Zum Protest gegen den Ukraine-Krieg – raus aus der Komfortzone

Ein Gedankensplitter von Uwe Roth

An diesem Donnerstag haben sich erneut ein paar Hundert Menschen auf dem Ludwigsburger Marktplatz versammelt. Sie zeigten – auch in Gebeten – Solidarität mit der Bevölkerung in der Ukraine. Solche friedlichen Aktionen gegen Russland sind wichtig. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass dies die Verantwortlichen im Kreml in keiner Weise beeindruckt. Putin schonmal gar nicht. Den Menschen im Kriegsgebiet hilft es wenig, wenn Eltern und ihre Kinder mit Ökokreide Friedenszeichen auf öffentliche Flächen in Ludwigsburg malen und danach die Bilder in den sozialen Netzwerken verteilen. Ein solcher Aufruf war in Facebook zu lesen.

Die Lage hat sich in dieser Woche dramatisch zugespitzt, dass man diese provokante Frage stellen darf: Wer will mit seinem Handeln tatsächlich etwas ändern? Oder wem geht es nur darum, mit den eigenen Ängsten vor einem möglichen Krieg klarzukommen. Helfen, ohne die geliebte Komfortzone zu verlassen, bringt in diesem Stadium der Krise nur noch wenig. Dazu zählt beispielswiese das Spenden von Klamotten, die man sowieso nicht mehr tragen will. Ein Helfer an der polnisch-ukrainischen Grenze hat flehentlich in die Kamera gesagt, wir sollen keine Textilien mehr schicken… Wer helfen will, der soll Geld an Organisationen überweisen, die dafür kompetent sind. Wer Flüchtende ein Zuhause gibt, zeigt seine Bereitschaft, die Wohlfühlzone zu verlassen.

Es gibt drei Formen des Handelns: Aktionen, die symbolischer Natur sind und letztlich nichts verändern. Da sind zum anderen humanitäre Hilfen aller Art für die ukrainische Bevölkerung und zum dritten der persönliche Verzicht, der in der Summe Putin schwächen kann. Man darf gespannt sein, wer alles bereit ist, freiwillig seine Komfortzone zu verlassen, wenn die Verbraucherkosten weiter durch die Decke gehen. Es ist nicht nur fehlendes Erdgas, das unser Leben verteuert, sondern auch ausbleibendes Getreide aus Russland und der Ukraine.

Echter Verzicht darf ruhig wehtun. Muss wehtun. Am 25. November 1973 hat es wegen der damaligen Ölkrise den ersten autofreien Sonntag gegeben. Die Straßen waren vollkommen leer! Gut, es war eine staatliche Anordnung. Aber die Autofahrer*innen haben diese ohne Murren befolgt. Es wäre ein öffentlich wahrnehmbares Zeichen gegen Putin, wenn wir ihm Bilder von leeren Straßen senden könnten. Wir brauchen dein blutgetränktes Gas nicht! Wir finanzieren nicht deinen Krieg an unseren Tankstellen! Oder über horrende Gasrechnungen, weil immer noch zu vielen glauben, jeden Tag duschen zu müssen und kuschelig in der Wohnung beginnt bei weit über 20 Grad.

Wenn es darum geht, sich wesentlich einzuschränken (was immer noch ein Klacks im Vergleich zu dem wäre, was die ukrainische Bevölkerung aushalten muss), kommen weinerliche Mimimi-Ausreden. Das Fernsehen zeigt Autofahrer, für die das Vehikel aus beruflichen Gründen unverzichtbar ist. Es zeigt Politiker, die eine Senkung der Energiesteuer fordern. Medien berichten über den Autokorso, der durch Ludwigsburg fährt, um gegen Corona-Regeln zu protestieren. Das Auto ist für viele zur Droge geworden, von der sie nicht so leicht loskommen.

In Baden-Württemberg hat die Umweltministerin einen autofreien Sonntag ins Gespräch gebracht. Doch ein solcher wäre im März 2022 im Gegensatz zu dem vor 50 Jahren alles andere als autofrei. Schließlich will man auf die Sonntagsbrötchen nicht verzichten. Dabei wäre es so wichtig, aus eigenem Antrieb die eigene Komfortzone zu verlassen und nicht darauf zu warten, bis einen die äußeren Zwänge (zum Beispiel staatliche Anordnungen) aus dieser verdrängen. Das schafft nur weiteren Frust und bringt neue Querdenker hervor.

„Krieg und Frieden“ – Ein Gedankensplitter von Oberbürgermeister Matthias Knecht

„Jeder denkt daran, die Welt zu verändern, aber niemand denkt daran, sich selbst zu verändern“, hat der russische Schriftsteller Leo N. Tolstoi einmal geschrieben. Der russische Staatspräsident Wladimir Putin zitiert gerne und häufig aus den Schriften Tolstois, der das Jahrhundertwerk „Krieg und Frieden“ im 19. Jahrhundert verfasst hat.

Diese beiden im Titel enthaltenen größten Gegensätze, die die Menschheitsgeschichte überhaupt aufweist, sind in unfassbar trauriger Art und Weise seit kurzer Zeit wieder omnipräsent. Mit dem Start militärischer Aktionen gegen die Ukraine in der Nacht auf Donnerstag hat die russische Regierung einen tiefgreifenden Völkerrechtsbruch begangen, der Leid, Zerstörung und Verzweiflung nach sich zieht und weiter ziehen wird. Bilder, die den Beschuss der ukrainischen Hauptstadt Kiew zeigen, machen fassungslos. Man fragt sich, ob das nicht ein böser, seinen Ursprung in der Vergangenheit besitzender Traum ist: Aber es ist das 21. Jahrhundert und damit die Gegenwart.

Auch an uns, den Menschen in Ludwigsburg, gehen diese Tage nicht spurlos vorbei. Mit dem Hissen der Flaggen der Ukraine und der EU am Donnerstag haben wir ein klares Zeichen gesetzt, auf welcher Seite wir in diesem Konflikt stehen – noch nie haben wir in so kurzer Zeit so viele betroffene und nachdenkliche Rückmeldungen über die sozialen Medien erhalten. Das am Abend organisierte Friedensgebet auf dem Marktplatz besuchten trotz der geringen Vorlaufzeit über 300 Menschen. Die unglaubliche Solidarität Menschen aller Nationen für das unerträgliche Leid der Ukrainerinnen und Ukrainern ist überall spürbar.

Es liegt jetzt an unserer politischen Führung und ihrer Verbündeten, Russland und seine Regierung mit so weitreichenden Sanktionen zu belegen, dass die Diplomatie wiederaufgenommen wird und die Vernunft siegen kann: Der Weg zum Frieden wird niemals über Waffen und Krieg begangen werden können, sondern über das gesprochene Wort, über Empathie und Rücksichtnahme aufeinander: Das Handeln eines Einzelnen und seiner wenigen Verbündeten darf das gegenseitige Verständnis der Menschen in Europa nicht gefährden. Und so ist es mir auch ein Anliegen, dass wir nicht alle Russinnen und Russen für das unsägliche Geschehen verantwortlich machen. Wir dürfen nicht ein gesamtes Volk verurteilen: Es ist das Machtstreben eines Autokraten, der in der Welt von heute eine Gefahr sieht und nicht bemerkt, dass er selbst die größte Bedrohung darstellt.

Hoffen wir darauf, auch wenn es völlig undenkbar erscheint, dass der russische Präsident zur Einsicht kommt: Dass er es ist, der sich ändern muss, damit wieder Frieden herrscht.

Dr. Matthias Knecht Oberbürgermeister der Stadt Ludwigsburg am 25.2.2022 .

Gedanken zur Winterolympiade in Peking von Andreas Wagner

Ein Gedankensplitter zu Olympia von Andreas Wagner – Leiter Abteilung Sport Hörfunk im SWR

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Kritik an einem Ausrichter Olympischer Spiele schon einmal so heftig gewesen wäre wie im Vorfeld von Peking 2022. Um es vielleicht an zwei zentralen Aspekten festzumachen: Olympischer Geist und Menschenrechtsverletzungen sind nicht miteinander vereinbar; der Sport sollte im Mittelpunkt stehen, nicht der Kommerz. Dem dürfte kaum jemand widersprechen. Aber wo ist im öffentlichen Diskurs ein konstruktiver Ansatz, diese Themen anzupacken? Wir spielen den Ball da gerne in das Feld des Internationalen Olympische Komitees und seines Präsidenten Thomas Bach. Das IOC mag in so mancher Hinsicht zurecht kritisiert werden, aber beim Thema Menschenrechte machen wir es uns ein bisschen einfach. Wie soll ein Weltsportverband, dessen Mitgliedsverbände nur zum kleineren Teil aus Ländern mit funktionierender Demokratie stammen, zu Entscheidungen kommen, die in das Wertesystem von uns „funktionierenden Demokraten“ passen? Wie verhindern, dass Diktaturen die Spiele ausrichten? Und vergessen wir nicht: München wollte Olympia 2022 nicht haben. Oder sollen wir etwa sagen „Ohne uns“ und uns ein kleines feines IOC nach EU-Wertestandard basteln? Wobei wir dabei nicht übersehen dürften, dass sich selbst die EU schwertut, all ihre Mitglieder auf (Werte-)Kurs zu halten.

Beim Thema Kommerz liegt der Fall anders. Natürlich hat das IOC daran einen entscheidenden Anteil. Aber der Kommerz basiert auf marktwirtschaftlichen Mechanismen; ist also Teil unseres Wertesystems. Und er braucht Kunden. Mögen die ein bestimmtes Produkt nicht, wird der Anbieter das Produkt im Sinne der Kunden verbessern oder ganz vom Markt nehmen. Hier hätten wir es also selbst in der Hand, zu Veränderungen beizutragen. Das tun wir aber nicht. Wenn die Wettbewerbe einmal laufen; wenn sie Triumphe und Tränen produzieren – oder auch Ärger über einen allzu pingelig vermessenen Skispringer-Anzug –, dann rücken die kritischen Aspekte weit in den Hintergrund. Das Unbehagen, das die Olympia-Stadt Peking transportiert, drückt uns am Ende eben doch weniger, als uns die Emotionen der Spiele beflügeln. Und wenn wir darauf schauen, wer die nächsten Olympischen Spiele ausrichtet, dann haben wir da Paris im Sommer 2024, Mailand im Winter 2026 und Los Angeles im Sommer 2028. Das sind die Guten. Passt doch. In Mailand war es diese Woche übrigens sonnig mit Temperaturen bis zu 16 Grad. Vielleicht ist es da in vier Jahren ja noch ein bisschen wärmer. Im Parco Sempione blühen dann schon die Tulpen, und unsere Gold-Rodler, die wie immer alles abräumen werden, kommen im T-Shirt zur Siegerehrung auf die Medals Plaza. Freuen wir uns drauf!

“Es ist Zeit” – Ein Gedankensplitter von Ayhan Güneş

Liebe Leserinnen und Leser,

dunkle und schwierige Tage liegen hinter uns und wahrscheinlich noch vor uns. Es ist eine Zeit, die uns sehr viel abverlangt, manch einem sogar zu viel. Seit Anbeginn der Zeit war die Menschheit immer wieder mit Katastrophen konfrontiert, doch sie schaffte es immer wieder diese zu überwinden.

Gerade an Weihnachten, der Zeit der Liebe und des Innehaltens, sollten wir uns unserer Stärke und Widerstandsfähigkeit bewusst sein und uns daran erinnern, dass wir die größten Herausforderungen nur gemeinsam bestehen können.

Es ist die Zeit des Glaubens und der Hoffnung.

Eine Zeit des Vertrauens und nicht des Täuschens.

Es ist die Zeit des Gebens.

Eine Zeit des Vergebens und des Vergessens.

Eine Zeit, in der das Hassen und das Kämpfen aufhört

Eine Zeit, um sich über das Gute zu freuen, das trotz alledem uns in jedem Augenblick umgibt.

Es ist Zeit!

Frohe Weihnachten wünscht Ihnen
Ayhan Eren Güneş

Geschäftsführer und Mitglied der Chefredaktion von Ludwigsburg24

60 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei: Eine Gastkolumne von Nejdet Niflioğlu

Am 30. Oktober jährt sich die Unterzeichnung des Anwerbeabkommens mit der Türkei zum sechzigsten Mal. Über die Gründe der Anwerbung von Arbeitskräften aus dem europäischen und nordafrikanischen Ausland wurde schon viel geschrieben. Auch über das Für und Wider dieser Maßnahmen wurde schon viel diskutiert. Diese Diskussion möchte ich hier nicht fortsetzen.

Kontroverse Themen sachlich zu besprechen ist per se nicht leicht. Vorbehalte gegenüber Meinungen, die wir nicht teilen, konnten wir noch nie wegdiskutieren. Im besten Fall verließen wir die Diskussion mit dem Gefühl, unsere besten Argumente auf die Mitdiskutanten abgefeuert zu haben. Doch ist es uns jemals gelungen, diese tatsächlich umzustimmen? Wahrscheinlich nicht.

Eine gute Moderation von kontrovers geführten Gesprächen ist hilfreich. Leider fehlt uns diese gute Moderation wenn es um Themen der Zuwanderung, Integration und friedvolles Zusammenleben verschiedener Kulturen geht. Wir hangeln uns von Erfolgsgeschichte zu Musterbeispiel gelungener Integration. Wir genießen die erfolgreichen sportlichen, wirtschaftlichen, kulinarischen oder kulturellen Bereicherungen, die Zuwanderer in unsere Gesellschaft einbringen. Doch leider empören wir uns auch häufig über Probleme, die es ohne Zuwanderung gar nicht gäbe.

Natürlich empören wir uns zurecht darüber. Doch zu glauben, nur Angehörige der sogenannten Aufnahmegesellschaft würden sich ärgern ist nicht richtig. Leider kennen wir alle das Gefühl des Fremdschämens nur zu gut.

Verallgemeinerungen und Schubladen Denken sollten wir sowieso vermeiden. Denn Verallgemeinerungen schaffen Trugbilder von Menschen und Dingen. Wie oft mussten wir im Ausland schon klarstellen? Nein, Deutsche tragen nicht immer Lederhosen und Gamsbarthut, ernähren sich nicht ausschließlich von Bier, Bockwurst und Kartoffelsalat, trinken Sangria nicht gewohnheitsmäßig aus Eimern…

Bezogen auf uns selbst reagieren wir auf Voreingenommenheit individuell verschieden. Wir sind je nach Gemütslage amüsiert, entsetzt, verärgert oder beleidigt. Da sollte es uns doch möglich sein zu akzeptieren, dass nicht alle Niederländer einen Wohnwagen besitzen, nicht jeder Kenianer ein begnadeter Langstreckenläufer ist, oder nicht jeder Türke ein Gemüsehändler?

Ebenfalls interessant: Nicht jeder Einwanderer aus der Türkei ist muslimisch, konservativ oder Anhänger der aktuellen Regierungspartei der Türkei. Wahrscheinlich ist eine viel größere Gruppe dieser Menschen all das nicht, was bestehende Ressentiments über den typischen türkischen Mitbürger verbreiten. Leider geht es diesen Menschen fast so, wie den deutschen Urlaubern auf Mallorca. Die öffentliche Wahrnehmung konzentriert sich nicht auf die mehrheitlich friedlichen Urlauber aus Deutschland, sondern auf die relativ kleine Gruppe der lärmenden, grölenden Ballermann-Touristen. Macht es Sinn, sich vom Verhalten dieser Gruppe zu distanzieren? Wie könnte ein Gespräch aussehen, die diese Gruppe zur Vernunft bringt?  In unregelmäßigen Abständen sehen sich auch die türkeistämmigen Menschen in Deutschland mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Die Empörung über Unangepasstheit, Bildungsverweigerung etc. ist in dieser Community genauso groß, wie in der Aufnahmegesellschaft, doch viele sehen sich gar nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun.

Wir alle zusammen bilden gemeinsam die Gesellschaft in Deutschland. In dieser Gesellschaft teilen wir nicht nur Lebensräume. Wir gehen darin gemeinsam zur Schule, zur Ausbildung, zur Arbeit. Wir erziehen unsere Kinder darin, unterstützen unsere Notleidenden, pflegen unsere Kranken und Alten. Gemeinsam leben wir in einem Sozialsystem, um das uns die ganze Welt beneidet. Doch dieses Sozialsystem fußt zu einem großen Teil auf das weit verbreitete Ehrenamt in Deutschland. Freiwillige Feuerwehr, DLRG, Rotes Kreuz, THW um nur einige Organisationen zu nennen, sind unverzichtbare Bestandteile dieses vorbildlichen Sozialsystems. Doch die demographische Entwicklung reißt vielerorts gewaltige Lücken in die Funktionsfähigkeit der Freiwilligenorganisationen. Gemeinden ohne eigene Berufsfeuerwehr sind angewiesen auf ihre Freiwillige Feuerwehr. Nicht auszudenken, was passiert, wenn im Schadensfall diese mangels Nachwuchs nicht ausrücken kann. Wenn Bühnenveranstaltungen nicht stattfinden können, weil die Anwesenheit eines Feuerwehrmannes vorgeschrieben ist. Wenn medizinische Notfälle nicht schnell genug versorgt werden können,  Sportveranstaltungen ausfallen müssen weil keine ehrenamtlichen Ersthelfer des Rot Kreuz, Johanniter etc. vor Ort sind. Badeanstalten und Badeseen geschlossen bleiben weil es keine Rettungsschwimmer gibt. Dieser Fall ist im Sommer 2019 in einer Gemeinde im Schwarzwald bereits eingetreten. Alle Badeanstalten mussten mitten im Sommer geschlossen bleiben. Meine persönliche Meinung ist, dass sich diese Organisationen ganz dringend öffnen müssen. Sie müssen für Migranten zugänglich und attraktiver werden. Diese Organisationen werden einen großen Beitrag zur guten Integration von zugewanderten Menschen leisten, wie es viele Sportvereine bereits tun.

Integration bedeutet, sich gesellschaftlich einzubringen. Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen sehe ich als wichtigen Faktor einer gelungenen Integration. Je schneller wir diese Zugänge schaffen, desto beständiger erhalten wir das vorbildliche Sozialsystem, das uns allen so wichtig ist.

“Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung”: Ein Gastbeitrag von Martin Pfaff

Gastbeitrag von Martin Pfaff:

Ich wurde in einem Umfeld groß, in welchem man seine Meinung sagen und vertreten durfte. Das hat auch zu Spannungen geführt, jedoch wurde um die Fakten gerungen und nicht um die Klassifizierung der Person, welche eine andere Meinung vertritt.

Was möchte ich damit ausdrücken? Mit großer Sorge beobachte ich die Entwicklung der letzten Jahre, dass Menschen zu kritischen Themen schweigen! Sie haben Angst mit einem Label versehen zu werden, das mit dem Thema zwar nichts zu tun hat, aber die Person diskreditiert und ausgrenzt. Angst vor freier Meinungsäußerung darf es in unserer Demokratie aber nicht geben.

Leider haben sowohl Politiker verschiedenster Parteien als auch viele Medien vergessen, dass eine andere Meinung, gedeckt durch unser Grundgesetz, zulässig ist. Stattdessen wird derjenige durch Standardlabels (rechts-/linksradikal, ausländerfeindlich, unsozial, Querdenker, Verschwörungstheoretiker etc.) lautstark mundtot gemacht.

Eine ältere Dame sagte mir kürzlich, sie hätte Angst davor, ob wir weitere Flüchtlinge so integrieren können, dass es nicht zu weiteren Parallelgesellschaften kommt. Sie traue sich aber nicht das laut zu sagen, da sie dann sofort als „fremdenfeindlicher N…“ abgestempelt werden würde.

Oder aktuell immer wieder zu hören, dass Menschen einfach Angst davor haben sich impfen zu lassen, jedoch die Diskussion dazu scheuen, weil Sie dann sofort in die Schublade der „unsozialen Impfverweigerer und Verschwörungstheoretiker“ gesteckt werden.

Ich rede hier nicht von den „Spinnern“, die extreme, teilweise weltfremde Positionen vertreten. Dabei bitte aber daran denken, die hatten wir schon immer in allen Lagern, rechts, links und auch in der Mitte.

Man muss sich mit diesen Meinungen in einem konstruktiven Dialog auseinandersetzen. Jedoch wird dies lieber durch pauschale Stigmatisierung ersetzt. Der Dialog wird willentlich unterdrückt, da er scheinbar anstrengend und unangenehm ist. Man versucht damit seine eigene Meinung als alleingültige Wahrheit zu etablieren. Es wird nicht mehr differenziert zwischen unverbesserlichen „Spinnern“ und den Menschen, welche man mit einem offenen Dialog mitnehmen könnte.

Dadurch wird aber das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung massiv eingeschränkt.

Die Ansprache an die Bürger, welche aktuell von bestimmten Politikern verwendet wird, kennt nur noch das Extreme in der Bezeichnung von Menschen, die anders denken. Das wird leider mit denselben Worten in den Medien weitergereicht. Dadurch entsteht das Bild, dass alle die nicht auf der Linie der vorgegebenen Meinung liegen, unrecht haben.

Leider mit einer fatalen Folgewirkung! Das Verhalten findet sich mittlerweile in allen gesellschaftlichen Bereichen wieder. Ein Beispiel: Arbeitskollegen „prügeln“ verbal auf den anderen ein, weil er sich noch nicht hat impfen lassen. Das Warum ist völlig egal, er wird dem Sprachgebrauch der Politik und Medien folgend beschimpft und ausgegrenzt. Seine Argumente und Gründe werden beiseite gewischt mit einem der allgegenwärtigen Totschlagargumente. Die Beispiele ließen sich endlos fortsetzen.

Die Pandemie hat uns allen sehr, sehr viel abverlangt. Lassen Sie uns aber trotzdem nicht vergessen, wir sind eine freie Gesellschaft, welche auf bestimmten Werten und Rechten aufbaut. Daher gehen sie mit jedem respektvoll um und suchen das Gespräch. Verpassen Sie ihrem Gegenüber nicht pauschal einen Stempel, nur weil sie vielleicht keinen Konsens finden.

Druck und Zwang ohne offenen Diskurs führen zu Gegendruck und Widerstand, zu einer Spaltung unserer Gesellschaft! Und letzten Endes bleibt dann das Risiko, dass die, die sich unterdrückt fühlen, irgendwann tatsächlich radikal werden. Dann hat man sie „endlich“ in der Ecke, in welche man sie von Anfang an gestellt hat. Ist das wirklich das Ziel?

Als Schlusswort: Es geht hier nicht um Impfen ja oder nein, es geht nicht darum, wie viele Asylanten können wir integrieren etc. etc.

Es geht nur darum, wie wir mit komplexen Sachverhalten umgehen, wie wir miteinander umgehen und GEMEINSAM einen Weg finden ohne dabei unbequeme, weil anderslautende Meinungen, zu unterdrücken.

Ihr Martin Pfaff

“Wie viel unter meinen Hut passt?” Ein Gastbeitrag von Ender Engin

„Herr Engin, wie machen sie das?“

..fragt mich letztens jemand.

„Wie mache ich was?“, frage ich.

„Na alles, wie kriegen Sie all das unter einen Hut?“, bohrt er nach.

Ich schmunzle und frage mich, ob „Superkraft“ als Antwort durchgehen würde. Eher nein. Aber mit der Wahrheit wäre er womöglich auch nicht zufrieden. So lache ich die Frage beiseite und zucke mit den Schultern. „Melde mich, sobald ich es weiß“, sage ich und gehe.

Mein Kopfkino läuft aber weiter

Er hat Recht, wie mache ich das?
Die Frage ist berechtigt. Als Stadtrat, Kreisrat, Chef, Model, Leistungssportler und Familienvater (Ok. Das mit Leistungssport stimmt nicht ganz), sind 24 Stunden schon sehr schnell aufgebraucht.

Dann gibt es eben noch die Nacht, aber auch Feiertage, Familienfeste, die nur halbherzig gefeiert werden können, Geburtstage (auch eigene) die auf der Strecke bleiben. Hobbys, die es nicht geben kann, Urlaub (der letzte vor 3 Jahren) und besonders erwähnenswert noch die Freizeit, die man so hat.

Diese lässt sich in genau zwei Streckenabschnitten darlegen:
1. Die Autofahrt zwischen Büro und zu Hause (2km) und
2. Die Autofahrt zwischen Rathaus / Kreishaus und zu Hause (1km – 5km).

Warum erzähle ich das?

Na ganz einfach: „Schreib das, was dir auf dem Herzen liegt“, wurde ich von der Redaktion gebeten. Und mir liegt es auf dem Herzen, der örtlichen Bürgerschaft aufzuzeigen: Wir sind greifbare Menschen, die ihr Leben genauso hart bestreiten müssen wie alle anderen es auch tun. Denn genau wie mich gibt es noch viele andere Menschen, die Familie, Beruf und kommunales Ehrenamt zu vereinen versuchen. Menschen die jeden Tag für die anderen, für die Familie, aber auch für sich selbst kämpfen. Daher, ein Splitter aus meinem Alltag. Ein kleiner Einblick, in meine große Welt.

(Allein der Text bis hierhin hat mich 4 Stunden gekostet, weil mich mein kleiner Sohn schon 6x in die Spielecke gerufen hat.)

Zurück zur Kernfrage:

Wie mache ich das?

(Nebenher frage ich meine Frau, ob ich unseren Tagesablauf öffentlich machen darf.)

Die Frage verwirrt mich. Solche Fragen stellt man doch heutzutage nicht. Heutzutage erwartet man! Man fordert. Leistungsgesellschaft! Man setzt voraus, dass etwas so ist, wie es eben ist. Der Kunde bezahlt dich für deine Leistung. Der Wähler gibt dir seine Stimme, damit du etwas erschaffst. Die Natur setzt voraus. Die Familie braucht dich. Alles Erwartungen und Aufgaben, die erfüllt werden müssen. Du musst da sein, du musst liefern, du musst funktionieren. Die Welt dreht sich von Tag zu Tag schneller und keiner – nicht einmal ich selbst – stelle mir die Frage, wie ich das eigentlich alles mache. Ich mache es einfach, weil ich keine Zeit habe, um darüber nachzudenken.

(Freigabe für den Tagesablauf erteilt)

Morgens um 03:00 klingelt der Wecker. Stiller Kuss auf Babybacke und ab Richtung Küche. Kaffee 1 von 14. Wenn Sitzungen anstehen: Vorlagen lesen. Ansonsten erstmal in Ruhe 160 E-Mails einzeln beantworten
(Pro Tag, ohne Spam). Dann um 06:00 Fahrt Richtung Lager. Mitarbeiter treffen, einweisen, verteilen. Material einladen. Ab 07.30 dann Ankunft im Büro. Parallel klingelt die erste WhatsApp-Gruppe (Von 20). Screenshots von Zeitungsartikel, in denen wir als FDP erwähnt werden – oder eben auch nicht. Telefonate, weitere E-Mails, Tagesgeschäft. Während um halb zehn in Deutschland mancherorts die Leute Knoppers essen, kommt der erste Parteikollege ins Büro und möchte über die letzten Entwicklungen sprechen. Ich mache klar, dass ich während der Arbeitszeit keine politische Revolution anzetteln kann und schicke ihn weg. Kurz vor der Mittagszeit…

(Wenn ich „Mittagszeit“ sage, soll das nur die Uhrzeit verdeutlichen. Ich mache kein Mittag. Niemals!)

…besucht mich meine Frau mit dem Kleinen. Ich spiele 2 Minuten lang „fang mich doch“ im Büro, drei Umarmungen – bevor mich dann wieder der Alltag einholt. Hier kein Material, da Elektroplan vergessen, hier Kabel durchgeschnitten. Angebot zu hoch, zu niedrig, zu spät. Steuerberater hier, Coronaverdacht da. Azubi war mal wieder nicht in der Schule, Lehrer ruft an.

Meine Frau verabschiedet sich wieder. Ich merke es nicht einmal. Die Zeit mit dem Junior reicht nicht.

Wenn Sitzung, dann 13.00 Uhr – Kreishaus. Mitten am Tag. An der Ampel E-Mails lesen. Am Parkplatz beantworten. Rückfahrt zwischen 14.30 und 15.00 Uhr. Gerade noch rechtzeitig, denn um 15.30 kommen alle Monteure rein. Rapporte kontrollieren, Folgetag besprechen, Probleme lösen, für alle da sein. Ein Bürgeranliegen zwischendurch: Kind von KITA abgewiesen, bitte dringend weiterleiten. Erstmal recherchieren, telefonieren, aufklären. Dann um 18.00 Uhr AUT (Ausschuss für Umwelt und Technik) mit anschließender Vorstandssitzung. 23.46 Uhr, du liegst im Bett. Niemand sieht, wie viel du machst.
Du und andere Mandatsträger haben heute wieder für die Bürgerinnen und Bürger gekämpft. Nicht mal einer, der in die Sitzung kommt. Ein „Danke Herr Stadtrat“ erwartest du nicht. Das wärst nicht du. Wäre auch vergebens. Dafür aber Leserbriefe, die dir einen reindrücken. Egal, immer weiter.

Die Frage: „WIE“ ich das alles unter meinen Hut kriege, lässt sich vielleicht mit einem „WIESO“, erklären:

Wir kommunale Mandatsträger, halten die Stadt zusammen. Wir passen auf, hören zu, geben Impulse und investieren Lebenszeit in die Zukunft der Gemeinde. In die Zukunft unserer Gemeinschaft. Wir wollen bewegen, verbessern, Spuren hinterlassen und den Bürgerinnen und Bürgern ein lebenswertes Umfeld ermöglichen. Wir übernehmen große Verantwortung und sind gerne für andere da. Merke auch: Wir sind keine Berufspolitiker. Wir sind auch kein Spielball zwischen Verwaltung, ortsansässigen Firmen, Institutionen und der Bürgerschaft. Wir sind Menschen. Ganz normale Menschen mit Privatleben, Familie und Beruf die Ihre Aufgaben und Verpflichtungen mit großer Hingabe, aber vor allem mit Liebe annehmen.

Ich liebe meine Arbeit, meine Bestimmung, jede einzelne Verpflichtung. Würde also jemand die „Liebe“ als Superkraft bezeichnen, dann wäre dies womöglich mein Geheimnis. Mein Antrieb. Die Antwort.

Danke an meine Familie für die Erlaubnis und Unterstützung meinen gesellschaftlichen Pflichten nachkommen zu dürfen. Danke an den Fragesteller (Daniel Güthler, erster Bürgermeister der Stadt Kornwestheim). Ohne Frage, keine Gedankenexplosion. Danke auch an Ludwigsburg24. Mein Kopf ist wieder frei – zumindest für heute.

 

Klimaschutz im Kreis Ludwigsburg: Was geht, was fehlt? Gastbeitrag von Christoph Erdmenger

Ein Gastbeitrag von Christoph Erdmenger (Bündnis 90/Die Grünen)

Klimaschutz im Kreis Ludwigsburg. Was geht, was fehlt?

Der Landkreis Ludwigsburg ist einer der reichsten Landkreise Deutschlands und hat daher vergleichsweise große Handlungsspielräume. Was hier gemacht wird, kann Vorbild werden. Was nicht gemacht wird, kann man hingegen von anderen Regionen der Welt nicht guten Gewissens verlangen. Wie steht es also um diese Vorbildfunktion beim Klimaschutz?

Wer Klimaschutz ernst nimmt, muss ich zunächst klarmachen, dass es nicht um abstrakte Wohltaten geht, sondern um die Abwehr und Abmilderung einer konkrete Bedrohung. Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen – sie sind in Deutschland bereits Realität, obschon sich das Weltklima bisher nur um gut ein Grad erwärmt hat. Um der jüngeren Generation und ihren Kindern eine lebenswerte Welt zu hinterlassen setzt das Pariser Klimaabkommen den Maßstab: Höchstens um zwei Grad und möglichst nur um 1,5 Grad darf sich das Klima erwärmen. Das heißt: Die Industrieländer müssen spätestens 2040 besser 2030 klimaneutral sein.

Nun ist Klimaschutz im Kreis Ludwigsburg zweifellos ein bei vielen Menschen, Unternehmen und in der Politik anerkanntes Ziel. Es ist auch Teil vieler politischer Entscheidungen. Aber es fehlt noch viel, um ausreichend zu handeln. Was fehlt von Affalterbach bis Vaihingen um ein deutsches oder gar ein globales Vorbild zu sein?

Die richtige Richtung?

Die richtige Richtung ist eingeschlagen. Auch wenn sie kaum jemand kennt: Es sind sogar seit 2015 Klimaschutzkonzepte für Kreis und alle Kommunen vorhanden. Vergleicht man Ludwigsburg mit anderen Baden-Württembergischen Kreisen so findet sich der Kreis meist im Mittelfeld, mitunter in der Spitzengruppe. Meist fehlt aber eins zum Erreichen des Ziels: Eine Vorstellung von der Geschwindigkeit und den Beiträgen anderer. Der Kreis gleicht einem Wanderer nach Amerika, dem nicht bewusst ist, dass er nach Monaten Fußweg lediglich eine Küste erreichen wird, nicht aber sein Ziel. So wie der Wanderer einen Zeitplan und die Hilfe weiterer Verkehrsmittel braucht, so braucht der Kreis durchgerechnete Konzepte, ausreichend Ressourcen finanzieller und personeller Natur und muss die Beiträge anderer Akteure wie z.B. der Wirtschaft, den Energieversorgern und der Bundesregierung klar beim Namen nennen.

Die richtige Geschwindigkeit?

Wie Klimaschutz wirklich geht und wie dabei die richtige Dynamik an den Tag gelegt wird, zeigt der Kreis bei seinen eigenen Gebäuden: Da gibt es das Ziel, sie bis 2035 ohne CO2-Ausstoß zu betreiben und Maßnahmen, um dem Ziel schon heute schnell näher zu kommen. In den meisten Feldern allerdings gibt sich der Kreis mit „ein bisschen Klimaschutz“ zufrieden. Der erste Schritt mag der Schwerste sein, aber Wanderer wissen, dass es auch im Laufe des Tages noch beschwerlich wird. Da die meisten Investitionen und Verhaltensänderungen 10-20 Jahre dauern, muss bereits heute konsequent beginnen, wer 2040 oder besser früher gar keine Kohle, kein Erdöl und kein Erdgas mehr verwenden kann. Daher müssen neue Gebäude heute klimaneutral errichtet und bestehende Gebäude klimaneutral saniert werden. Zudem müssen Erneuerbare Energien in einem Tempo ausgebaut werden, dass 2030 eine Strom- und Wärmeversorgung ohne Kohle- und Gaskraftwerke in Heilbronn und anderswo möglich ist. Wohlgemerkt: Die Technologie ist dazu da und die Kosten liegen unter denen fossiler Kraftwerke.

Wie das andernorts aussieht, kann man z.B. in Oslo besichtigen. Die Stadt möchte bis 2030 klimaneutral sein. Daher ist dort der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen undenkbar. Vielmehr arbeitet die Stadt daran, die noch vorhandenen Anlagen durch stromgetriebene Wärmepumpen und erneuerbare Fernwärme zu ersetzen. Dies erscheint dort sogar als der leichte Teil der Übung. Schwierig sind aus Sicht der Stadt inzwischen die Arbeiten an den restlichen CO2-Quellen, z.B. der Frage, wie das Müllheizkraftwerk CO2-neutral gestaltet werden kann.

Die richtigen Ressourcen?

Bleiben wir beim Bild des Wanderers: Er wird ohne ausreichende Reisekasse, ohne Visum und ohne Sprachkenntnisse selbst mit Hilfe von Anderen nicht nach Amerika zu kommen. Auch beim Klimaschutz sind die richtigen Ressourcen, also ausreichend Geld, geschultes Personal und die richtigen Werkzeuge gefragt. Allzuoft setzt die Politik auf die Freiwilligkeit und „Mitwirkung des Bürgers“. Dadurch allein kommt aber nicht einmal ein Schiff ins Ziel. Vielmehr braucht es die richtige Infrastruktur und ehrliche Preise. Zudem braucht es Regeln – auf einem Schiff z.B. wäre es undenkbar sich so zu verhalten, dass das Schiff nur langsamer vorankommt. Ganz konkret tut der Kreis seinen Bürgern auch einen Bärendienst, wenn die EU- oder Bundespolitik zunehmend ernste Klimaschutzmaßnahmen entfaltet, der Kreis aber nicht vorbereitet ist: Werden fossile Brennstoffe dann teuer oder sogar knapp, stehen veraltete Gebäude, Betriebe und Verkehrssysteme schnell vor einem Problem.

Tatsächlich ist Klimaschutz in Ludwigsburg heute das Tätigkeitsfeld weniger engagierter MitarbeiterInnen, nicht der Chefebene. So gibt es im Kreis kein hochrangiges Gremium, das sich regelmäßig zu den Fortschritten der Hauptakteure berichten lässt und nachsteuert. Auch kein Bürgermeister oder gar der Landrat machen das Thema zur Chefsache. Lustig, aber wirklich war: Im jüngsten Bericht des Landkreises zur Umsetzung des Klimakonzeptes wurde zum Thema „Chefsache“ die Kategorie „in Planung“ angekreuzt.

“4 Gründe gegen Fahrverbote in Ludwigsburg” – Gastbeitrag von Oliver Martin

Ein Gastbeitrag von Oliver Martin

Im Zusammenhang mit wiederkehrenden Grenzwertüberschreitungen in Städten und Klagen vor Gerichten kommen immer wieder Fahrverbote, auch für Ludwigsburg, ins Gespräch.

Warum ich Fahrverbote generell für keine gute Lösung halte?

Fahrverbote sind die vermeintlich einfache Lösung, weil sie weder Kreativität noch besonderes Engagement der Handelnden verlangen.
Aber Fahrverbote haben nur eine geringe Akzeptanz in der Bevölkerung. Fehlendes Verständnis für Maßnahmen führt regelmäßig dazu, sein eigenes Verhalten nicht zu überdenken und schon gar nicht zu verändern.
Denken Sie nur an die Akzeptanz von Verboten die Firmen Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber aussprechen oder Eltern gegenüber Ihren Kindern.
Aufklären, Verständnis gewinnen, die Menschen mitnehmen – das muss der Anspruch guter Erziehung und guter Politik gleichermaßen sein. Damit erreicht man Ziele nachhaltig und gewinnt die Bereitschaft der Menschen umzudenken und mitzumachen.

Ganz konkret sehe ich die folgenden Gegebenheiten, die sich nicht ignorieren lassen:

1. Wir Menschen haben ein Mobilitätsbedürfnis

Auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkauf, oder privat in der Freizeit.
Wir Menschen wollen mobil sein. Dafür wählen wir das für uns passende Mobilitätsangebot aus.
Da jede(r) von uns andere persönliche Voraussetzungen mitbringt und unterschiedliche Anforderungen an die eigene Mobilität hat, gibt es nicht „die eine“ Mobilitätslösung für alle.
Jemand der auf das Auto angewiesen ist oder dieses aus bequemlichkeitsgründen bevorzugt, wird sich für eine Autofahrt entscheiden. Liegt auf der geplanten Fahrtstrecke ein Fahrverbot, wird nicht etwa weniger gefahren oder ein anderes Verkehrsmittel genutzt, sondern eher ein Umweg in Kauf genommen, um das Gebiet des Fahrverbotes zu umfahren. Im Ergebnis verschlechtern wir hierdurch die Ökobilanz der Fahrt und verlagern den Verkehr weg von Durchgangsstraßen hin zu Nebenstrecken oder gar in Wohngebiete.

2. Fahrverbote lassen sich nicht kontrollieren

Es gibt nach wie vor kein schlüssiges Konzept, wie ein ausgesprochenes Fahrverbot auch tatsächlich überwacht werden könnte. Was nutzt also ein Fahrverbot, wenn keine geeignete und verhältnismäßige Kontrollmöglichkeit gegeben ist. Eine lückenlose, womöglich automatisierter Verkehrsüberwachung erachte ich als völlig unangemessen. Datenschutz und Persönlichkeitsrechte wären hierdurch viel zu stark eingeschränkt.

3. Fahrverbote sind unsozial

Nicht die Fahrerinnen und Fahrer neuer, meist großer und teurer Autos sind von Fahrverboten betroffen, sondern gerade diejenigen, die auf günstigere, ältere Fahrzeuge zurückgreifen müssen.
Wollen wir damit eine Zwei-Klassen-Mobilitätsgesellschaft schaffen und den Zusammenhalt in der Gesellschaft insgesamt weiter schwächen? – Ich möchte das nicht!

4. Fahrverbote behindern moderne Verkehrskonzepte

Ist ein Fahrverbot erst einmal wirksam und werden die geforderten Grenzwerte dauerhaft unterschritten, so sinkt der Ansporn, sich konkret mit intelligenten Verkehrskonzepten zu beschäftigen.
Der Ausbau der ÖPNV kommt ins Stocken und Anstrengungen für moderne, zukunftsweisende Verkehrsleitsysteme werden erst gar nicht unternommen.
Schon heute könnten wir durch intelligentere Ampelschaltungen einen deutlich besseren Verkehrsfluss mit entsprechend weniger „Stop and Go“ und weniger Abgasen erreichen. Gleiches gilt für Baustellen an Hauptstraßen die über viele Monate zu Staus und damit zu einer unnötig erhöhten Umweltbelastung führen. Eine deutliche Verkürzung der Baumaßnahmen im Schichtbetrieb birgt hier ein enormes Potential.
Hier müssen wir ansetzen, wenn wir Nachhaltigkeit erreichen und Akzeptanz in der Bevölkerung gewinnen wollen.

Ich setze mich dafür ein, nicht die vermeintlich „einfache Lösung Fahrverbot“ zu wählen, sondern sich umgehend daran zu machen durch ein Bündel von intelligenten Maßnahmen eine kontinuierliche Verbesserung der Verkehrskonzepte zu erreichen. Das ist eine Aufgabe, die nie enden wird, weil sie sich immer wieder aufs Neue an die Menschen und an Ihre sich verändernden Mobilitätsanforderungen anpassen müssen wird.
Wir sollten trotzdem die Energie und den Mut aufbringen, noch heute damit zu starten.

Alt Bewährtes / Neu Gewonnenes – Die Mischung macht´s: Ein Gastbeitrag von Tobias Epple

Der Blick aus der Sicht eines Unternehmers

Was kommt nach Corona? Das ist sicherlich eine, wenn nicht die Frage, die die meisten von uns dieser Tage beschäftigt. Die lang ersehnten Öffnungsschritte scheinen in Reichweite, es gibt wieder Perspektiven für viele Unternehmer und deren Mitarbeiter/innen, alle stehen in den Startlöchern. Mit Mut und Zuversicht sollten wir in die nächsten Wochen und Monate gehen.

Und dennoch behagt viele von uns ein „mulmiges Gefühl“ wenn sie daran denken, was kommt dann? Was passiert mit unserer Wirtschaft? Was passiert mit unserer Gesellschaft und ja gar was passiert mit unseren Kindern? In den letzten 14 Monaten dieser Pandemie hat sich so einiges verändert und vieles von dem werden wir nicht mehr zurückdrehen können – aber, wollen wir überhaupt alles zurückdrehen?

Dieses Land und mit ihm viele Unternehmen und Unternehmer haben einen Digitalisierungsboost erlebt, HomeOffice wurde ein fester Teil unserer Arbeits- und Lebenskultur. Sowohl den Unternehmer/innen wie auch den Mitarbeiter/innen wurde extrem viel abverlangt, im Fokus stand Veränderung und Neuaufstellung! Ich selbst bin meinen Mitarbeiter/innen sehr dankbar für das große Engagement, die große Flexibilität und die Anpassung(en) der letzten Monate.

Heute sehnen wir uns alle nach den Dingen, die wir schmerzlich vermisst haben: Freunde zum Grillen treffen, ein Besuch im Blühenden Barock oder der Wilhelma, Spiele beim VfB Stuttgart und den MHP Riesen in Ludwigsburg. All diese Dinge werden wir (hoffentlich) sehr bald wieder erleben und spüren dürfen.

Angereichert mit den Chancen der vergangenen Monate, angereichert mit neuer Digitalkompetenz in den Unternehmen und bei den Mitarbeitern/innen, angereichert mit der Fähigkeit zu Remote Work und Remote Leadership – wenn wir all dies auf der Strecke verlieren würden, wäre es erneut ein schmerzhafter Verlust, wie den, den wir in den letzten Monaten erlebt haben.

Es wird viele Dinge geben, die wir mitnehmen, die wir nacharbeiten und die uns wichtig sind uns zurückzuholen. Dazu gehört aus meiner ganz persönlichen Sicht z.B. das Händeschütteln, wenn meine Kinder ältere und andere Personen treffen, dazu gehören Umarmungen oder das klassische Networking bei Treffen und unternehmerischen Veranstaltungen. Auf diese klassischen Werte und unser „daran festhalten“ wird es ankommen. Das wird unsere Aufgabe werden, egal ob als Mutter, Vater, als Freund oder Freundin, als Kollege und Kollegin.

Besonders als Unternehmer/in gilt es nun voranzugehen, gemeinsam mit unseren Mitarbeiter/innen Zukunft zu gestalten und einen optimistischen Blick auf diese Welt zu haben. Einen Blick auf ein mögliches Wirtschaftswachstum, einen Nachholeffekt im Konsum, der Gastronomie und dem Handel oder dem Blick der leidgetragenen Künstler/innen und der Kulturszene mit gemeinsamen Aktivitäten und Veranstaltungen Wind unter die Flügel zu geben.

Lassen Sie uns die Möglichkeiten, die uns diese Pandemie unter Schmerz und Verzicht gelehrt hat in unseren Alltag und unser Leben integrieren und weiterhin positiv in diese Welt schauen, denn Zukunft braucht Mut, Courage und Zuversicht.

Ihr Tobias Epple

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