeben hätte.

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Wie kamen Sie dann ausgerechnet auf den Beruf des Bankers?
Meine Eltern rieten mir damals: Junge, lerne etwas Habhaftes! Der Nachbar war bei der Volksbank, da dachten wir, eine Banklehre könnte auch für mich eine gute Grundlage sein. Nach der Ausbildung empfahlen mir meine Eltern ein Studium, um mir weitere berufliche Perspektiven zu eröffnen. Ich habe dann in Köln Betriebswirtschaft studiert und als Diplomkaufmann abgeschlossen. Anschließend war ich dort an der Uni zwei Jahre bis zu meiner Promotion Assistent am Seminar für Wirtschaftsprüfung.

Wie kamen Sie schließlich 2001 nach Ludwigsburg?
Nach meiner Promotion war ich zunächst von 1988 bis 1991 beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband in Bonn tätig. Übrigens eine sehr spannende Zeit, weil sie genau in die Phase der Wiedervereinigung fiel. Dann bin ich zur Sparkasse Pforzheim gewechselt und wurde schließlich 2000 zum Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse Ludwigsburg gewählt. Eine unverhoffte Veränderung vom Badischen in Württembergische.

Welche Eigenschaft braucht man, um ein guter Banker zu werden?
Gewissenhaftigkeit, Verantwortungsgefühl und Kundenorientierung sind drei wichtige Fähigkeiten. Wir arbeiten in einer sehr regulierten Branche. Das Bankwesen ist ein sehr definiertes Geschäft, kein kreativer, sondern ein sehr klarer Raum.
Insofern muss man sich mit Aktenstudium, mit Gesetzen, Satzungen und Regeln auseinandersetzen. Da das Bankgeschäft auch immer ein Risikogeschäft ist, geht es dabei immer um die Frage, welche Risiken kann ich verantworten und mit welchen Risiken gehe ich wie um. Bei den Genossenschaftsbanken und den Sparkassen geht es zudem darum, wie man mit den Kunden in Kontakt kommt, ihnen gerecht wird und ihre Bedürfnisse möglichst über Generationen hinweg erfüllt.

Muss man ein rationaler Mensch sein, um als Banker erfolgreich zu sein?
Rationalität ist kein Muss, aber sie hilft.

Sind sie ein rein rationaler Mensch? 
Ich denke schon, dass ich eine gewisse Vernunft zutage lege, aber ich versuche immer eine Balance hinzubekommen und meinem Bauch und Herz ebenfalls Ausdruck zu geben, auch bei einer Kreditentscheidung. Sie werden bei den Kreditanfragen häufig mit harten Schicksalen konfrontiert.

Wann dominiert in Ihnen der Banker, wann entscheidet der Mensch?
Es ist in der Tat ein verantwortungsvoller Beruf und man muss sich über die Folgen der Entscheidung immer im Klaren sein. Deshalb gilt es erstmal die rationale Seite zu betrachten und eine Vorbereitung zu treffen im Sinne einer regelbasierten Prüfung unter Beachtung aller Entscheidungskriterien. Aber es gilt ebenso, den Menschen kennen zu lernen, dem wir das Geld anvertrauen wollen. Es geht dabei unter anderem um seine Managementfähigkeiten, um seine strategischen Fähigkeiten, um seine nachhaltigen Fähigkeiten. Das gilt gleichermaßen für Geschäfts- wie Privatkreditnehmer.

Kennen Sie selbst das Gefühl eines Kreditnehmers, der sich fast nackig machen muss vor seinem Bankberater, um das gewünschte bzw. benötigte Geld zu bekommen?
Zumindest bilde ich mir ein, dass ich diese Gefühlswelt nachvollziehen kann. Natürlich muss man viele Dinge von sich preisgeben, da es verschiedene Themen sind, die in eine Finanzierungsentscheidung einfließen. Und natürlich sind es
teilweise auch sehr persönliche Themen. Dafür bedarf es einer gewissen Sensibilität eines Bankers, um damit umzugehen. Er muss dem Kunden das Gefühl geben, in diesen Fragestellungen gut aufgehoben zu sein, denn sie haben für den Kunden selbst ebenfalls einen Nutzen. Wenn er in ein Abenteuer hineingeht, das sich als nicht ganz so rational darstellt, dann hilft es weder ihm noch der Sparkasse. Gelegentlich gibt es Kunden, die sich sehr utopische Vorstellungen ihrer Finanzierungssituation und -perspektive machen. Da muss man als Banker das Ganze behutsam wieder auf einen vernünftigen Pfad führen.

Schulen Sie diesbezüglich Ihre Mitarbeiter psychologisch?
Mitarbeiter erhalten viele Trainings, teils mit gespielten Dialogen, durch die man lernt, wie man mit Situationen umgeht und reagiert. Bereits während der Ausbildung ist es heutzutage ein wichtiger Bereich, dass man in der Kundenberatung eine Empathie für die jeweiligen Kundenbeziehungen entwickelt.

Was hat sich im Bankgeschäft verändert, seit Sie vor 20 Jahren hier angefangen haben?
In unserer Gründungssatzung aus dem Jahr 1852 stand, dass die Kreissparkasse Ludwigsburg vor allem für Taglöhner, Witwen und Zielgruppen da sein soll, für die andere Banken nicht offenstehen. Es hat natürlich seither enorme Veränderungen sowohl bei der Kreissparkasse als auch bei der Gesellschaft gegeben. Nehmen wir nur die letzten 20 Jahre mit beispielsweise der Einführung des Euros, als wir die Umtauschaktion für den Staat zu bewerkstelligen hatten, damit es auch haptisch zu einer neuen Währung kam. Solche Schlangen vor den Sparkassen hatte ich lange nicht mehr gesehen. Ein weiteres markantes Datum war am 11.9.2001 das Flugzeugattentat auf die Twin Towers in New York. Das hat ganz viele politische Fragen aufgeworfen sowie unsere Sehnsucht nach Frieden immens beeinträchtigt und damit auch in der Finanzwirtschaft zu vielen Themen und Fragestellungen geführt haben. 2008/2009 hatten wir die Finanzmarktkrise mit vielen Banken, die in große Schwierigkeiten geraten sind. Bei vielen hätten wir das nie gedacht und waren verblüfft, wie tönerne Füße doch auch Banken haben können. Und in den letzten Jahren stellte sich die Thematik, wie wir in der Bankenlandschaft der Digitalisierung, der Regulierung, aber auch der Nachhaltigkeit und der ökologischen Frage Ausdruck geben können. In dieser Weise ist die Sparkassenlandschaft Teil dieser Gesellschaft, die sich mit diesen Fragestellungen beschäftigt.

Bereitet Ihnen die Entwicklung der ganzen amerikanischen Tec-Unternehmen mit den digitalen Zahlungsströmen Sorge und ist Ihre Bank auf eine solche Entwicklung vorbereitet?
Meiner Meinung nach sind wir vorbereitet. Die Kreissparkasse hat schon in den 90er Jahren, als es noch BTX gab und ein erstes Herantasten an digitale und elektronische Lösungen, gesagt, dass es unter unserem Dach ganz viele Wege zu uns als Bank gibt. Die können elektronisch, automatisch oder persönlich sein. Und mit dieser Strategie hat sich die Kreissparkasse ganz positiv weiterentwickelt. Wir sind heute gewohnt, mit über 60 Prozent unserer Kunden digital zu kommunizieren. Sie bekommen von uns ein elektronisches Postfach, ebenso die Möglichkeit mit einem Log-in-Verfahren sichere Bankgeschäfte am heimischen PC oder per App in ihren peripheren Endgeräten zu tätigen. Wir bieten aber zudem mit 98 Geschäftsstellen im Kreis Ludwigsburg unseren Kunden den Kontakt von Mensch zu Mensch oder von Automat zu Mensch. Uns ist es in erster Linie wichtig, das richtige Gespür zu haben, um allen Bedürfnissen unserer Kunden gerecht zu werden und wir haben festgestellt, dass die meisten von ihnen Wert darauflegen, ihre Bankgeschäfte relativ unkompliziert, aber mit maximaler Sicherheit erledigen zu können.

Die amerikanischen Entwicklungen drängen auch auf den deutschen Markt. Merken Sie selbst schon eine Verschiebung der Marktanteile?
Unsere Marktanteile sind zum Glück sehr stabil und wir haben keine Sorge, was ihre Verankerung, ihre Reichweite, ihre Marktanteile und ihre Verbreitung anbelangt. Wir leben in einem Landkreis, dessen Einwohnerzahlen wachsen. Als ich vor 20 Jahren herkam, waren wir noch unter der 500.000-Grenze, inzwischen leben hier über 540.000 Menschen. An diesem Wachstumsprozess nimmt die Kreissparkasse teil. Jedes Jahr haben wir bis zu 3.000 Girokonten mehr im Bestand und haben eine Reichweite zwischen 50 und 60 Prozent. Das heißt, dass wir eine Geschäftsverbindung zu über der Hälfte der Landkreisbewohner halten, angefangen beim kleinen Sparkonto, das ein Kind zur Geburt bekommt, bis hin zur vitalen Geschäftsverbindung als Alleinbank. Natürlich ist die Zahl derjenigen, die auch Finanzgeschäfte anbieten, riesengroß geworden. Aber es geht im Bankgeschäft ja auch um Sicherheit. Und eine Bank, die wie wir seit 1852 in dieser Dimension im Markt ist, kann man entsprechend bewerten.

Wie beurteilen Sie persönlich die Entwicklung der vielen FinTechs?
Sie sind hochinteressant, weil sie immer wieder Nischen ansprechen, bestimmte Themen, Prozesse, die sie besser machen, Produkte, die sie hochinteressant gestalten. Sie picken sich Themen heraus, die wirklich spannend sind. Aber es ist immer die Frage, ob man damit ein sehr langfristiges, tragfähiges Geschäftsmodell kreieren kann. Bei vielen FinTechs habe ich eher den Eindruck, dass es mehr darum geht, eine Kapitalsammelstelle aufzubauen und zu sagen: Ich brauche Investoren und muss eine Story entwickeln, um diese Investoren für das Geschäftsmodell zu interessieren. Und aus dieser Kapitalsammelstelle heraus versucht man sich dann heran zu tasten, vielleicht mal ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Das wäre mir persönlich bei meiner Kreditentscheidung ein bisschen zu wenig, denn ich bräuchte schon eine Zuversicht für eine sich lohnende betriebswirtschaftliche Betrachtung.

Als die Kreissparkasse am 1.1.1852 gegründet wurde, stand in der Satzung folgender Gründungszweck: Annahme von Einlagen zur Ansammlung von Ersparnissen. Wie würden Sie die Tätigkeit Ihrer Bank heute nennen? Dafür reicht doch ein Satz gar nicht mehr aus….
Kunden in ihren finanziellen Sphären gut zu betreuen. Das bringt es auch in einem einzigen Satz auf den Punkt. Wir sind heute eine Bank mit einer Bilanzsumme von knapp 11 Milliarden Euro. Davon sind ungefähr 7,5 Milliarden Kundeneinlagen, also ein großer Bestandteil, der höher liegt als Kundenausleihen. Aber die Ersparnisse sind nur ein Teil einer weiten Welt von Produktgruppen, die heute für Kunden wichtig sind. Neben der Finanzierung ist das der Zahlungsverkehr, das Wertpapiergeschäft, das Versicherungsgeschäft, die Immobilienvermarktung und vieles andere, was Kunden von einer Kreissparkasse erwarten und was auch immer wieder neu definiert und der Zeit angepasst werden muss. Auch das war vor 20 Jahren anders. Nehmen wir nur mal das Immobiliengeschäft: Damals hatten wir dafür zwei Mitarbeiter, heute sind es 25. Die Kreissparkasse kann nur überleben, wenn sie auf die veränderten Marktgegebenheiten reagiert und ihr Gespür perfektioniert für die Bedürfnisse ihrer Kunden.

Sind das also die Kriterien für Erfolg oder Misserfolg einer Bank?
Über den Erfolg entscheidet der Kunde. Den Erfolg einer Bank entscheiden auch die Weichenstellungen, die man hat, um die Geschäfte zu betreiben. Und es bedarf natürlich Mitarbeiter, die dann die Kundenberatung vornehmen, den Kunden auf die richtige Spur bringen, die Erwartungshaltung honorieren oder auch korrigieren.

Haben Sie schon einen abgelehnten Kredit bereuen müssen, weil der Kunde anschließend mit dem Kredit einer anderen Bank geschäftlich richtig durchgestartet ist?
Persönlich kann ich mich an einen solchen Fall nicht erinnern. Aber, dass wir jeden Tag sicherlich falsche Entscheidungen treffen, davon bin ich überzeugt. Und der vor Ihnen Sitzende an erster Stelle. Das gehört dazu. Wenn man die Toleranz nicht hat, dass man sich irren kann, dann wäre man auch nicht an der richtigen Stelle.

Sie haben drei erwachsene Kinder. Wie haben Sie sie in Gelddingen erzogen?
Die Haupterziehung hat meine Frau geleistet, mein Anteil daran war durchaus überschaubar. Das gilt auch für die finanzielle Erziehung. Meine Frau kommt aus der gleichen Branche, wir haben uns während unserer Banklehre kennengelernt. Wir haben den Kindern ein Taschengeld gewährt, mit diesem Betrag mussten sie lernen ihren Bedürfnissen entsprechend umzugehen. Gab es zu Feiertagen Geldzuwendungen aus der Verwandtschaft, haben wir versucht ihnen nahezulegen, dass man das Geld nicht sofort ausgeben muss, sondern ihnen Möglichkeiten aufgezeigt, wie man das Geld gut verwahren kann. Somit habe ich die Hoffnung, dass sie alle das sparsame Haushalten und den transparenten Umgang mit Finanzdienstleistungen gelernt haben. Übrigens sind zwei unserer Kinder vor dem Studium in eine Banklehre gegangen, auch wenn ich nicht glaube, dass sie je in einer Bank arbeiten werden.

Was haben Sie persönlich für eine Beziehung zu Geld?
Mein Verhältnis zu Geld ist positiv, aber nicht erotisch. Ich mag es.

Geben Sie Ihr Geld großzügig aus oder sind Sie eher der Spartyp?
Da ich kaum Gelegenheit habe, mein Geld auszugeben und auch keine großen Bedürfnisse in mir schlummern, bin ich mehr der Spartyp. Aber ich finde die Erfindung des Geldes genial. Mit Geld kann man wunderbar Bedürfnissen gerecht werden und auch eine ganze Menge Sinnvolles anstellen. Das ist für die ganze Gesellschaft etwas Positives.

Wenn Sie sich dann doch mal etwas gönnen, investieren Sie dann in bleibenden Wert wie in Kunst, in ein besonderes Möbelstück oder Schmuck? Oder darf es auch mal etwas Überflüssiges sein?
Ich liebe Richard Wagner und gelegentliche Opernbesuche, für die die Karten nicht ganz günstig sind, aber das war es dann auch leider mit Kunst und Kultur. Ansonsten kann ich noch Geld ausgeben, wenn mich ein Buch wirklich interessiert. Dann bin ich sogar bereit, für ein Buch mal dreißig Euro zu zahlen.

Für einen gutverdienenden Banker sind Ihre Ansprüche sehr bescheiden…
Das beruht auf meiner familiären Prägung. Wir kommen seit zehn Jahrhunderten aus einem kleinen niedersächsischen Dorf in Süd-Oldenburg. Keiner meiner Vorfahren hat sich je durch eine besonders heroische, politische, wissenschaftliche oder kulturelle Leistung hervorgetan. Alle meine Vorfahren waren bis zuletzt Bauern. Vielleicht ist das genetisch bedingt, dass man da eher bodenständig ist. Für manche mag das langweilig wirken, aber mir gefällt diese Bodenständigkeit.

Sind Sie auch im hohen Norden geboren?
Nein, ich selbst bin geboren in Aachen. Mein Vater war dort für den Aufbau und die Entwicklung eines Einzelhandels-Bekleidungsunternehmens zuständig. Als ich vier Jahre alt war, schickte das Unternehmen meinen Vater dann für die gleiche Aufgabe ins Ruhrgebiet nach Essen, wo ich dann bis zum Abitur gelebt habe. Danach bin ich mit meinen Eltern nach Remscheid ins Bergische Land gezogen, wo ich meine Banklehre absolviert habe.

Inwieweit hat Sie das Ruhrgebiet und der Menschlag dort geprägt?
Essen habe ich in sehr angenehmer Erinnerung, wobei das eine sehr heterogene Stadt ist, mit manchen sozialen Brennpunkten und schon damals schwierigen Fragestellungen zur Entwicklung von Krupp oder der Umweltbelastung. Meine Mutter wusste ganz genau, wann sie die Wäsche draußen trocknen lassen konnte und wann besser nicht. Aber ich habe meine Kindheit und Jugend in Essen mit sehr vielen Nachbarn, mit vielen Mitschülern, vielen Geselligkeiten als sehr schön empfunden. Mein Lieblingsfußballverein Rot-Weiß-Essen spielt leider mittlerweile in der Vierten Liga. Auf dem Baldeneysee habe ich gerudert für einen Sportverein. Außerdem war ich Gründungsmitglied eines astronomischen Vereins, dem ich heute noch angehöre. In Essen-Heidhausen hatten wir ein Gartengrundstück von der Stadt bekommen, um erste Erfahrungen mit unseren Fernrohren zu machen und in Essen für Laien, Schulen und einfach nur Interessierte geöffnetes Themengebiet mit Sternenbeobachtung und Astronomie zu entwickeln. Es hat tatsächlich funktioniert, der Verein floriert noch immer, bekommt stetig neue Mitglieder.

Sind Sie Ihrem Hobby treu geblieben?
Ich habe noch immer mein eigenes Fernrohr, aber ich schaue nur sehr unregelmäßig durch. Meist hole ich es bei besonderen Konstellationen und Ereignissen raus, aber es ist lange nicht mehr so häufig wie in meiner Jugend. Ich habe versucht, dieses Hobby meinen drei Kindern ebenfalls nahe zu bringen, leider erfolglos.

In Ihrem Büro stehen eine riesengroße Wasserkugel und ein Aquarium. Brauchen Sie diese belebenden Elemente als Ausgleich zur nüchternen Zahlenwelt?
Mein Vater hatte schon ein Aquarium in seinem Büro und das habe ich als Idee übernommen. Einen leichten Zugang zu lebendiger Natur auch in einem Raum zu haben, finde ich schön. Das Süßwasseraquarium ist für mich ein Stück Heimatgefühl, ein Stück Sparkassen-Zuhause. Wenn ich in mein Büro komme, schaue ich sofort nach, ob es den Skalaren, den Neonfischen und der Prachtschmerle noch gut geht. Die Kugel steht hier, weil Wasser mich schon immer interessiert hat und ich das Leben im Wasser spannend finde. Das ist vielleicht so ein bisschen der Gegenpol zur Astronomie, bei der man mit dem Fernrohr das Weltall beobachtet. Wenn man mit einem Mikroskop das Leben in einem Wassertropfen beobachtet, dann ist das genauso spannend.

Sie haben im Dezember das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen bekommen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Natürlich habe ich mich gefreut, dass einige Menschen mein ehrenamtliches Engagement als preiswürdig angesehen haben. Es war auch eine schöne Veranstaltung und für unseren ausgeschiedenen Landrat Dr. Haas noch eine schöne Gelegenheit, die gute Zusammenarbeit der Vergangenheit zu unterstreichen, die auch ich sehr geschätzt habe. Aber ansonsten mache ich mir weiter keine Gedanken zu einer solchen Ehrung.

Zu welchen Gelegenheiten tragen Sie den Orden?
Den Orden habe ich meiner Frau zur Verwahrung gegeben, tragen werde ich ihn nicht.

Ihre Bank ist ebenfalls sozial sehr engagiert. Macht sich das auch auf dem Immobiliensektor als Bauträger bemerkbar?
Wir bauen lediglich eigene Geschäftsstellen und damit verbundene Investitionen, sind aber ansonsten keine Bauträger, sondern finanzieren sie und vermitteln Immobiliengeschäfte. Unsere eigenen Liegenschaften entstehen aber nur dadurch, dass wir Kundengeschäft betreiben.

Die Immobilienpreise steigen rasant und es ist kein Ende in Sicht. Können Sie dieser Entwicklung auch unter sozialen Aspekten als Bank entgegenwirken?
Die Kreissparkasse kann da viel tun. Das fängt schon damit an, dass wir der in der Satzung festgelegten Sparerziehungsfunktion nachkommen, indem wir schon mit den Kleinsten anfangen, Vermögensbildung zu üben, Konsumverzicht zu leisten, sich etwas vorzunehmen zu ersparen. Wir versuchen in den verschiedensten Formen von Kindesbeinen an mit den Kunden zu diskutieren, was sie tun können, um Träume entwickeln und wahr werden zu lassen. Speziell im Immobiliengeschäft geht es um Überlegungen, wie man Verkäufer und Käufer als Makler zusammenbekommt und über das Immobilienobjekt ein gemeinsames Verständnis entwickelt.

Haben wir gerade eine Immobilienblase?
Blase würde ich es nicht nennen, obwohl wir jetzt schon seit Jahren Immobilienpreissteigerungen habhafter Natur verzeichnen. Wir werden diese Entwicklung beobachten müssen, die ganz stark auch vom Wirtschaftsstandort abhängt. Die Region Stuttgart ist eine sehr wohlhabende Region, daraus resultieren neue Zuzüge und somit Nachfragen nach Immobilieneigentum, nach schönerem, immer wertvollerem Immobilieneigentum. Die Preissteigerungen haben ja nicht nur damit zu tun, dass es Preisentwicklungen gibt, sondern dass auch die inhaltlichen Ansprüche anders werden. Auf der anderen Seite ist das ein Wohlstand, den wir beibehalten und womöglich ausbauen können. Das wird die Herausforderung sein.

Glauben Sie, dass es in naher Zukunft noch Bargeld in haptischer Form geben wird?
Ja, meines Erachtens neigt der Deutsche dazu, immer ein Stück Unabhängigkeit und Freiheit bewahren zu wollen. Bargeld ist ein Stück Unabhängigkeit und Freiheit. Statistisch gesehen nimmt das elektronische Geld leicht zu. Die Verwendung, die Transaktionen, die Bestände von elektronischem Geld, die Freude an der digitalen Bezahlmöglichkeit steigt, aber es ist nicht so, dass das Bargeld in den letzten Jahren entscheidend verloren hat. Zirka die Hälfte der Transaktionen findet immer noch in Bargeld statt.

Wissen Sie, wie viel Bargeld es weltweit gibt?
Nein, das weiß ich nicht. Aber noch spannender ist die Frage, wie viel Geld es überhaupt auf der Welt gibt. Das sind alles sehr erschreckende Werte, weil wir schon ein Auseinanderdriften haben zwischen den vielen Geld schöpfenden Prozessen, die es heute bereits gibt und die auch von den Notenbanken unterstützt werden, und der realen Sphäre, die sich lange nicht so stürmisch entwickelt hat wie die Finanzsphäre. Das sollten wir mit Sorge beobachten, denn am Ende stellt sich die Frage: Was ist das Geld wert?

Wir haben mal von einer weltweiten Bargeldsumme von über 100 Billionen Dollar gehört…
Dazu wird es noch ein zigfaches an elektronischem Geld, an Buchgeld geben. Aber eine genaue Zahl kenne ich nicht.

War das auch einer der Gründe für die Finanzmarktkrise? 
Hier kamen mehrere Gründe zusammen, aber eines war während der Finanzmarktkrise schon deutlich erkennbar: Die Sorgsamkeit des Umgangs mit den finanziellen Mitteln und das Bewusstwerden, wie und wo lege ich das Geld an, hat nicht immer so transparent stattgefunden. Das hatte auch damit zu tun, dass es unglaublich viel Geld gab. Ohne eine genaue Summe zu kennen, weiß ich, dass weitaus mehr in abstrakte Konstruktionen angelegt wurde als in haptische und greifbare. Das entspricht nicht dem Modell einer Kreissparkasse, die Einlagen vom Kunden holt und sie für die Finanzierung von Kunden nimmt. Das ist zwar intellektuell nicht ganz so aufregend, aber eben ein Modell, das seit 1852 gut funktioniert.

Wie stehen Sie zu dem Spruch: Geld verdirbt den Charakter!
An diesen Spruch glaube ich nicht, denn den Charakter kann man durch viele Aktivitäten verderben, es muss nicht unbedingt Geld sein. Geld bedeutet Verantwortung und der Verantwortung gerecht zu werden. Das ist leider nicht allen bewusst, die Geld haben, aber auch nicht allen, die kein Geld haben.

Herr Dr. Schulte, wir danken Ihnen für das Gespräch!