Von Ayhan Güneş
Ludwigsburg – Der Landkreis Ludwigsburg steht vor einer großen Herausforderung: Bis zum Jahr 2028 müssen einer Studie zufolge jährlich rund 2.770 neue Wohnungen gebaut werden, um dem steigenden Wohnungsbedarf gerecht zu werden. Diese dringliche Wohnungsbau-Prognose ergibt sich aus einer aktuellen Regional-Analyse des Pestel-Instituts, die aufzeigt, dass der Landkreis nicht nur ein bestehendes Defizit von etwa 2.540 Wohnungen ausgleichen muss, sondern auch alte, abgewohnte Gebäude – insbesondere Nachkriegsbauten, deren Sanierung sich nicht mehr lohnt – ersetzen muss. Der Druck auf den Wohnungsmarkt wird zusätzlich durch die anhaltende Zuwanderung in den Landkreis verstärkt, die zwar zu einem positiven Wanderungssaldo geführt hat, jedoch auch die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum erheblich erhöht. Insbesondere die Aufnahme von Geflüchteten trägt zur Bevölkerungsdynamik bei und stellt die Region vor zusätzliche Herausforderungen
Weniger Baugenehmigungen genehmigt
Matthias Günther vom Pestel-Institut warnt jedoch davor, dass das notwendige Baupensum möglicherweise nicht erreicht wird. Der Wohnungsneubau im Landkreis Ludwigsburg stagniert, und die Bereitschaft, neue Wohnungen zu schaffen, ist rückläufig. „In den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden im gesamten Landkreis nur 140 neue Baugenehmigungen erteilt. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es noch 225 – ein Rückgang um 38 Prozent“, so Günther. Dies lasse befürchten, dass die Wohnungsnot im Kreis weiter zunehmen könnte.
Trotz der scheinbar hohen Zahl leerstehender Wohnungen im Landkreis, die der aktuelle Zensus mit rund 10.790 beziffert, sieht Günther darin keine Lösung für den dringenden Bedarf. Ein Großteil dieser Wohnungen steht seit über einem Jahr leer und ist oft in einem Zustand, der eine umfassende und kostspielige Sanierung erfordern würde. „Diese Wohnungen lassen sich nur schwer wieder auf den Markt bringen. Viele Eigentümer scheuen sich vor den Risiken und hohen Kosten einer Sanierung, besonders in Anbetracht unklarer politischer Vorgaben und unsicherer Rahmenbedingungen“, erklärt Günther.
Das Pestel-Institut betont, dass ein gewisser Leerstand notwendig sei, um Flexibilität bei Umzügen zu gewährleisten und Sanierungen überhaupt möglich zu machen. Allerdings sei der aktuelle Leerstand von 4,2 Prozent des Wohnungsbestands weitgehend unbrauchbar, um die Wohnungsnot zu lindern. Besonders kritisch sei die Unsicherheit unter den Eigentümern, die durch widersprüchliche politische Signale und fehlende finanzielle Mittel verunsichert seien. „Das Hin und Her bei Gesetzen wie dem Heizungsgesetz schafft Misstrauen und hemmt Investitionen in Sanierungen und Neubauten“, kritisiert Günther.
Katharina Metzger, Präsidentin des Bundesverbands Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der die Studie in Auftrag gegeben hat, sieht die Situation im Landkreis Ludwigsburg als exemplarisch für ganz Deutschland. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass leerstehende Wohnungen den akuten Bedarf decken können. Wer das behauptet, betreibt Augenwischerei“, sagt Metzger und erteilt der Empfehlung von Bundesbauministerin Klara Geywitz, wonach Wohnungssuchende aufs Land ziehen sollen, eine klare Absage.
Metzger fordert stattdessen eine radikale Vereinfachung der Bauvorschriften, um den Neubau anzukurbeln. „Einfacher bauen, um günstiger bauen zu können – das muss die Devise sein. Andernfalls wird bald niemand mehr bauen“, warnt sie. Überzogene Auflagen, von Klimaschutzmaßnahmen bis hin zu Stellplatzverpflichtungen, würden den Wohnungsbau unnötig verkomplizieren und verteuern.
In scharfer Kritik steht auch der Bundeshaushalt 2025, in dem laut Pestel-Institut und BDB die notwendigen Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau fehlen. „Die geplanten 3,5 Milliarden Euro reichen bei Weitem nicht aus. Für den sozialen Wohnungsbau sind mindestens 12 Milliarden Euro jährlich notwendig, um den Bedarf zu decken“, so Metzger. Sie fordert die Bürger im Landkreis Ludwigsburg auf, Druck auf ihre Bundestagsabgeordneten auszuüben, um die notwendigen Mittel bereitzustellen.
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist ernst: „Wir erleben derzeit einen regelrechten Absturz im Wohnungsbau“, so Metzger. Die Zahl der Neubauten sinkt, und viele Bauunternehmen müssen bereits Kapazitäten abbauen. „Diese Entwicklung ist fatal für den Markt und die Gesellschaft. Wohnungsnot trifft auf Nicht-Wohnungsbau – das ist eine toxische Kombination, die soziale Spannungen erzeugt“, warnt sie.
Metzger appelliert an die Politik, schnell und entschlossen zu handeln, um die Spirale des Wohnungsnotstands zu durchbrechen. „Der Wohnungsbau ist das Bohren dicker Bretter. Doch ohne klare politische Unterstützung und ausreichende Fördermittel wird sich die Lage weiter verschärfen – mit gravierenden Folgen für den sozialen Frieden im Landkreis Ludwigsburg und darüber hinaus.“
red