
Von Ayhan Güneş
Dietmar Allgaier hat die Richtung vorgegeben – für sich und für den VfB Stuttgart. Am 22. März 2025 fällt die Entscheidung, wer den Traditionsclub aus Bad Cannstatt dauerhaft führen wird. Der Interimspräsident, der den Verein durch stürmische Gewässer navigiert hat, setzt nun alles auf eine Karte: Er will den VfB Stuttgart nicht nur stabilisieren, sondern in eine neue erfolgreiche Ära führen. Doch was hat den Landrat des Landkreises Ludwigsburg dazu bewegt, seinen ursprünglichen Plan zu revidieren und für das Präsidentenamt zu kandidieren? In einem exklusiven Gespräch spricht Allgaier über die Balance zwischen Tradition und Fortschritt, die Chancen und Herausforderungen, die vor dem VfB liegen, und das Vertrauen der Fans, das ihm den Rücken stärkt. Und, natürlich, die alles entscheidende Frage: Gewinn des DFB-Pokals oder die Teilnahme an der Champions League – was hat für Allgaier höhere Priorität?
LB24: Wie würden Sie den aktuellen sportlichen Stand des VfB beurteilen?
Allgaier: Die Profis erreichen hoffentlich bald die magischen 40 Punkte, und die internationalen Plätze sind in Reichweite. Mit dem Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals ist ein echtes Highlight im Bereich des Möglichen. Die Frauen sind klar auf Aufstiegskurs Richtung 2. Bundesliga, und auch die U21 kann durchaus noch die 3. Liga halten. Wir liegen also absolut im Plan. Unsere Mannschaften spielen dabei oftmals einen begeisternden Fußball und auch unsere Sportlerinnen und Sportler in den Vereinsabteilungen überzeugen in ihren Sportarten.
Auf einer Skala von 1 bis 10 – wie würden Sie die aktuelle Entwicklung des VfB bewerten und warum?
Allgaier: Die Entwicklungsfelder sind zu divers, um das an einer Zahl festzumachen. Teilweise gibt es noch Luft nach oben, aber auf jeden Fall stimmt der Trend: nach oben, Richtung Spitze.
Zu Beginn Ihrer Amtszeit sagten Sie, dass Sie nur als Interimspräsident zur Verfügung stehen würden. Was hat Ihre Meinung letztlich verändert und Sie dazu bewogen, sich nun dauerhaft für das Präsidentenamt zu bewerben?
Allgaier: Mit der Ankündigung meiner Kandidatur habe ich das den Mitgliedern, Gremien, weiteren Gruppen und auch der Öffentlichkeit ausführlich erläutert. Es ist ein Vierklang. Erstens: Ich bekomme es zeitlich organisiert, ohne dass an einer Stelle ein Nachteil entsteht; zweitens: Die Aufgabe erfüllt mich, und wir haben schon viel bewirkt; drittens: ich halte mich für mit meiner Eignung für die richtige Person für den VfB und viertens, das wichtigste: Ich bin beseelt davon, noch viel mehr mit und für den VfB zu erreichen. Ich will für die Mitglieder eintreten, die Positiventwicklung der AG weiter mitgestalten und den Verein professionalisieren und inhaltlich wie vom Angebotsspektrum her voranbringen.
In Ihrer Zeit als Interimspräsident haben Sie gemeinsam mit Andreas Grupp Stabilität in den Verein gebracht. Welche konkreten Maßnahmen haben Sie ergriffen, um den VfB in dieser turbulenten Phase zu stabilisieren?
Allgaier: Das waren nach der vereinspolitisch aufgeregten Zeit vor allem kommunikative und moderative Maßnahmen in den Gremien und gegenüber allen Anspruchsgruppen. Ganz viel Präsenz, verstehen, diskutieren, aber auch konkrete organisatorische Dinge wie die Terminierung und Vorbereitung der Mitgliederversammlung. Zudem bin ich als Präsident wieder der Vorsitzende des Aufsichtsrats geworden.
Sie haben die Leidenschaft und den Zusammenhalt der VfB-Familie betont, die Sie sehr berührt haben. Welche spezifischen Gespräche oder Rückmeldungen der Fans haben Ihre Entscheidung beeinflusst, sich für das Präsidentenamt zu bewerben?
Allgaier: Das waren ganz viele Rückmeldungen aus allen Ebenen und Gruppierungen. Ich habe ja ständig Kontakt zu VfBlern. Und es gab ausschließlich Stimmen, die mich darin bestärkt und motiviert haben, dieses ehrenvolle Amt für sie und den Verein weiter zu bekleiden. Ich verspüre einen unglaublichen Rückhalt. Besonders wichtig war mir das aus dem Munde vieler engagierten Mitglieder sowie organisierten Fans zu vernehmen.
Sie sprachen von der Einführung einer hauptamtlichen Stelle im e.V., um den Verein zu professionalisieren. Was ist Ihre Vision für den VfB Stuttgart? Welche wesentlichen Ziele möchten Sie in den kommenden Jahren erreichen?
Allgaier: Wir haben schon jetzt eine fantastische Vereinskultur und tolle Abteilungen. Noch dazu fungieren das Präsidium und der Vereinsbeirat unter anderem als starke Interessensvertretung der Mitglieder. Diese Mandate werden natürlich vollständig bei den gewählten Personen bleiben. Allerdings haben wir auf der Geschäftsstelle gerade einmal drei Mitarbeiter für über 120.000 Mitglieder und ganz viele Aufgaben. Abseits des Fußballs ist noch so viel operativer Gestaltungsspielraum, der konzeptionell in Verantwortung des Präsidiums angegangen werden muss. Seien es gesellschaftliche Angebote, Sportarten, Infrastruktur, Mitgliederformate, Events und so weiter. Dazu braucht es dringend einer Aufstockung und Strukturerneuerung – und zwar unabhängig von mir.
Wie möchten Sie als Präsident sicherstellen, dass die traditionellen Werte des VfB Stuttgart gewahrt bleiben, während gleichzeitig moderne Führungskonzepte und Strukturen eingeführt werden?
Allgaier: Tradition und Moderne schließen sich nicht aus – sie ergänzen sich. Die Werte, die den VfB stark gemacht haben – Gemeinschaft, Leidenschaft und Verantwortung – bleiben unser Fundament. Gleichzeitig braucht ein Verein in der heutigen Zeit professionelle Strukturen, klare Prozesse und moderne Führung, um erfolgreich zu sein. Ich werde beides verbinden: die Wurzeln achten und den Blick nach vorne richten.
Es gibt Stimmen, die sich fragen, ob die Doppelbelastung als VfB-Präsident und gleichzeitig Landrat langfristig tragbar ist. Wie gehen Sie mit solchen Bedenken um?
Allgaier: Diese Bedenken nehme ich ernst, schließlich war das ja auch der wesentlichste Punkt meiner Überlegungen, bevor ich mich entschied zu kandidieren. Nach den gemachten Erfahrungen der letzten Monate wird das Zeitmanagement beides ermöglichen, ohne dass es zu irgendwelchen Effekten kommt. Ich weiß zu priorisieren und zu strukturieren. Beim VfB wird das Präsidium ja wieder aus drei Personen bestehen und wir wollen die Organisation weiter entwickeln. Meine Rolle als Landrat werde ich weiter mit voller Kraft, Aufmerksamkeit und Energie ausüben.
Ihre Amtszeit begann nach Jahren der Unruhe und Führungsprobleme im Verein. Wie gehen Sie mit dem Erbe Ihrer Vorgänger um? Was möchten Sie aus der Vergangenheit des VfB in Ihre Arbeit einfließen lassen?
Allgaier: Wir wollen unbedingt nach vorne schauen und dafür in aller Offenheit aus dem Vergangenen lernen.
Wenn Sie im März 2025 zum Präsidenten des VfB Stuttgart gewählt werden sollten, unter welchem Motto soll Ihre Amtszeit stehen?
Allgaier: Ganz unter dem Motto des VfB und seiner Mitglieder.: „Für den VfB, für die Region, für uns alle“
Das Lebensmotto Ihrer Großmutter, ‚Tue recht und scheue niemand‘, hat Sie inspiriert. Wie setzen Sie dieses Prinzip konkret in Ihrer Arbeit als Präsident um, besonders in schwierigen Vereinsfragen und der Kommunikation mit kritischen Mitgliedern?
Allgaier: Indem ich klare Entscheidungen treffe, offen kommuniziere und Verantwortung übernehme, auch wenn es einmal unbequem wird. Kritik nehme ich ernst, denn nur im offenen Dialog können wir den Verein gemeinsam voranbringen.
Was glauben Sie, was den VfB Stuttgart langfristig erfolgreicher machen wird: die tief verwurzelte Tradition oder eine stärkere Ausrichtung auf Innovation, Modernisierung und. Kommerz?
Allgaier: Wie schon gesagt, es ist die Kombination aus beiden, befeuert mit der Liebe der Dunkelroten.
Auf welchem Bundesligaplatz landet der VfB am Ende der Saison?
Allgaier: Das ist noch zu früh zu prognostizieren. Ich vertraue den sportlich Verantwortlichen, dass sie das Beste für den VfB herausholen und uns so weit oben platzieren, wie es eben erreichbar ist.
Wenn Sie sich etwas wünschen dürften, wäre das entweder: der Gewinn des DFB-Pokals oder das erneute Erreichen der Champions League?
Allgaier: Um eines oder bestenfalls beide äußerst ambitionierten Ziele zu erreichen, werden meine Wünsche nicht reichen. Aber wenn ich träumen darf; so magisch und lukrativ die Champions League auch ist; ein DFB-Pokalsieg wäre unbezahlbar und bliebe für immer. Noch ist er jedoch weit weg, und es bedarf noch viel realer Arbeit, vor allem eines Siegs im Halbfinale. Das wäre mein erster Wunsch.
Herr Allgaier, wir danken Ihnen für das Gespräch!