Sein letztes Interview: Ludwigsburg24 trifft Wolfgang Dietrich

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Am kommenden Sonntag um 13 Uhr findet in der Mercedes-Benz Arena in Stuttgart die Mitgliederversammlung des Vereins mit dem Brustring statt. Ludwigsburg24 hat sich davor mit VfB-Präsident Wolfgang Dietrich getroffen und ihm Fragen gestellt: Über seine Fehler, die Personalie Michael Reschke, Mobbing in den sozialen Netzwerken und der Parallele zwischen Stuttgart21 und dem VfB 

 

Ludwigsburg24: Unternehmer, später Stuttgart21, dann Präsident beim VfB Stuttgart. Es gibt einfachere Jobs auf dieser Welt. Mögen Sie schwierige Jobs?

Fangen wir mit dem Thema Stuttgart 21 an: Hätte ich vorher gewusst, dass, eine Woche nachdem ich angefangen hatte, die Lage dermaßen eskaliert, dass sich Menschen verletzen, hätte ich das sicher nicht gemacht. Es war eine Dimension, die nicht vorhersehbar war.

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Wie beim VfB Stuttgart?

Da war mir schon klar, dass die Emotionalität sehr groß ist. Viel, viel größer als irgendwo anders. Was mich aber in den vergangenen Jahren überrascht hat, war die Geschwindigkeit, in der sich im Profifußball die Stimmung drehen kann. Sowohl ins Positive als auch ins Negative. Das war mir vorher so nicht bewusst.

 

Wie meinen Sie das?

Ich bin seit 46 Jahren Mitglied beim VfB Stuttgart und habe gefühlt mehr Tiefen als Höhen erlebt. Ich habe miterlebt, wie immer wieder in den Stadien Namen skandiert wurden, deren Weggang gewünscht wurde. Aber dass das so krass persönlich werden kann, das war mir dann schon neu.

 

Kritik gehört eben zum Job dazu.

Ja, natürlich, aber bitte nicht aus der Anonymität heraus. Kritik muss sein, aber manchmal ist es eben die Art und Weise, wie Kritik geäußert wird. Dieses Extreme hatte ich so nicht erwartet. Ich hatte auf einen größeren Zusammenhalt gehofft.

 

Herr Dietrich, fühlen Sie sich bedroht?

Wenn in den sozialen Medien geschrieben wird, „Betoniert ihn ein“, „Belagert sein Haus“, `Dietrich tieferlegen` oder wenn meine Familie beleidigt wird, sind das Dinge, die einem schon nahe gehen. Da frage ich mich manchmal schon: Was mache ich da eigentlich? Auf der anderen Seite ist die geäußerte Kritik aber überwiegend sachlich.

 

Ist der VfB die größte Herausforderung Ihres Lebens?

Ich habe in meinem Leben schon einiges erlebt. Aber als Unternehmer hatte ich immer selbst das `Heft des Handelns‘ in der Hand. Beim VfB ist es so, dass man als Präsident oder Aufsichtsratsvorsitzender oft keinen unmittelbaren Einfluss hat. Der Job ist dazu da, die wirtschaftlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen, damit im Sport möglichst erfolgreich gearbeitet werden kann. Darüber hinaus versucht man natürlich den sportlichen Bereich zu unterstützen. Neu ist für mich, für Ergebnisse verantwortlich gemacht zu werden, auf die ich nur einen sehr begrenzten Einfluss habe. Denn ob ein Trainer im entscheidenden Moment richtig funktioniert oder ein Spieler beim Freistoß im Abseits steht, können wir nicht steuern. Da sitzt man wie alle anderen auch machtlos im Stadion und freut sich oder leidet.

 

Welchen Fehler würden Sie gerne wiedergutmachen?

Wolfgang Dietrich und sein damaliger Manager Michael Reschke. Foto: Herbert Rudel

Das kann ich Ihnen sagen: Die Personalentscheidungen rund um Michael Reschke. Uns war klar, dass einer allein den Job Sportvorstand eigentlich nicht machen kann. Kaderplanung und Klubführung sind heutzutage zwei so unterschiedliche Rollen, dass das ein Mensch gar nicht alles allein abdecken kann. Wir haben auch mit ihm klar besprochen, dass wir eine Doppelspitze brauchen – mit ihm als Vorstand und Kaderplaner sowie einem Sportdirektor. Wir hatten sogar Einigung mit jemanden erzielt, aber derjenige hat zweimal zurückgezogen. Dass diese Position trotzdem schnellstmöglich besetzt wird, darauf hätte ich massiver drängen sollen.

 

Wo soll die Reise des VfB nach dem bitteren Abstieg nun hinführen?

Klar ist, dass wir ein verlorenes Jahr hinter uns haben. Den sportlichen Bereich haben wir bereits komplett umgebaut. Und wenn wir weiter die richtigen Schlüsse ziehen und die Fehler korrigieren, ist es vielleicht doch kein komplett verlorenes Jahr gewesen. Maßgeblich wird sein, dass wir uns im Jugendbereich weiter so konsequent entwickeln, wie wir das vor zwei Jahren begonnen haben. Über allem steht aber, dass wir wieder aufsteigen, sportlich Nachhaltigkeit bewerkstelligen, alle anderen Bereiche stabil bleiben und der VfB Stuttgart seinen großartigen Fans wieder mehr Freude macht als zuletzt.

 

Mit Wolfgang Dietrich sprach Ludwigsburg24-Herausgeber Ayhan Günes