Kreissparkassen-Chef Heinz-Werner Schulte: “Mein Verhältnis zu Geld ist nicht erotisch”

Er ist Chef von fast 1.500 Mitarbeitern und verwaltet Finanzen in zweistelliger Milliardenhöhe. Als Vorstandschef der Kreissparkasse Ludwigsburg ist Dr. Heinz-Werner Schulte ein angesehener Mann im Landkreis, der täglich mit seinem E-Bike von Neckarweihingen zur Arbeit nach Ludwigsburg fährt und in seinem Büro einen über tausend Jahre alten Stammbaum seiner Familie hängen hat. Doch nur die Wenigsten wissen genauer, was für ein Mensch sich hinter der öffentlichen Person verbirgt. Im Gespräch mit Ludwigsburg24 erzählt der dreifache Vater über seine Herkunft, seine Hobbys und was ihn geprägt hat.

Ein Interview von Patricia Leßnerkraus und Ayhan Günes

Herr Dr. Schulte, war Banker schon immer Ihr Traumberuf?
Nein, im Gegenteil, ich wollte ursprünglich Lehrer werden für Geschichte und Biologie. Mir hat das Leben an der Schule schon immer gut gefallen. Doch leider gab es damals einen Lehrer-Überschuss, so dass es nach dem Studium kaum Aussicht auf eine Anstellung gegeben hätte.

Wie kamen Sie dann ausgerechnet auf den Beruf des Bankers?
Meine Eltern rieten mir damals: Junge, lerne etwas Habhaftes! Der Nachbar war bei der Volksbank, da dachten wir, eine Banklehre könnte auch für mich eine gute Grundlage sein. Nach der Ausbildung empfahlen mir meine Eltern ein Studium, um mir weitere berufliche Perspektiven zu eröffnen. Ich habe dann in Köln Betriebswirtschaft studiert und als Diplomkaufmann abgeschlossen. Anschließend war ich dort an der Uni zwei Jahre bis zu meiner Promotion Assistent am Seminar für Wirtschaftsprüfung.

Wie kamen Sie schließlich 2001 nach Ludwigsburg?
Nach meiner Promotion war ich zunächst von 1988 bis 1991 beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband in Bonn tätig. Übrigens eine sehr spannende Zeit, weil sie genau in die Phase der Wiedervereinigung fiel. Dann bin ich zur Sparkasse Pforzheim gewechselt und wurde schließlich 2000 zum Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse Ludwigsburg gewählt. Eine unverhoffte Veränderung vom Badischen in Württembergische.

Welche Eigenschaft braucht man, um ein guter Banker zu werden?
Gewissenhaftigkeit, Verantwortungsgefühl und Kundenorientierung sind drei wichtige Fähigkeiten. Wir arbeiten in einer sehr regulierten Branche. Das Bankwesen ist ein sehr definiertes Geschäft, kein kreativer, sondern ein sehr klarer Raum.
Insofern muss man sich mit Aktenstudium, mit Gesetzen, Satzungen und Regeln auseinandersetzen. Da das Bankgeschäft auch immer ein Risikogeschäft ist, geht es dabei immer um die Frage, welche Risiken kann ich verantworten und mit welchen Risiken gehe ich wie um. Bei den Genossenschaftsbanken und den Sparkassen geht es zudem darum, wie man mit den Kunden in Kontakt kommt, ihnen gerecht wird und ihre Bedürfnisse möglichst über Generationen hinweg erfüllt.

Muss man ein rationaler Mensch sein, um als Banker erfolgreich zu sein?
Rationalität ist kein Muss, aber sie hilft.

Sind sie ein rein rationaler Mensch? 
Ich denke schon, dass ich eine gewisse Vernunft zutage lege, aber ich versuche immer eine Balance hinzubekommen und meinem Bauch und Herz ebenfalls Ausdruck zu geben, auch bei einer Kreditentscheidung. Sie werden bei den Kreditanfragen häufig mit harten Schicksalen konfrontiert.

Wann dominiert in Ihnen der Banker, wann entscheidet der Mensch?
Es ist in der Tat ein verantwortungsvoller Beruf und man muss sich über die Folgen der Entscheidung immer im Klaren sein. Deshalb gilt es erstmal die rationale Seite zu betrachten und eine Vorbereitung zu treffen im Sinne einer regelbasierten Prüfung unter Beachtung aller Entscheidungskriterien. Aber es gilt ebenso, den Menschen kennen zu lernen, dem wir das Geld anvertrauen wollen. Es geht dabei unter anderem um seine Managementfähigkeiten, um seine strategischen Fähigkeiten, um seine nachhaltigen Fähigkeiten. Das gilt gleichermaßen für Geschäfts- wie Privatkreditnehmer.

Kennen Sie selbst das Gefühl eines Kreditnehmers, der sich fast nackig machen muss vor seinem Bankberater, um das gewünschte bzw. benötigte Geld zu bekommen?
Zumindest bilde ich mir ein, dass ich diese Gefühlswelt nachvollziehen kann. Natürlich muss man viele Dinge von sich preisgeben, da es verschiedene Themen sind, die in eine Finanzierungsentscheidung einfließen. Und natürlich sind es
teilweise auch sehr persönliche Themen. Dafür bedarf es einer gewissen Sensibilität eines Bankers, um damit umzugehen. Er muss dem Kunden das Gefühl geben, in diesen Fragestellungen gut aufgehoben zu sein, denn sie haben für den Kunden selbst ebenfalls einen Nutzen. Wenn er in ein Abenteuer hineingeht, das sich als nicht ganz so rational darstellt, dann hilft es weder ihm noch der Sparkasse. Gelegentlich gibt es Kunden, die sich sehr utopische Vorstellungen ihrer Finanzierungssituation und -perspektive machen. Da muss man als Banker das Ganze behutsam wieder auf einen vernünftigen Pfad führen.

Schulen Sie diesbezüglich Ihre Mitarbeiter psychologisch?
Mitarbeiter erhalten viele Trainings, teils mit gespielten Dialogen, durch die man lernt, wie man mit Situationen umgeht und reagiert. Bereits während der Ausbildung ist es heutzutage ein wichtiger Bereich, dass man in der Kundenberatung eine Empathie für die jeweiligen Kundenbeziehungen entwickelt.

Was hat sich im Bankgeschäft verändert, seit Sie vor 20 Jahren hier angefangen haben?
In unserer Gründungssatzung aus dem Jahr 1852 stand, dass die Kreissparkasse Ludwigsburg vor allem für Taglöhner, Witwen und Zielgruppen da sein soll, für die andere Banken nicht offenstehen. Es hat natürlich seither enorme Veränderungen sowohl bei der Kreissparkasse als auch bei der Gesellschaft gegeben. Nehmen wir nur die letzten 20 Jahre mit beispielsweise der Einführung des Euros, als wir die Umtauschaktion für den Staat zu bewerkstelligen hatten, damit es auch haptisch zu einer neuen Währung kam. Solche Schlangen vor den Sparkassen hatte ich lange nicht mehr gesehen. Ein weiteres markantes Datum war am 11.9.2001 das Flugzeugattentat auf die Twin Towers in New York. Das hat ganz viele politische Fragen aufgeworfen sowie unsere Sehnsucht nach Frieden immens beeinträchtigt und damit auch in der Finanzwirtschaft zu vielen Themen und Fragestellungen geführt haben. 2008/2009 hatten wir die Finanzmarktkrise mit vielen Banken, die in große Schwierigkeiten geraten sind. Bei vielen hätten wir das nie gedacht und waren verblüfft, wie tönerne Füße doch auch Banken haben können. Und in den letzten Jahren stellte sich die Thematik, wie wir in der Bankenlandschaft der Digitalisierung, der Regulierung, aber auch der Nachhaltigkeit und der ökologischen Frage Ausdruck geben können. In dieser Weise ist die Sparkassenlandschaft Teil dieser Gesellschaft, die sich mit diesen Fragestellungen beschäftigt.

Bereitet Ihnen die Entwicklung der ganzen amerikanischen Tec-Unternehmen mit den digitalen Zahlungsströmen Sorge und ist Ihre Bank auf eine solche Entwicklung vorbereitet?
Meiner Meinung nach sind wir vorbereitet. Die Kreissparkasse hat schon in den 90er Jahren, als es noch BTX gab und ein erstes Herantasten an digitale und elektronische Lösungen, gesagt, dass es unter unserem Dach ganz viele Wege zu uns als Bank gibt. Die können elektronisch, automatisch oder persönlich sein. Und mit dieser Strategie hat sich die Kreissparkasse ganz positiv weiterentwickelt. Wir sind heute gewohnt, mit über 60 Prozent unserer Kunden digital zu kommunizieren. Sie bekommen von uns ein elektronisches Postfach, ebenso die Möglichkeit mit einem Log-in-Verfahren sichere Bankgeschäfte am heimischen PC oder per App in ihren peripheren Endgeräten zu tätigen. Wir bieten aber zudem mit 98 Geschäftsstellen im Kreis Ludwigsburg unseren Kunden den Kontakt von Mensch zu Mensch oder von Automat zu Mensch. Uns ist es in erster Linie wichtig, das richtige Gespür zu haben, um allen Bedürfnissen unserer Kunden gerecht zu werden und wir haben festgestellt, dass die meisten von ihnen Wert darauflegen, ihre Bankgeschäfte relativ unkompliziert, aber mit maximaler Sicherheit erledigen zu können.

Die amerikanischen Entwicklungen drängen auch auf den deutschen Markt. Merken Sie selbst schon eine Verschiebung der Marktanteile?
Unsere Marktanteile sind zum Glück sehr stabil und wir haben keine Sorge, was ihre Verankerung, ihre Reichweite, ihre Marktanteile und ihre Verbreitung anbelangt. Wir leben in einem Landkreis, dessen Einwohnerzahlen wachsen. Als ich vor 20 Jahren herkam, waren wir noch unter der 500.000-Grenze, inzwischen leben hier über 540.000 Menschen. An diesem Wachstumsprozess nimmt die Kreissparkasse teil. Jedes Jahr haben wir bis zu 3.000 Girokonten mehr im Bestand und haben eine Reichweite zwischen 50 und 60 Prozent. Das heißt, dass wir eine Geschäftsverbindung zu über der Hälfte der Landkreisbewohner halten, angefangen beim kleinen Sparkonto, das ein Kind zur Geburt bekommt, bis hin zur vitalen Geschäftsverbindung als Alleinbank. Natürlich ist die Zahl derjenigen, die auch Finanzgeschäfte anbieten, riesengroß geworden. Aber es geht im Bankgeschäft ja auch um Sicherheit. Und eine Bank, die wie wir seit 1852 in dieser Dimension im Markt ist, kann man entsprechend bewerten.

Wie beurteilen Sie persönlich die Entwicklung der vielen FinTechs?
Sie sind hochinteressant, weil sie immer wieder Nischen ansprechen, bestimmte Themen, Prozesse, die sie besser machen, Produkte, die sie hochinteressant gestalten. Sie picken sich Themen heraus, die wirklich spannend sind. Aber es ist immer die Frage, ob man damit ein sehr langfristiges, tragfähiges Geschäftsmodell kreieren kann. Bei vielen FinTechs habe ich eher den Eindruck, dass es mehr darum geht, eine Kapitalsammelstelle aufzubauen und zu sagen: Ich brauche Investoren und muss eine Story entwickeln, um diese Investoren für das Geschäftsmodell zu interessieren. Und aus dieser Kapitalsammelstelle heraus versucht man sich dann heran zu tasten, vielleicht mal ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Das wäre mir persönlich bei meiner Kreditentscheidung ein bisschen zu wenig, denn ich bräuchte schon eine Zuversicht für eine sich lohnende betriebswirtschaftliche Betrachtung.

Als die Kreissparkasse am 1.1.1852 gegründet wurde, stand in der Satzung folgender Gründungszweck: Annahme von Einlagen zur Ansammlung von Ersparnissen. Wie würden Sie die Tätigkeit Ihrer Bank heute nennen? Dafür reicht doch ein Satz gar nicht mehr aus….
Kunden in ihren finanziellen Sphären gut zu betreuen. Das bringt es auch in einem einzigen Satz auf den Punkt. Wir sind heute eine Bank mit einer Bilanzsumme von knapp 11 Milliarden Euro. Davon sind ungefähr 7,5 Milliarden Kundeneinlagen, also ein großer Bestandteil, der höher liegt als Kundenausleihen. Aber die Ersparnisse sind nur ein Teil einer weiten Welt von Produktgruppen, die heute für Kunden wichtig sind. Neben der Finanzierung ist das der Zahlungsverkehr, das Wertpapiergeschäft, das Versicherungsgeschäft, die Immobilienvermarktung und vieles andere, was Kunden von einer Kreissparkasse erwarten und was auch immer wieder neu definiert und der Zeit angepasst werden muss. Auch das war vor 20 Jahren anders. Nehmen wir nur mal das Immobiliengeschäft: Damals hatten wir dafür zwei Mitarbeiter, heute sind es 25. Die Kreissparkasse kann nur überleben, wenn sie auf die veränderten Marktgegebenheiten reagiert und ihr Gespür perfektioniert für die Bedürfnisse ihrer Kunden.

Sind das also die Kriterien für Erfolg oder Misserfolg einer Bank?
Über den Erfolg entscheidet der Kunde. Den Erfolg einer Bank entscheiden auch die Weichenstellungen, die man hat, um die Geschäfte zu betreiben. Und es bedarf natürlich Mitarbeiter, die dann die Kundenberatung vornehmen, den Kunden auf die richtige Spur bringen, die Erwartungshaltung honorieren oder auch korrigieren.

Haben Sie schon einen abgelehnten Kredit bereuen müssen, weil der Kunde anschließend mit dem Kredit einer anderen Bank geschäftlich richtig durchgestartet ist?
Persönlich kann ich mich an einen solchen Fall nicht erinnern. Aber, dass wir jeden Tag sicherlich falsche Entscheidungen treffen, davon bin ich überzeugt. Und der vor Ihnen Sitzende an erster Stelle. Das gehört dazu. Wenn man die Toleranz nicht hat, dass man sich irren kann, dann wäre man auch nicht an der richtigen Stelle.

Sie haben drei erwachsene Kinder. Wie haben Sie sie in Gelddingen erzogen?
Die Haupterziehung hat meine Frau geleistet, mein Anteil daran war durchaus überschaubar. Das gilt auch für die finanzielle Erziehung. Meine Frau kommt aus der gleichen Branche, wir haben uns während unserer Banklehre kennengelernt. Wir haben den Kindern ein Taschengeld gewährt, mit diesem Betrag mussten sie lernen ihren Bedürfnissen entsprechend umzugehen. Gab es zu Feiertagen Geldzuwendungen aus der Verwandtschaft, haben wir versucht ihnen nahezulegen, dass man das Geld nicht sofort ausgeben muss, sondern ihnen Möglichkeiten aufgezeigt, wie man das Geld gut verwahren kann. Somit habe ich die Hoffnung, dass sie alle das sparsame Haushalten und den transparenten Umgang mit Finanzdienstleistungen gelernt haben. Übrigens sind zwei unserer Kinder vor dem Studium in eine Banklehre gegangen, auch wenn ich nicht glaube, dass sie je in einer Bank arbeiten werden.

Was haben Sie persönlich für eine Beziehung zu Geld?
Mein Verhältnis zu Geld ist positiv, aber nicht erotisch. Ich mag es.

Geben Sie Ihr Geld großzügig aus oder sind Sie eher der Spartyp?
Da ich kaum Gelegenheit habe, mein Geld auszugeben und auch keine großen Bedürfnisse in mir schlummern, bin ich mehr der Spartyp. Aber ich finde die Erfindung des Geldes genial. Mit Geld kann man wunderbar Bedürfnissen gerecht werden und auch eine ganze Menge Sinnvolles anstellen. Das ist für die ganze Gesellschaft etwas Positives.

Wenn Sie sich dann doch mal etwas gönnen, investieren Sie dann in bleibenden Wert wie in Kunst, in ein besonderes Möbelstück oder Schmuck? Oder darf es auch mal etwas Überflüssiges sein?
Ich liebe Richard Wagner und gelegentliche Opernbesuche, für die die Karten nicht ganz günstig sind, aber das war es dann auch leider mit Kunst und Kultur. Ansonsten kann ich noch Geld ausgeben, wenn mich ein Buch wirklich interessiert. Dann bin ich sogar bereit, für ein Buch mal dreißig Euro zu zahlen.

Für einen gutverdienenden Banker sind Ihre Ansprüche sehr bescheiden…
Das beruht auf meiner familiären Prägung. Wir kommen seit zehn Jahrhunderten aus einem kleinen niedersächsischen Dorf in Süd-Oldenburg. Keiner meiner Vorfahren hat sich je durch eine besonders heroische, politische, wissenschaftliche oder kulturelle Leistung hervorgetan. Alle meine Vorfahren waren bis zuletzt Bauern. Vielleicht ist das genetisch bedingt, dass man da eher bodenständig ist. Für manche mag das langweilig wirken, aber mir gefällt diese Bodenständigkeit.

Sind Sie auch im hohen Norden geboren?
Nein, ich selbst bin geboren in Aachen. Mein Vater war dort für den Aufbau und die Entwicklung eines Einzelhandels-Bekleidungsunternehmens zuständig. Als ich vier Jahre alt war, schickte das Unternehmen meinen Vater dann für die gleiche Aufgabe ins Ruhrgebiet nach Essen, wo ich dann bis zum Abitur gelebt habe. Danach bin ich mit meinen Eltern nach Remscheid ins Bergische Land gezogen, wo ich meine Banklehre absolviert habe.

Inwieweit hat Sie das Ruhrgebiet und der Menschlag dort geprägt?
Essen habe ich in sehr angenehmer Erinnerung, wobei das eine sehr heterogene Stadt ist, mit manchen sozialen Brennpunkten und schon damals schwierigen Fragestellungen zur Entwicklung von Krupp oder der Umweltbelastung. Meine Mutter wusste ganz genau, wann sie die Wäsche draußen trocknen lassen konnte und wann besser nicht. Aber ich habe meine Kindheit und Jugend in Essen mit sehr vielen Nachbarn, mit vielen Mitschülern, vielen Geselligkeiten als sehr schön empfunden. Mein Lieblingsfußballverein Rot-Weiß-Essen spielt leider mittlerweile in der Vierten Liga. Auf dem Baldeneysee habe ich gerudert für einen Sportverein. Außerdem war ich Gründungsmitglied eines astronomischen Vereins, dem ich heute noch angehöre. In Essen-Heidhausen hatten wir ein Gartengrundstück von der Stadt bekommen, um erste Erfahrungen mit unseren Fernrohren zu machen und in Essen für Laien, Schulen und einfach nur Interessierte geöffnetes Themengebiet mit Sternenbeobachtung und Astronomie zu entwickeln. Es hat tatsächlich funktioniert, der Verein floriert noch immer, bekommt stetig neue Mitglieder.

Sind Sie Ihrem Hobby treu geblieben?
Ich habe noch immer mein eigenes Fernrohr, aber ich schaue nur sehr unregelmäßig durch. Meist hole ich es bei besonderen Konstellationen und Ereignissen raus, aber es ist lange nicht mehr so häufig wie in meiner Jugend. Ich habe versucht, dieses Hobby meinen drei Kindern ebenfalls nahe zu bringen, leider erfolglos.

In Ihrem Büro stehen eine riesengroße Wasserkugel und ein Aquarium. Brauchen Sie diese belebenden Elemente als Ausgleich zur nüchternen Zahlenwelt?
Mein Vater hatte schon ein Aquarium in seinem Büro und das habe ich als Idee übernommen. Einen leichten Zugang zu lebendiger Natur auch in einem Raum zu haben, finde ich schön. Das Süßwasseraquarium ist für mich ein Stück Heimatgefühl, ein Stück Sparkassen-Zuhause. Wenn ich in mein Büro komme, schaue ich sofort nach, ob es den Skalaren, den Neonfischen und der Prachtschmerle noch gut geht. Die Kugel steht hier, weil Wasser mich schon immer interessiert hat und ich das Leben im Wasser spannend finde. Das ist vielleicht so ein bisschen der Gegenpol zur Astronomie, bei der man mit dem Fernrohr das Weltall beobachtet. Wenn man mit einem Mikroskop das Leben in einem Wassertropfen beobachtet, dann ist das genauso spannend.

Sie haben im Dezember das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen bekommen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Natürlich habe ich mich gefreut, dass einige Menschen mein ehrenamtliches Engagement als preiswürdig angesehen haben. Es war auch eine schöne Veranstaltung und für unseren ausgeschiedenen Landrat Dr. Haas noch eine schöne Gelegenheit, die gute Zusammenarbeit der Vergangenheit zu unterstreichen, die auch ich sehr geschätzt habe. Aber ansonsten mache ich mir weiter keine Gedanken zu einer solchen Ehrung.

Zu welchen Gelegenheiten tragen Sie den Orden?
Den Orden habe ich meiner Frau zur Verwahrung gegeben, tragen werde ich ihn nicht.

Ihre Bank ist ebenfalls sozial sehr engagiert. Macht sich das auch auf dem Immobiliensektor als Bauträger bemerkbar?
Wir bauen lediglich eigene Geschäftsstellen und damit verbundene Investitionen, sind aber ansonsten keine Bauträger, sondern finanzieren sie und vermitteln Immobiliengeschäfte. Unsere eigenen Liegenschaften entstehen aber nur dadurch, dass wir Kundengeschäft betreiben.

Die Immobilienpreise steigen rasant und es ist kein Ende in Sicht. Können Sie dieser Entwicklung auch unter sozialen Aspekten als Bank entgegenwirken?
Die Kreissparkasse kann da viel tun. Das fängt schon damit an, dass wir der in der Satzung festgelegten Sparerziehungsfunktion nachkommen, indem wir schon mit den Kleinsten anfangen, Vermögensbildung zu üben, Konsumverzicht zu leisten, sich etwas vorzunehmen zu ersparen. Wir versuchen in den verschiedensten Formen von Kindesbeinen an mit den Kunden zu diskutieren, was sie tun können, um Träume entwickeln und wahr werden zu lassen. Speziell im Immobiliengeschäft geht es um Überlegungen, wie man Verkäufer und Käufer als Makler zusammenbekommt und über das Immobilienobjekt ein gemeinsames Verständnis entwickelt.

Haben wir gerade eine Immobilienblase?
Blase würde ich es nicht nennen, obwohl wir jetzt schon seit Jahren Immobilienpreissteigerungen habhafter Natur verzeichnen. Wir werden diese Entwicklung beobachten müssen, die ganz stark auch vom Wirtschaftsstandort abhängt. Die Region Stuttgart ist eine sehr wohlhabende Region, daraus resultieren neue Zuzüge und somit Nachfragen nach Immobilieneigentum, nach schönerem, immer wertvollerem Immobilieneigentum. Die Preissteigerungen haben ja nicht nur damit zu tun, dass es Preisentwicklungen gibt, sondern dass auch die inhaltlichen Ansprüche anders werden. Auf der anderen Seite ist das ein Wohlstand, den wir beibehalten und womöglich ausbauen können. Das wird die Herausforderung sein.

Glauben Sie, dass es in naher Zukunft noch Bargeld in haptischer Form geben wird?
Ja, meines Erachtens neigt der Deutsche dazu, immer ein Stück Unabhängigkeit und Freiheit bewahren zu wollen. Bargeld ist ein Stück Unabhängigkeit und Freiheit. Statistisch gesehen nimmt das elektronische Geld leicht zu. Die Verwendung, die Transaktionen, die Bestände von elektronischem Geld, die Freude an der digitalen Bezahlmöglichkeit steigt, aber es ist nicht so, dass das Bargeld in den letzten Jahren entscheidend verloren hat. Zirka die Hälfte der Transaktionen findet immer noch in Bargeld statt.

Wissen Sie, wie viel Bargeld es weltweit gibt?
Nein, das weiß ich nicht. Aber noch spannender ist die Frage, wie viel Geld es überhaupt auf der Welt gibt. Das sind alles sehr erschreckende Werte, weil wir schon ein Auseinanderdriften haben zwischen den vielen Geld schöpfenden Prozessen, die es heute bereits gibt und die auch von den Notenbanken unterstützt werden, und der realen Sphäre, die sich lange nicht so stürmisch entwickelt hat wie die Finanzsphäre. Das sollten wir mit Sorge beobachten, denn am Ende stellt sich die Frage: Was ist das Geld wert?

Wir haben mal von einer weltweiten Bargeldsumme von über 100 Billionen Dollar gehört…
Dazu wird es noch ein zigfaches an elektronischem Geld, an Buchgeld geben. Aber eine genaue Zahl kenne ich nicht.

War das auch einer der Gründe für die Finanzmarktkrise? 
Hier kamen mehrere Gründe zusammen, aber eines war während der Finanzmarktkrise schon deutlich erkennbar: Die Sorgsamkeit des Umgangs mit den finanziellen Mitteln und das Bewusstwerden, wie und wo lege ich das Geld an, hat nicht immer so transparent stattgefunden. Das hatte auch damit zu tun, dass es unglaublich viel Geld gab. Ohne eine genaue Summe zu kennen, weiß ich, dass weitaus mehr in abstrakte Konstruktionen angelegt wurde als in haptische und greifbare. Das entspricht nicht dem Modell einer Kreissparkasse, die Einlagen vom Kunden holt und sie für die Finanzierung von Kunden nimmt. Das ist zwar intellektuell nicht ganz so aufregend, aber eben ein Modell, das seit 1852 gut funktioniert.

Wie stehen Sie zu dem Spruch: Geld verdirbt den Charakter!
An diesen Spruch glaube ich nicht, denn den Charakter kann man durch viele Aktivitäten verderben, es muss nicht unbedingt Geld sein. Geld bedeutet Verantwortung und der Verantwortung gerecht zu werden. Das ist leider nicht allen bewusst, die Geld haben, aber auch nicht allen, die kein Geld haben.

Herr Dr. Schulte, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Der Bahnhof bleibt ein Dauerthema: Ludwigsburg24 im Gespräch mit Axel Müller

Im Mai vergangenen Jahres trat Axel Müller als neuer Bahnhofsmanager bei der Stadt Ludwigsburg an, um das von Ex-Oberbürgermeister Werner Spec vor sieben Jahren ausgerufene Projekt „Wohlfühlbahnhof“ endgültig umzusetzen. Doch was macht ein Bahnhofsmanager überhaupt jeden Tag, wo liegen seine Herausforderungen und was hat er seit seinem Amtsantritt bereits geschafft. Im Gespräch mit Ludwigsburg24 spricht Axel Müller über seinen Arbeitsalltag voller Herausforderungen und seine Chancen auf Erfolg.

Ein Interview von Patricia Leßnerkraus

Herr Müller, Sie haben einen Einjahresvertrag unterschrieben, der Mitte Mai bereits wieder ausläuft. Die wichtigste Frage deshalb zuerst: Gehen Sie als Bahnhofsmanager in die Verlängerung?
Es gibt zwar Signale, dass es mit mir als städtischem Bahnhofsbeauftragten – so ist die offizielle Bezeichnung – weitergehen soll, doch aufgrund der Haushaltslage ist noch nichts entschieden.

Warum wäre es aus Ihrer Sicht gut, wenn es auch weiterhin einen Bahnhofsbeauftragten geben würde?
Solange wir einen Bahnhof haben, haben wir auch ein Aufgabengebiet im Bahnhofsumfeld. Diese Aufgaben sind so mannigfaltig, dass wir nicht von einem Projekt sprechen können, sondern von einer großen Aufgabe, die uns dauerhaft beschäftigen wird.

Was macht denn ein Bahnhofsbeauftragter den ganzen Tag? Wie sehen Ihre Aufgaben und Ihre Tagesabläufe aus?
Man muss wissen, dass der Bahnhof nicht im städtischen Eigentum ist. Mein Job sieht vor, dass ich Mittler der Anrainer und der Nutzer bin. Das Bahnhofsgebäude gehört beispielsweise einem Immobilienfonds. An der Anlage der Deutschen Bahn sind wiederum drei unterschiedliche Partner beteiligt: die DB Netz, die die reinen Schienen und Gleisanlagen betreibt, die DB Service, die die Station betreut, und die DB Vertrieb mit dem Fahrkartenverkauf. Das Westportal hingegen gehört einem weiterem Investor. Neben diesen Eigentümern gibt es weitere Partner, zum Beispiel für die Radstation den ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub Anm. d. Red.) und das Sozialunternehmen Neue Arbeit. All diese Parteien, aber auch die Nutzer der jeweiligen Einrichtungen, haben in irgendeiner Art und Weise Bedürfnisse. Meine Aufgabe sieht somit vor, zwischen den einzelnen Interessen so zu vermitteln, dass für alle Beteiligten aus Problemen gute Lösungen entstehen.

Können Sie mal ein Beispiel nennen?
Nehmen Sie das Konzept „Reinigung aus einer Hand“, das ich von meinem Vorgänger übernommen habe. Früher hatten dies unterschiedliche Unternehmen für die jeweiligen Eigentümer übernommen, nun soll die Zuständigkeit nur noch bei einer Firma liegen. Dazu haben wir uns alle an einen Tisch gesetzt. Alle Interessen wurden konkretisiert und zusammengeführt, so dass wir nun im Frühjahr gemeinsam ausschreiben können.

Das klingt aber alles ziemlich langwierig…
Ja, so ist das, aber nur so kommen wir zu guten Lösungen.

Was würden Sie als wichtigste Eigenschaften bezeichnen, die Sie für Ihren Job mitbringen müssen?
Ich muss alle Beteiligten auf einen gemeinsamen Nenner bringen, ohne einem von ihnen auf die Füße zu treten. Dafür muss ich gut zuhören, verstehen, moderieren, motivieren, muss manche Partner regelrecht für ein Thema begeistern, von dem sie vielleicht der Meinung sind, dass es auf ihrer Prioritätenliste nicht ganz weit oben
steht.

Und für welche Personengruppen am Bahnhof sehen Sie sich außerdem als Mittler?
Natürlich vor allem für die An- und Abreisenden. Aber da der Bahnhof auch Scharnier zwischen der Weststadt und der Innenstadt ist, sind auch Personen, die den Bahnhof durchqueren, eine wichtige Zielgruppe. Dazu kommen die Schülergruppen, die das Areal vom Schulcampus her als erweiterten Aufenthaltsraum sehen oder dort die
eine oder andere Freistunde verbringen. Wir haben Obdachlose, die dort immer wieder Zuflucht suchen, wir haben die Trinkerszene und auch vereinzelt Asylsuchende, die sich am Bahnhof aufhalten. Nicht zu vergessen die Menschen, die am Bahnhof ihre Einkäufe erledigen. Aus dieser bunten Mischung heraus ergeben sich meine Herausforderungen.

Welches der derzeit anstehenden Probleme zeichnet sich als Ihre größte Herausforderung ab?
Das ist schwer zu sagen. Wir wollen beispielsweise ein neues Sicherheitskonzept, für das wir ein einheitliches Videoüberwachungssystem installieren wollen. Da gibt es ganz andere Herausforderungen als wiederum beim Reinigungskonzept.

Wo liegen denn beim Sicherheitskonzept konkret die Herausforderungen?
Nehmen wir nur den Teilbereich Videoüberwachung: Hier gilt es, vom Datenschutz über mögliche neue Standorte bis hin zur Einbeziehung der Bestandkameras verschiedener Eigentümer ein tragbares Konzept herbeizuführen.

Wie gehen Sie mit der Trinkerszene am Bahnhof um?
Wir haben dazu demnächst mit der Wohnungslosenhilfe einen Gesprächstermin, um mögliche Lösungsansätze für die unterschiedlichen Gruppierungen innerhalb dieses Milieus zu besprechen.

Wenn Sie einen guten Ansatz finden, haben Sie dann als Bahnhofsmanager eigene Kompetenzen, um konkrete Entscheidungen zu treffen oder müssen Sie prinzipiell immer alles mit den Partnern absprechen?
Da meine Hauptaufgabe das Vermitteln ist, ist die Abstimmung der Schlüssel zum Erfolg. Bei der Stadt bin ich dem Dezernat Mobilität, Sicherheit, Tiefbau von Bürgermeister Michael Ilk zugeordnet. Wenn es jedoch um Abstimmungen im sozialen Bereich geht, ist Erster Bürgermeister Konrad Seigfried mein Ansprechpartner. Denn eines ist klar: Alle Konzepte sind am Ende des Tages nur so gut, wie sie auch politisch getragen werden. Betrifft eines meiner Konzepte die Belange eines bereits erwähnten privaten Eigentümers, dann hole ich diesen ebenso ins Boot. Das geht aber noch weiter. Beim Thema Busbahnhof beziehungsweise ÖPNV sind etwa noch LVL Jäger, die
unsere Buslinien betreiben, und der städtische Fachbereich Nachhaltige Mobilität einzubeziehen.

Gibt es neben den vielen unterschiedlichen Interessensvertretungen noch weitere Probleme, denen Sie sich stellen müssen?
Typisch für unser Bahnhofsareal ist, dass es löchrig ist wie ein Schweizer Käse, denn es gibt unglaublich viele verschiedene Zugänge. Das ist positiv, weil der Bahnhof dadurch für Fußgänger perfekt erreichbar ist. Es hat allerdings den Nachteil, dass durch das Verwinkelte sich mancher unsicher fühlt. Das ist mit ein Grund dafür, warum der Ruf des Bahnhofs so schlecht ist. Es ist über die Jahre ein negatives Bild entstanden, das sich festgesetzt hat und nur schwer aus den Köpfen der Menschen wieder rauszubekommen ist. Hier gilt es, sich diesem Gefühl des Unbehagens und den realen Problemen, die wir uns mit jedem Bahnhof in Deutschland teilen, ehrlich zu stellen.
Ein weiteres Thema, das wir auf der Agenda haben, ist unser Busbahnhof. Er ist in die Jahre gekommen, hat Schlaglöcher, und erfüllt nicht mehr die heutigen Anforderungen. Ein weiterer Punkt ist unsere zweite Unterführung. Wer versucht, während der Rush Hour gegen den Strom zu laufen, weil er einen Zug erreichen muss, hat kaum eine Chance. Auch hier müssen wir baulich dringend ran. Nun ist aber die Erschließung der Gleisanlagen nicht originär die Aufgabe der Stadt Ludwigsburg, sondern die der Betreiber der Bahnanlagen. Deshalb kann die Stadt hier auch nicht die Kosten tragen.

Macht Ihnen angesichts der vielen Problematiken Ihr Job überhaupt Spaß?
Er macht mir Spaß, weil auf der einen Seite bei allen Partnern ein Verbesserungswunsch nicht nur spürbar ist, sondern er auch ganz klar gezeigt und gelebt wird. Der Kontakt zu den Nutzern des Bahnhofs ist mein Antrieb, denn deren Frust beispielsweise wegen defekter Aufzüge oder sonstiger Ärgernisse formuliert letztendlich meine Aufgaben. Nimmt man sie mit, bindet sie ein, wie zum Beispiel über den wiederbelebten Fahrgastbeirat, kann man auch hier Kräfte bündeln. Der Dialog mit den Bahnhofsnutzern führt langfristig dazu, dass wir den Ort gemeinsam
täglich verbessern.

Hört sich aber unterm Strich alles nach einer Jobgarantie für Sie an…
Wenn Sie so wollen, ja. Der Bahnhof ist ein fortdauerndes Thema und das 365 Tage, 24 Stunden täglich und dafür benötigt man für die unterschiedlichen Beteiligten unbedingt einen Mittler, der alle zusammenführt. Es ist aber ein Job, den man nicht 20 Jahre ausüben kann. Sie müssen als Person zu hundert Prozent motiviert sein und auch eine Leistung bringen wollen. Sobald sich ein Frustpotential spürbar macht, tut es der Sache keinen Gefallen mehr.

Im Frühjahr ziehen Sie mit Ihrem Büro in den Bahnhof. Was versprechen Sie sich davon?
Wir werden Montag bis Donnerstag von 16.00 bis 18.00 Uhr geöffnet haben, so dass auch Pendler die Chance bekommen, mich direkt mit ihren Anliegen anzusprechen. Durch diese Art des Beschwerdemanagements verspreche ich mir nochmals eine ganz andere Zusammenarbeit mit den Bahnhofsnutzern. Außerdem bekomme ich die einzelnen Probleme des Bahnhofsareals hautnah mit, wenn ich persönlich vor Ort bin. Bin ich selbst Teil des Geschehens, kann ich besser agieren. Ich sehe das als Ehrlichkeitsoffensive, die Vertrauen schafft. Gleichzeitig möchte ich die Räumlichkeiten auch den Partnern zur Verfügung stellen, zum Beispiel für Vorstellungsgespräche mit möglichen Zugbegleitern oder für andere Dienstgespräche. So bekommt das Thema Bahn, Bahnhof, Bahnnutzung, ÖPNV eine zentrale Anlaufstelle.

Auf welche Ihrer Leistungen im vergangenen halben Jahr sind Sie besonders stolz?
Es sind zwei Dinge, die sich für Außenstehende vielleicht banal anhören, die aber immens wichtig sind: Das eine ist, das Vertrauensverhältnis der Partner herbeigeführt zu haben und das zweite ist, auf der anderen Seite das Vertrauensverhältnis mit der Bevölkerung, mit den Nutzern, die jeweils mit mir in Kontakt getreten sind, aufgebaut
zu haben. Das ist die Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung der angedachten Konzepte. Das hat natürlich alles etwas Zeit gebraucht, weil ich mich zunächst in die Thematik einarbeiten musste, um zu wissen, was läuft wie und warum. Ich musste verstehen, wo die Zuständigkeit des einen Partners aufhört und die des anderen beginnt. Und erst mit dem hundertprozentigen Verstehen des Areals, der Nutzer und der Anrainer konnte ich Konzepte entwickeln und angehen, deren Umsetzung jetzt im Jahr 2020 beginnt.

Inwieweit kommt dabei der Input der Anrainer und Nutzer bei den Konzepten zum Tragen?
Es muss abgewogen werden, ob es sich um Einzelbedürfnisse handelt oder um welche, bei denen es ganz klar um einen Mehrwert für eine größere Anzahl von Menschen geht. Wenn der Mehrwert erkennbar ist, fließt er bestenfalls 1:1 ins Konzept ein. Wenn die Menschen mit ihrer Idee gehört werden, sind sie bereit, ein Multiplikator zu sein. Übersetzt in die moderne Mediensprache sollte jeder Bahnhofsnutzer am Ende des Tages ein positiver Influencer sein.

Haben Sie während Ihrer Tätigkeit noch Problematiken entdeckt, die Ihnen bei Amtsantritt gar nicht klar waren?
Der Bahnhof der Zukunft ist weit mehr als Bus und Bahn. Wir müssen rund um den Bahnhof mehr für die Radfahrer tun, wir müssen das Thema Carsharing am Bahnhof besser platzieren, wir haben den Umbau des Busbahnhofs. Dafür müssen wir die Bevölkerung mitnehmen, damit sie Lust auf Zukunft bekommen. Diese Dinge waren mir vorher in diesem Umfang nicht bewusst.

Eine letzte Frage: Kann der Bahnhofsmanager eigentlich noch in der Freizeit durch Ludwigsburg laufen, ohne die Bahnhofswut der Bürger abzukriegen?
In meinem letzten Job als Citymanager von Ludwigsburg ist mir das deutlich häufiger passiert. Jetzt ist es doch wesentlich ruhiger geworden. Wenn mich jemand samstags auf dem Markt anspricht und fragt, warum der Fahrstuhl nicht funktioniert, dann sehe ich das nicht als Belästigung. Das ist Teil meiner Arbeit. Und ähnlich wie der Bahnhof, der 365 Tage 24 Stunden täglich für die Öffentlichkeit zugänglich ist, definiere ich meinen Job. Natürlich habe auch ich mal Feierabend und sollte abschalten, das ist keine Frage. Aber wenn ein Bürger ein Bedürfnis hat, dann sollte er es auch loswerden dürfen. Und wenn er es – so ist es zumindest in der Regel – in einer anständigen Art und Weise macht, dann ist das für mich kein Thema, ob er das während der Dienstzeit oder während meiner Freizeit macht.

Was macht Werner Spec? Ludwigsburg24 im Gespräch mit dem Ex-Oberbürgermeister

Die letzten 100 Tage seit Amtsübergabe haben Ex-Oberbürgermeister Werner Spec anscheinend so richtig gut getan. Sichtlich erholt und bestens gelaunt kam er zum Gespräch in die Redaktion von Ludwigsburg 24. „Vor einer Woche bin ich zum fünften Mal Opa geworden“, erzählt der 61-Jährige strahlend, der in Jeans, weißem Hemd und dem hellbeige-karierten Sakko modisch, lässig und regelrecht verjüngt wirkt. „Ich genieße es, dass ich jetzt mehr Zeit für Dinge habe, die ich lange nicht tun konnte. Ich konnte meine älteste Tochter ausgiebig auf der Entbindungsstation besuchen und meinem Schwiegersohn daheim mit den beiden anderen Kindern unterstützen, das ist einfach schön.“ Und fast mag man es ihm glauben.

Ein Interview von Patricia Leßnerkraus und Ayhan Günes

Herr Spec, wollen Sie uns wirklich weismachen, dass Sie, das Arbeitstier, tatsächlich völlig in der Opa-Rolle aufgehen?

Ja, das tue ich tatsächlich und genieße es total, was ich unumwunden zugebe. Gerade erst habe ich persönlich die Nikolausstiefel der älteren vier Enkel gefüllt, nun konzentriere ich mich auf den Einkauf der Weihnachtsgeschenke. Das war die letzten sechzehn Jahre so nicht möglich.

Hat Ihr Ausscheiden aus dem Amt noch weitere Überraschungen für Sie gebracht?

(lacht) Ich habe festgestellt, was man an einem freien Wochenende alles so machen kann. Natürlich habe ich gerne all die Termine des Oberbürgermeisters am Wochenende wahrgenommen, aber es war halt auch immer mit einem unglaublichen Verzicht aufs Private verbunden. Dazu kommt, dass ich mittlerweile auf rund sieben Stunden Schlaf komme und auch öfters mal während des Tages die Chance zum Schwimmen oder Joggen habe und dafür halt entspannt abends noch am Schreibtisch sitze. Oder, dass ich spontan von Freitag bis Sonntagabend in die Berge fahren kann, war früher ebenfalls nicht denkbar. Ich kann mir meine Zeit jetzt einfach selbst einteilen und das ist eine neue Lebensqualität.

Sie waren mit Herzblut OB dieser Stadt. Wie kommt es, dass Sie jetzt trotz der Wahl-Niederlage so gut drauf sind?

Das ist leicht zu erklären. Mir geht es deshalb so gut, weil ich mich trotz des politischen Gegenwinds nicht einfach aus der Verantwortung gestohlen habe, sondern bereit war, mein Amt auch weiterhin auszuüben. Wir hatten in der Vergangenheit einen sehr guten Lauf, aber es gibt dennoch einiges zu tun.

Haben Sie die Wähler als undankbar empfunden?

In so einer Kategorie denke ich einfach nicht. Es war mir in meiner ganzen beruflichen Arbeit immer wichtig, wie man ein Gemeinwesen voranbringen kann und bereit zu sein, dafür die Verantwortung mit all ihren Begleiterscheinungen zu übernehmen. Diese Bereitschaft habe ich gezeigt. Ich hatte mir nach insgesamt 23 Jahren interessanter Arbeit im Wahlamt nicht etwas selbst zu beweisen. Da ich ein positiv denkender Mensch bin, konnte ich nach der verlorenen OB-Wahl nach vielen und erfolgreichen Jahren im politischen Amt nochmal etwas ganz Neues angehen. Dass die Wähler sich anders entschieden haben, macht mich dafür vollkommen frei, denn ich bin – wie schon gesagt – niemand, der sich einfach aus der Verantwortung stiehlt.

Hand auf’s Herz: Haben Sie im Vorfeld schon mit der Niederlage gerechnet?

Eine bestimmte Entwicklung war durchaus spürbar – teils aus ideologischen Gründen, teils aus einer Wechselstimmung heraus, um nach sechzehn Jahren neuen Wind zu spüren. Dennoch habe ich den Wahlkampf nicht halbherzig geführt.

Hegen Sie wirklich keinen Groll? Schließlich haben Sie sich für Ludwigsburg aufgerieben und viel erreicht?

Nein, ich hege überhaupt keinen Groll – weder gegen die Wähler noch gegen diejenigen, die auf politischer Ebene für den Wechsel gearbeitet haben. Ich denke vielmehr in großer Dankbarkeit zurück an sechzehn Jahre Arbeit in der wunderbaren Stadt Ludwigsburg mit tollen Menschen, aber auch an die sieben Jahre in Calw, in denen ich viel bewegen konnte. Mir war vor der Wahl im Laufe des Sommers ja schon klar, dass, sollte ich nicht wiedergewählt werden, ich nochmals eine Chance habe, beruflich ein ganz neues Lebenskapitel aufzuschlagen. Ich wollte eine Arbeit, von der ich total überzeugt bin, denn das steigert die Motivation. Und eine, die sich gut mit meinen privaten Interessen und vor allem mit meiner Familie vereinbaren lässt.

Das neue Kapitel ist nun aufgeschlagen, was machen Sie konkret?

Im August habe ich während meines Resturlaubs alles vorbereitet, mir daheim ein richtiges Büro eingerichtet und arbeite seither selbständig und das mit großer Freude und weniger Gremiendiskussionen, mit Leuten, die Veränderungen, Innovationen gestalten und dafür mit mir zusammenarbeiten wollen. Die Themen meiner neuen Aufgaben wie Klimaschutz, Energie, digitale Chancen sind inhaltlich die ähnlichen geblieben, nicht in der ganzen Bandbreite, dafür sehr fokussiert. Ich bringe da meine ganzen Erfahrungen sowie das, was mich antreibt, ein, um gemeinsam sehr anspruchsvolle Projekte zu gestalten, über die ich momentan noch nicht detailliert sprechen kann. Das macht unglaublich viel Spaß und ist mit einer großen Motivation für mich verbunden, weil ich bei den Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, auf eine sehr wertschätzende Atmosphäre stoße.

Ohne zu viel zu verraten, können Sie trotzdem sagen, was das Ziel Ihrer neuen Tätigkeit ist?

Es geht beim unverzichtbaren Klimaschutz ja darum, den gesamten Gebäudebestand sowie den kompletten Verkehr-Sektor unter Nutzung nachhaltiger Technologien und durch ganzheitliche Lösungen wegzubringen von fossilen Energieträgern.

Was sagen Sie eigentlich zum Luftreinhalteplan?

Meiner Meinung nach werden sich in den nächsten Monaten die schon deutlich gesunkenen Belastungswerte weiter so herabsenken, dass für Ludwigsburg keine Fahrverbote nötig sein werden. Wir haben – wie kaum eine andere deutsche Stadt – sämtliche technologischen Möglichkeiten genützt und jetzt muss es noch gelingen, die eigenen Fahrspuren für Busse wie geplant in die Tat umzusetzen. Weitere Maßnahmen sind sehr erfolgreich in der Umsetzung wie beispielsweise die Digitalisierung der Ampelinfrastruktur. Das heißt, dass beispielsweise intelligente Ampeln verhindern, dass Autos mit laufendem Motor unnötig lange an der roten Ampel stehen müssen, wenn auf anderen Straßenästen einer Kreuzung die Grünphase gar nicht mehr benötigt wird. Solche Verbesserungen, aber auch die wirksamere Ampel-Bevorrechtigung der Busse werden dazu führen, dass mehr Leute auf den ÖPNV umsteigen, dass sich der Verkehr verflüssigt und sich die Immissionen reduzieren. Insoweit gehe ich auch davon aus, dass es – falls notwendig – zu einer Revision kommt und sich dabei herausstellt, dass saubere Luft vollends ohne Fahrverbote erreicht wird.

Was fahren Sie privat für ein Auto?

Privat fahre ich ein noch Dieselfahrzeug, das vom Fahrverbot betroffen wäre. Dienstlich hatte ich viele Jahre ein Hybrid-Auto, einen Audi A3 e-tron, der überwiegend im Stadtverkehr genutzt sehr klimafreundlich fährt. Da ich aber jetzt häufig zu meiner Mutter nach Sigmaringen, also in den ländlichen Raum, oder zu meinen Kindern in den Nordschwarzwald bzw. in die Nähe vom Bodensee fahre, ist mein Diesel besser. Auf solchen Strecken verbrauchen Hybrid-Fahrzeuge mit Benzinantrieb unterm Strich mehr als ein Diesel. Ich hatte auch mal einen elektrisch betriebenen Golf, der hatte aber nur eine Reichweite von ca. 180 Kilometern. Das würde gerade mal für eine Strecke zu meiner Mutter reichen. Da es auf dem Dorf dort keine Elektrotankstellen gibt, müsste ich das Fahrzeug an eine normale Steckdose anschließen. Das Aufladen für die Rückfahrt würde dauern, so dass ich nicht am gleichen Tag zurückfahren könnte. Jetzt warte ich, bis unsere deutschen Hersteller leistungsfähigere Elektrofahrzeuge auf den Markt bringen und werde mir dann eins kaufen. Bis dahin fahre ich meinen Diesel, der im Schnitt zwischen fünf und sechs Litern verbraucht.

Früher hatten Sie ein Büro, einen Mitarbeiterstab, der für Sie die alltäglichen Dinge wie Schriftverkehr Ticketbuchungen etc. erledigt hat. Als One-Man-Office müssen Sie sich nun komplett allein organisieren. Klappt das?

Also, ich habe mir als Erstes einen PC besorgt sowie alle anderen Dinge, die man benötigt für ein funktionierendes Büro. Natürlich ist das neu für mich, aber es ist zugleich auch eine schöne Erfahrung, alles für sich selbst zu organisieren. Zum Beispiel habe ich mich mit der Wiedervorlagenmappe beschäftigt und dabei bewundernd festgestellt, was meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem früheren Sekretariat so alles geleistet haben. Man vertieft sich auch in Funktionen eines Computers, dessen Möglichkeiten man zuvor nie austesten musste. Das alles habe ich mir jetzt größten Teils mit Learning-by-doing erarbeitet, aber mein jüngster Sohn steht mir bei Fragen helfend zur Seite.

Gibt es etwas, was Sie aus der alten Zeit in Ihrem neuen Leben vermissen?

Auf meinem Schreibtisch steht ein Foto meiner ehemaligen Mitarbeiter als schöne Erinnerung an die Zeit als Oberbürgermeister, aber ansonsten vermisse ich tatsächlich nichts. In den letzten Jahren habe ich 80 Stunden die Woche ganz intensiv gearbeitet, bin unter der Woche im Regelfall nie vor 22.00 Uhr heimgekommen und hatte die ganzen Wochenendtermine. Auch wenn es nicht immer ganz einfach war in so einem politischen Amt zu arbeiten, habe ich es gerne gemacht und auch viel dazugelernt. Aber jetzt freue ich mich eher drauf, dass ich ein Leben wie ein normaler Mensch führen kann, indem ich freier agieren, mich mehr auf die Arbeit fokussieren kann, nicht mehr so getrieben bin. Ich halte es mit dem Hermann Hesse Gedicht über die Lebensstufen, aus dem das sehr bekannte Zitat stammt: ‚Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben‘. Aber ebenso steht in dem Gedicht auch: ‚Heiter sollst du Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen‘.

Sie sind auch weiterhin ehrenamtlich engagiert?

Der Deutsche Verband für Städtebau und Wohnungswesen in Berlin hat mich gebeten, meine bisherige Arbeit nicht nur fortzuführen, sondern sogar noch zu intensivieren. Ich leite dort den Arbeitskreis Energie und die Initiative Digitale Städte und Regionen in Deutschland und dort arbeiten wir sehr viel am Best-Praxis-Austausch mit erfolgreichen Städten in ganz Deutschland, zum Teil aber auch mit der europäischen Ebene, mit der Generaldirektion in Brüssel, mit Ministerien. Das heißt, ich bin sehr nah dran an der Entwicklung der gesetzlichen Grundlagen und versuche, die Ministerien zu beraten. Diese ehrenamtliche Arbeit empfinde ich ebenfalls als sehr erfüllend.

Sie sitzen für die Freien Wähler weiterhin im Kreistag und haben trotz eines eigenen Kandidaten Ihrer Partei gerade den neuen Landrat Dietmar Allgaier gewählt…

Die Freien Wähler waren schon immer meine Heimat, weil sie weniger an parteiliche Programmatik gebunden, sondern rein an der Sache orientiert sind und sich deshalb jeweils mit der Frage nach der besten Lösung beschäftigen. Ich freue mich sehr, dass es in der Fraktion gelungen ist, eine große Geschlossenheit in der Unterstützung des eigenen Kandidaten zu zeigen, der eine große Erfahrung mit hätte einbringen können. Als aber klar wurde, dass es am Ende für ihn nicht reichen würde und Gerd Maisch den Weg für die Fraktion frei machte, war es uns wichtig, Herrn Allgaier zu unterstützen, den ich seit vielen Jahren als kompetenten und persönlich ausgesprochen angenehmen Menschen kennengelernt habe.

Was sprach für Dietmar Allgaier?

Für unsere Fraktion war klar, dass der Landkreis die Kommunen bei bestimmten Aufgaben noch stärker als in der Vergangenheit unterstützen soll, wie beispielsweise bei der Ausweisung von neuen Wohnbauflächen. Deshalb war der Wunsch, dass der neue Landrat ein Bürgermeister sein sollte, der entsprechend kommunale Erfahrung sowie eine kommunalfreundliche Haltung mitbringt.

Haben Sie noch Kontakt zu Ihrem Nachfolger Matthias Knecht?

Wir treffen uns gelegentlich und haben ja schon zuvor gut zusammengearbeitet in seiner Funktion zunächst als Vorsitzender des MTVs, dann als Stadtverbandsvorsitzender für Sport. Wir begegnen uns wie vorher, jetzt umso mehr mit gegenseitigem Respekt. Jeder von uns leistet seinen Anteil dafür und so funktioniert das eigentlich sehr gut. Erst neulich haben wir beim Konzert der Brenzband neben einander gesessen und uns ausgetauscht. Wir haben aus meiner Sicht nach wie vor ein gutes Verhältnis.

Wenn er Ihren Rat oder Ihre Einschätzung benötigt, dann bekommt er Ihre Unterstützung?

Das Angebot habe ich Herrn Knecht bei den Übergabe-Gesprächen im August gemacht. Aber es ist in der Regel unwahrscheinlich, dass der Nachfolger beim Vorgänger nachfragt: „Was würden Sie jetzt machen?“ Ich freue mich über jede positive Entwicklung der Stadt und wenn ich irgendwo unterstützen kann, dann tue ich das sehr gerne.

Bringen Sie sich zukünftig bewusst noch an anderer Stelle in der Stadt ein?

In den kommunalpolitischen Fragen halte ich mich selbstverständlich vollkommen zurück. Das ist einfach ein Gebot der Fairness gegenüber meinem Nachfolger. Weiter aufrecht erhalte ich jedoch meine enge Verbindung zur Brenzband, die auf einer gemeinsamen Reise nach Ecuador entstanden ist. Da habe ich in der Vergangenheit öfter mal mitgespielt, weshalb ich mich sehr über die Anfrage gefreut habe, ob ich das auch in Zukunft noch machen würde. Selbstverständlich bleibe ich diesem Engagement weiterhin treu, denn es macht mir Spaß und der Umgang mit Menschen mit Handicap und ihren wunderbaren Betreuern bringt mir persönlich auch sehr viel.

Könnten Sie sich auch ein Amt außerhalb der politischen Ebene vorstellen? Der VfB Stuttgart sucht doch einen neuen Präsidenten…

Das wäre nicht im Ansatz eine Option für mich. Ich habe viel zu wenig Einblick in den professionellen Sport und es wäre auch kein Job, der mich wirklich von innen heraus motivieren würde. Ich schaue mir ab und an mal ein Fußballspiel an, gern auch mal ein Basketball- oder Handballspiel, aber meine Erfahrungen, Kompetenzen und Interessen liegen doch eher in Schlüsselbereichen, die jetzt wichtig sind, zum Beispiel in der Klimakrise. Da fühle ich mich – auch im Interesse meiner Enkel – den nachfolgenden Generationen verpflichtet und motiviert, meinen Beitrag zu leisten.

 

“Einen Plan B oder alternative Überlegungen habe ich nicht”: Heiner Pfrommer im Interview mit Ludwigsburg24

Heiner Pfrommer war der erste Kandidat, der seinen Hut für die Landratswahl in den Ring geworfen hat. Der 39-jährige Volljurist ist ein Eigengewächs des Landratsamtes und arbeitet dort – mit einer Abordnung an das Innenministerium – seit nunmehr zehn Jahren. Zu seinem Job als Dezernent für Arbeit, Jugend und Soziales ist 2018 auch noch die Zuständigkeit für die Stadtbahn gekommen. Nun strebt der in Böblingen geborene und in Mötzingen aufgewachsene als Leitender Regierungsdirektor die nächste Stufe der Karriereleiter an und will seinen Chef Rainer Haas als Landrat beerben.

Ein Interview von Patricia Leßnerkraus und Ayhan Günes

 

Herr Pfrommer, es sind nur noch wenige Tage bis zur Landratswahl. Sind Sie schon ein bisschen aufgeregt?

Aufgeregt bin ich nicht, aber ich bin natürlich schon sehr gespannt auf den Verlauf und den Ausgang der Wahl. Anderseits weiß ich, dass ich gut vorbereitet bin und im Vorfeld alles getan habe, damit ich diese Wahl und das Amt gut bestreiten kann.

Wann haben Sie den Entschluss gefasst, sich auf die Nachfolge von Ihrem Chef zu bewerben?

Im Januar hat Landrat Haas mitgeteilt, dass er nicht erneut antritt. Als ich wusste, dass dieses Amt frei wird, habe ich mir zuerst selbst meine Gedanken dazu gemacht, ob eine Bewerbung für mich in Betracht kommt, danach mit meiner Familie darüber gesprochen. Als die Stellenausschreibung vorlag, habe ich mich mit den Fraktionen in Verbindung gesetzt und mit ihnen ebenfalls das Gespräch gesucht. Im Anschluss daran habe ich mich endgültig zur Kandidatur entschlossen.

Die Gespräche mit den Fraktionen haben Ihnen den letzten Push für die Kandidatur gegeben?

Die Gespräche waren positiv, auch wenn abzusehen war, dass aus einzelnen Fraktionen weitere Bewerber kommen würden. Aber ich bin motiviert dieses Amt anzugehen, zumal ich das Landratsamt, den Kreis und die damit verbundenen Aufgaben und Herausforderungen sehr gut kenne. Ich habe Ideen, die ich mit all meiner Arbeitskraft in den Kreis einbringen und gestalten möchte.

Oftmals haben die Eigengewächse eines Unternehmens oder einer Verwaltung weniger Chancen als jemand, der von außen kommt.

Das wird durchaus unterschiedlich beurteilt. Kommt man von innen, muss man das natürlich reflektieren und sich bewusst machen, dass man in eine neue Rolle kommt. Aber bislang habe ich jede neue Stelle innerhalb des Landratsamtes aus der nächsten Führungsebene heraus gestaltet, weshalb ich diese Situation also schon kenne. Die Position des Landrats mit der gesamten Breite des Amtes, für den ganzen Kreis und die Kooperation mit dem Kreistag und den Städten und Gemeinden ist natürlich deutlich umfangreicher angelegt. Dessen bin ich mir bewusst, denke aber, dass diese Situation mehr Vorteile bietet, weil ich das Amt und die Akteure sowie die Weiterentwicklungsnotwendigkeiten genau kenne und in den inhaltlichen Themen gut drin bin.

Sie sehen das interne Know-how also als Ihr Alleinstellungsmerkmal?

Es ist eines meiner Alleinstellungsmerkmale. Dazu kommt meine Erfahrung auf Landkreisebene zu arbeiten und meine unabhängige Position, um für einen fairen Interessensausgleich zwischen Städten und Gemeinden, aber auch zwischen dem Kreis und den Städten und Gemeinden stehen zu können. Auch mein Alter ist durchaus ein Unterschied zu den Mitbewerbern. Wir sind alle sehr erfahrene und qualifizierte, aber auch unterschiedliche Persönlichkeiten für dieses Amt.

Was macht Ihre Persönlichkeit aus?

Ich bin ein offener, interessierter und verlässlicher Mensch, der gerne Prozesse mitgestaltet und der Verantwortung übernehmen kann und will. Zugleich betrachte ich es als Privileg, wenn man Verantwortung übernehmen darf.

Welchen der Mitbewerber stufen Sie als Ihren schärfsten Konkurrenten ein im Rennen um das Landratsamt?

Alle drei Mitbewerber sind qualifiziert und in sehr verantwortungsvollen Bereichen tätig. Zwei kenne ich schon länger, weil ich auf Landkreisebene schon mit ihnen zusammengearbeitet habe, den dritten Kandidaten habe ich inzwischen ebenfalls persönlich kennengelernt. Bislang habe ich alles als sehr faires, positives Miteinander erlebt, deshalb will ich keine Einschätzung zu einer bestimmten Person treffen. Es ist eine offene, spannende und deswegen auch eine gute Wahl für den Landkreis, aber niemand weiß, wie sie ausgehen wird.

Wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein?

Prozentual kann und möchte ich sie nicht einschätzen. Aber Chancen sind durchaus da.

Sie müssen ins Kalkül ziehen, dass Sie sich möglicherweise mit Ihrem neuen Boss duellieren. Fürchten Sie, dass das Verhältnis dadurch belastet werden könnte?

Darüber habe ich mir bisher überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich konzentriere mich auf die Wahl, denn ich möchte Landrat werden. Allein darauf liegen meine Energie und Konzentration. Einen Plan B oder alternative Überlegungen habe ich nicht.

Sie haben als einziger der Kandidaten kein Parteibuch. Warum nicht?

Zwar bin ich ein politisch interessierter Mensch, doch in der Verwaltung, in der ich seit meinem Studium tätig bin, hat man eine gewisse neutrale Position, die nicht zwingend Parteipolitik abbildet. Ich fühle mich in erster Linie dem Landkreis verbunden, für den ich das Beste erreichen will. Deshalb habe ich mich bislang gegen ein Parteibuch entschieden und ordne mich auch jetzt bei der Wahl bewusst nicht einem Lager zu. Vielmehr versuche ich, mit gut erläuterten Themen und entsprechenden Ideen für die Umsetzung zu überzeugen.

Sehen Sie Ihre Parteilosigkeit eher als Vor- oder als Nachteil bei der Wahl?

Das kann man sehen wie man will. Ich trete als die Person an, die ich bin, mit meiner Persönlichkeit, meinen Themen. Ich will ein gutes, glaubhaftes sowie authentisches Angebot machen und hoffe, es überzeugt am Schluss.

Haben Sie sich bei allen Fraktionen vorgestellt?

Ja, bis auf die AFD habe ich mit allen Fraktionen gesprochen. Als Landrat ist man selbstverständlich für alle demokratisch gewählten Kreisrätinnen und -räte da, das würde auch für mich gelten. Im Bewerbungsverfahren habe ich mich aber bewusst nicht bei der AFD vorgestellt, weil deren Positionen prinzipiell von meinen sehr weit weg sind.

Als Sozialdezernent tragen Sie Verantwortung für rund 700 Mitarbeiter, als Landrat wären es ca. 2000. Das wäre ein großer Sprung für Sie…

Mein Dezernat ist das größte im Landratsamt, in dem gut ein Drittel aller Mitarbeiter der Verwaltung beschäftigt sind. Daneben verantworte ich auch ein großes Budget. Selbstverständlich ist es ein großer Schritt vom Dezernenten zur Landratstätigkeit, aber ich führe ja im Landratsamt bereits seit Ende 2010 Führungstätigkeiten mit einem breiten Themenspektrum und umfangreicher Personalverantwortung aus.

Was macht ein Sozialdezernent überhaupt?

Konkret heißt mein Bereich Dezernat für Arbeit, Jugend und Soziales und es ist eine kommunale Leitungsaufgabe mit der viel Personal- sowie Themenverantwortung einhergeht. Dabei geht es beispielsweise vom Jobcenter über die Jugendhilfe, über die Hilfe für Menschen mit Behinderung, Inklusion, Pflegethemen. Im Prinzip bilden die Themen meines Dezernats auch die Themenbreite eines gesellschaftlichen Lebens in einem Landkreis ab. Wir arbeiten im Dezernat auch mit vielen externen Trägern und Organisationen zusammen, um Hilfen zu planen, zu finanzieren und zu organisieren und so eine möglichst gute soziale Infrastruktur anbieten zu können mit dem Ziel eines guten Zusammenlebens der Menschen, dass die Menschen, die Hilfe benötigen, diese auch bekommen. Ich bin dankbar, dass wir einen Kreistag haben, der den Sozialbereich bislang immer sehr gut unterstützt hat.

Als Volljurist hätten Sie auch in den Anwaltsbereich oder die Wirtschaft gehen können, um richtig gut Geld zu verdienen. Warum haben Sie eine Laufbahn in der Verwaltung vorgezogen?

Mein Interesse am öffentlichen Recht hat sich schon im Studium entwickelt, so dass ich Europarecht und das internationale Recht als Vertiefungsschwerpunkte im Studium gewählt habe. Während des Referendariats hatte ich eine Station in der Stadtverwaltung und dem Staatsministerium, wo ich jeweils tiefer ins öffentliche Recht eintauchen konnte. Dort Prozesse für das Gemeinwesen mitgestalten zu können, hat mich letztlich motiviert, in die Verwaltung zu gehen.

Mit Ihrem Profil hätten Sie sich ebenso als OB in Ludwigsburg bewerben können…

Das stand für mich nie zur Diskussion. Die Arbeit eines Oberbürgermeisters ist mit Sicherheit eine großartige Aufgabe, aber ich habe mich ausschließlich mit der Frage beschäftigt, ob ich Landrat werden will und sie mit einem deutlichen Ja beantwortet. Einzig darauf konzentriere ich mich.

Wie ist Ihre Kandidatur innerhalb des Landratsamtes angekommen?

Bislang habe ich positive Rückmeldungen erhalten, was mich sehr freut.

Unterstützt Ihr Chef Rainer Haas Ihre Kandidatur und ist das für Sie ein Vorteil?

Grundsätzlich ist es nie verkehrt, wenn der Chef mit der geleisteten Arbeit zufrieden ist und die Person dadurch geeignet hält für weitere Ämter. Ich habe im Vorfeld mit ihm über meinen Wunsch zur Kandidatur gesprochen und er hat mich darin bestärkt.

Ist er auch Ihr Vorbild oder unterscheiden Sie sich von ihm?

Vor seiner Person sowie seiner Leistung habe ich großen Respekt. Das heißt aber nicht, dass ich ihn auf irgendeine Art und Weise kopieren möchte, denn ich bin eine eigenständige Persönlichkeit und komme aus einer anderen Generation. Ich habe meine eigenen Themen, gehe meinen ganz eigenen Weg und würde das Amt so ausüben wie es zu meiner Person passt.

Wie dürfen wir uns das vorstellen?

Ich bin ein sach- und ergebnisorientierter Mensch, arbeite stark in den Themen. Gleichzeitig möchte ich mich als Landrat für ein gutes Miteinander mit den Städten und Gemeinden einsetzen und sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben bestmöglich unterstützen. Ich bin daran interessiert, dass sich die Verwaltung bürger- und kundenfreundlich präsentiert, sie sich modern und als guter Arbeitgeber darstellt, wozu für mich auch die Digitalisierung innerhalb des Landratsamts gehört. Außerdem möchte ich mich dafür einsetzen, dass wir ein weltoffener, mit seinen Partnerregionen gut vernetzter Landkreis sind, der sich zugleich seiner Geschichte und Traditionen bewusst ist.

Was macht den Landkreis für Sie so attraktiv?

Der Landkreis ist insgesamt gut aufgestellt mit starken Städten und Gemeinden, mit einer starken Wirtschaftsstruktur. Es gibt eine sehr engagierte Bürgerschaft in unterschiedlichen Bereichen mit einem hohen Anteil an ehrenamtlichem Engagement. Wir haben eine abwechslungsreiche und lebenswerte Landschaft, eine gute Landwirtschaft, ebenso eine gute Gesundheitsversorgung und eine gute soziale Infrastruktur. Das alles macht die Attraktivität für mich aus.

Was wollen Sie da überhaupt noch besser machen?

Es gibt durchaus noch Herausforderungen. Die hochwertige medizinische Versorgung der Kliniken muss weiterentwickelt und für die Zukunft finanziell gesichert werden. Die Verbesserung der Mobilität, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die Digitalisierung, der Ausbau des Breitbands, bezahlbarer Wohnraum, Strukturwandel in der Wirtschaft, Fachkräftebedarf, , Förderung der Integration, Pflege, Abfallwirtschaft, das alles sind wichtige Themen.

Sollten Sie gewinnen, wo wollen Sie nach acht Jahren stehen?

Ich möchte in all den eben genannten Punkten Schritte erreicht haben, die die Situation deutlich verbessert bzw. bestimmte Themen gelöst haben. Wichtig ist mir auch, immer die ganze Breite der Themen im Blick zu behalten und mich nicht nur auf ein Gebiet zu fokussieren. Ich möchte dass wir in acht Jahren ein Landkreis sind, der ökonomisch erfolgreich und ökologisch nachhaltig ist mit einer guten sozialen Infrastruktur..

Können Sie noch konkreter werden bei Ihren Vorstellungen?

Ein aktuelles Projekt ist die Stadtbahn, die ich weiter voranbringen will. In acht Jahren sollen zumindest Teilstrecken wie zwischen Markgröningen und Ludwigsburg reaktiviert und die weiteren in Umsetzung sein. Auch Busbeschleunigungsmaßnahmen sollen realisiert sein. Außerdem möchte ich den Radverkehr weiter fördern – dazu gehört auch ein Schnellradweg – und insgesamt eine Entspannung beim Verkehr erreichen. Für den Campus in Marbach will ich eine gute Lösung gemeinsam mit der Stadt Marbach erreichen. Im Bereich Pflege brauchen wir eine Stärkung der ambulanten Pflege, wir brauchen z. B. Quartierslösungen, damit die pflegenden Angehörigen unterstützt und entlastet werden. Wir müssen die Kurzzeitpflege weiter ausbauen. Die Ausbildung in der Pflege ist ein zentraler Punkt, damit wir genügend qualifizierte Pflegefachkräfte haben. Da möchte ich gerne ein Netzwerk und einen Schulterschluss anbieten. Das Thema bezahlbares Wohnen ist sehr wichtig. Hier haben wir mit dem Bündnis für bezahlbaren Wohnraum eine gute Basis, um das Thema mit den verschiedenen Akteuren weiter voranzubringen.

Sie haben vorhin das Thema Integration angesprochen. Wie viele Flüchtlinge leben derzeit im Kreis?

Seit 2015 sind rund 10.000 Menschen im Landkreis angekommen. Aktuell kommen noch rund 600 neue Asylsuchende jährlich im Landkreis an. Für sie ist wichtig, wie es hier für sie weitergehen kann. Dürfen sie eine Arbeit annehmen, eine Schule besuchen, eine Ausbildung machen<ß Bislang sind Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge seit 2015 ganz gut gelungen, auch dank der vielen ehrenamtlichen Unterstützer. Aber die eigentliche Integration in Arbeit und Gesellschaft wird auch künftig eine große Herausforderung bleiben. Wir benötigen entsprechende Angebote, damit die Menschen in der Gesellschaft ankommen und sich auch wirklich integrieren können.

Zum Schluss noch ein paar persönliche Fragen. Sie wohnen mit Ihrer Familie in Stuttgart Degerloch. Werden Sie bei einem Wahlsieg umziehen?

Das haben wir innerhalb der Familie schon besprochen und alle würden gerne hier in den Kreis ziehen. Meine ältere Tochter ist siebzehn, die kleine Tochter ist acht. Wir würden jedoch einen geeigneten Zeitpunkt für einen Umzug abwarten, damit das auch mit den schulischen Abläufen passt.

Was machen Sie in der Freizeit?

Im Vordergrund stehen meine Frau und die Töchter, mit denen ich gerne Zeit verbringe. Als Hobby betrachte ich Radfahren und Lesen – von Romanen über Geschichtliches sowie Zeitgeschichtliches bis hin zu Sachbüchern.

Haben Sie einen Lieblingsautor?

Als Jugendlicher habe ich gerne Hermann Hesse gelesen, heute bin ich nicht mehr so festgelegt.

Mit welcher Persönlichkeit würden Sie gerne mal ausgiebig zu Mittag essen und sich gedanklich austauschen?

Würde er noch leben, würde ich mich für Nelson Mandela entscheiden. Mich hat sehr beeindruckt, dass und wie er es nach 27 Jahren Gefängnis zurück in der Freiheit geschafft hat, nicht ein Wort der Bitternis zu haben, sondern dass er ausschließlich für Versöhnung stand und Südafrika zusammengeführt hat.

Wofür geben Sie Ihr Geld aus, um sich etwas zu gönnen?

Gelegentlich gehen meine Frau und ich essen. Ansonsten reisen wir gerne. Die letzten Reisen haben wir nach Frankreich oder nach Afrika, konkret nach Eritrea und Kenia, unternommen. Meine Frau ist gebürtige Eritreerin.

Lachen Sie gerne und oft?

Über lustige Geschichten oder einen guten Witz kann ich herzhaft lachen. Ich mag auch Situationskomik oder humorvolle Bücher. Den Kabarettist Rolf Miller finde ich ganz gut und die heute-show schaue ich auch ganz gerne. Es gibt immer wieder einen Grund zu lachen und am liebsten tue ich das zusammen mit anderen Menschen.

Was bevorzugen Sie, Musical oder Oper?

Ich würde doch eher die Oper vorziehen. Aber es gibt auch einzelne Musicals, die ich mir anschauen würde, beispielsweise ‚König der Löwen‘ wollen wir mit der Familie einmal anschauen.

Sie wohnen noch in Degerloch, das ist Kickers Land. Sind Sie Kickers-Fan oder Fan der Roten?

Ich bin schon mehr ein Fan der Roten, gelegentlich sehe ich mir auch mal ein Spiel im Stadion an. Als Kind und Jugendlicher habe ich selbst Fußball gespielt, aber mit Beginn des Zivildienstes habe ich damit aufgehört. Mein Lieblingsspieler war früher Zinédine Zidane.

Haben Sie, abgesehen vom Wahlsieg kommenden Freitag, einen Wunsch, den Sie sich gerne noch erfüllen möchten?

Auf meiner Wunschliste stehen noch verschiedene Länder, die ich am liebsten mit meiner ganzen Familie oder mit meiner Frau bereisen möchte. Eines dieser Länder ist Äthiopien, da möchte ich auf jeden Fall einmal hin. Es ist ein unheimlich vielfältiges und schönes Land, das mich ausgesprochen reizt.

“Es gibt ein ganz starkes Verlangen, dass endlich etwas passiert”: Ludwigsburg24 im Interview mit Christoph Erdmenger

Er ist der „Reingeschmeckte“ und ministeriale Seiteneinsteiger unter den Landrats-Kandidaten. Doch Christoph Erdmenger ist auch der Kandidat, der seine Berufserfahrung vor allem außerhalb des Ludwigsburger Landkreises gesammelt hat. 2013 kam er als Abteilungsleiter für „Nachhaltige Mobilität“ nach Stuttgart ins Verkehrsministerium. Dort ist Erdmenger u.a. für Klimaschutz im Verkehr, Elektromobilität, Luftreinhaltung, Lärmschutz, Naturschutz und Radverkehr zuständig. Als möglicher neuer Landrat will er künftig den Landkreis Ludwigsburg für die Zukunft fit machen. Im Gespräch mit Ludwigsburg24 erzählt der Regierungsangestellte über seine Pläne, wann ihm die Tränen fließen und dass er erst vor wenigen Wochen mit seiner Frau und den beiden Kindern (7 und 10) ins Eigenheim nach Ludwigsburg-Oßweil gezogen ist.

Ein Interview von Patricia Leßnerkraus und Ayhan Günes

 

Herr Erdmenger, wie sind Sie denn zu uns in die Redaktion gekommen – mit dem Fahrrad oder dem Auto? 

Heute bin ich mit dem Fahrrad zu Ihnen gefahren. Das ist oft das einzige bisschen Sport am Tag, das ich bekomme.

 

Wie viele Kilometer fahren Sie in der Woche?

Nicht unbedingt so wahnsinnig viele Kilometer, schätzungsweise um die 50. Wenn ich nicht mit dem Rad fahre, dann nutze ich die öffentlichen Verkehrsmittel.

 

Haben Sie überhaupt ein Auto?

(lacht) Ich habe nicht nur ein Auto, sondern fünfhundert, weil ich nämlich Mitglied im Car-Sharing bin. Stadtmobil ist ja sehr gut über die ganze Region verstreut. Zum Beispiel für den Urlaub nutze ich das Car-Sharing um von A nach B zu kommen. Oder wir reisen mit dem Zug an und mieten vor Ort ein Auto. Ich bin kein begeisterter Autofahrer, aber auch kein Gegner.

 

Sie sind 1990 bei den Grünen eingetreten, warum?

Damals war es aus der Klimaschutzmotivation heraus, da es mich als jungen Mann unheimlich aufgeregt hat, dass die Bedrohung, die durch den Klimawandel insbesondere für die südlichen Länder auf uns zukommen wird, so ignoriert wird. Mich hat dabei weniger die Liebe zur Natur getrieben, die ich selbstverständlich auch in mir trage, sondern viel mehr der Gerechtigkeitsgedanke. Mich hat bewegt, dass wir in den reichen Ländern zumindest damals noch einen Lebenswandel führten, der deutlich zu Lasten der armen Länder geht.

 

Hatten Sie zu der Zeit ein politisches Vorbild bei den Grünen?

Es war die große Zeit von Joschka Fischer, der auch mich sehr beeindruckt hat. Aber es gab zudem noch den Bundesvorsitzenden Ludger Vollmer, den ich in seinen Analysen und mit seinen Herangehensweisen sehr überzeugend fand.

 

Wer sind heute die starken Grünen in Ihren Augen?

Annalena Baerbock und Robert Habeck, die beiden Bundesvorsitzenden, haben es geschafft, die grüne Politik aus einer Meckerecke herauszuholen, ohne sie zu verwässern. Sie schenken den Menschen reinen Wein ein, das macht sie sehr erfolgreich. Es gehört im politischen Leben einfach dazu, dass man den Menschen Angebote macht, denn dann fühlen diese sich auch mitgenommen. Das gelingt den beiden sehr gut.

 

Geboren in Braunschweig, studiert und gewohnt im Badischen, lange gearbeitet in Sachsen-Anhalt und seit 2013 in Stuttgart. Fühlen Sie sich wohl im Schwabenländle?

Ja, deshalb haben wir ja auch hier ein Haus gekauft. Ich mag die offene und freundliche Art der Schwaben und mir gefällt auch, dass hier viele Menschen aus sehr unterschiedlichen Kulturen leben und es auch ansonsten eine starke kulturelle Vielfalt gibt. Das habe ich in meinem vorherigen Wohnort Dessau in dieser Form nicht erlebt.

 

Sie sind erst vor wenigen Wochen nach Ludwigsburg-Oßweil gezogen. Wie hoch auf einer Scala von eins bis zehn bewerten Sie aktuell den kompletten Landkreis?

Spontan geantwortet liegt er für mich bei acht. Ludwigsburg ist eine wirklich schöne Stadt und davon gibt es noch weitere wie Marbach, Bietigheim-Bissingen, Besigheim, um nur einige aufzuzählen. Dann haben wir den nördlichen Landkreis, den Naturpark Stromberg, wunderschöne Landschaften rund um den Neckar mit Weinbaugebieten, das ist alles herrlich. Ich persönlich bin vielleicht durch mein Aufwachsen in Braunschweig so geprägt, dass ich die mittlere Stadtgröße den großen Städten vorziehe. Jedenfalls ist es hier so schön, dass wir uns vor Freiburg und Umgebung nicht verstecken müssen.

 

Haben Sie bereits Ihren Lieblingsfleck im Landkreis gefunden, an dem Sie auftanken und durchatmen?

Einer der schönen Flecken sind für mich die Zugwiesen, aber um sie abschließend schon zu meinem Lieblingsflecken zu küren, dafür wohne ich noch nicht lange genug hier. Es gibt für mich noch viel zu erkunden.

 

Sie sprachen vorhin Dessau an. Sie saßen zuletzt für die Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt. Warum haben Sie Ihre Politikerkarriere zugunsten eines Abteilungsleiter-Jobs in Stuttgart aufgegeben?

Das ist leicht erklärt. In Sachsen-Anhalt war ich Oppositionspolitiker. Zwar hatte ich sehr viel mediale Aufmerksamkeit, aber nur wenige Einzelfälle, wo ich tatsächlich auch mal etwas um- oder durchsetzen konnte. Das ist in der Opposition nun mal so. Es ist natürlich viel attraktiver zu gestalten, nicht nur zu mahnen und zu meckern, sondern die Ärmel hochzukrempeln und Vorhaben zu realisieren.

 

Jetzt sind Sie also glücklich mit dem Wechsel und dem Job als Abteilungsleiter „Nachhaltige Mobilität“ im Verkehrsministerium?

Absolut, das war eine ganz hervorragende Wahl. Das liegt natürlich auch daran, dass ich für einen sehr guten Minister arbeite, der auch selbst etwas bewegen möchte und durch die Schaffung dieser bundesweit einmaligen Abteilung dafür Freiraum ermöglicht hat. Wir müssen uns derzeit allerdings die Frage stellen, ob wir es tatsächlich schaffen, all das umsetzen, was wir uns vorgenommen haben. Wir kommen mit der Arbeit kaum hinterher.

 

Warum wollen Sie dann unbedingt Ihren tollen Posten zugunsten des Landratsamtes räumen?

Ich möchte den Posten als Landrat haben, weil es eine Chance ist, als Grüner, als jemand, der in die Zukunft schaut, auch auf der Landkreisebene mitzugestalten. Meine Stärke ist, – und darin unterscheide ich mich meiner Ansicht nach von den anderen Kandidaten –, dass ich einen klaren Blick darauf habe, wo wir 2030 im Landkreis stehen wollen, statt wie andere zu sagen: „Uns geht es heute gut und so wollen wir gerade weitermachen.“ Die Zukunft Baden-Württembergs entscheidet sich viel mehr im ländlichen Raum als in den Großstädten und deshalb kommt es hier darauf an, mit vorzeigbaren Aktivitäten nach vorne zu kommen. Dazu kommt als weiteres Argument, dass ein Landrat eine Vielzahl von weiteren Aufgaben und Verantwortung hat im Vergleich zu meinem jetzigen Job.

 

Wie grün würde denn ein Landkreis Ludwigsburg mit einem Landrat Erdmenger?

Der Landkreis ist ja heute dank seiner wunderschönen grünen Natur schon sehr grün und ist an vielen Punkten auch aus einer grünen Perspektive gut aufgestellt im Vergleich zu anderen Landkreisen. Aber ich möchte an viel mehr Punkten auch international bekannter werden und Vorbild sein. Egal, ob im Klimaschutz, beim Verkehr oder im Wohnbereich, wir kommen ja nicht schnell genug voran. Deswegen können wir nicht damit zufrieden sein, so weiterzumachen wie bisher. Meine Gespräche hier haben mir gezeigt, dass es ganz viele Menschen in führenden Positionen in Unternehmen, in der Verwaltung gibt, die Lust darauf haben, mit noch mehr Tempo und mit neuen Vorhaben voranzukommen. Und auch die Bevölkerung ist in vielen Bereichen viel weiter als die Politik denkt. Sie spürt die Probleme auf dem Wohnungsmarkt, sie steht täglich im Stau und weiß, dass es durch den Klimawandel jetzt zwei trockene Sommer hintereinander gab. Es gibt ein ganz starkes Verlangen, dass endlich etwas passiert.

 

Die Bevölkerung beim Wandel mitzunehmen, wird also ein Kinderspiel?

Das habe ich so nicht gesagt. Natürlich muss man Transparenz wahren, in einem vernünftigen Ton mit den Menschen reden, sie einladen, eigene Vorschläge einzubringen sowie die einzelnen Vorhaben ganz genau erklären. Dafür gibt es aber moderne Instrumente.

 

An welche denken Sie da?

Ein Beispiel bei komplexen Planungen: Indem man sie über einen längeren Zeitraum von einer neutralen Gruppe aus der Bevölkerung begleiten lässt, die sich die Planungen anschauen, die Rückfragen stellen können, die konkrete Informationen bekommen und ein Votum abgeben können. Das ist eine aktive Bürgerbeteiligung von A bis Z, die Vertrauen schafft und die zur Folge hat, dass nicht nur die direkt beteiligten Bürgerinnen und Bürger sich mitgenommen und eingebunden fühlen.

 

Wo würden Sie denn konkret ansetzen, um den Landkreis voranzubringen?

Fangen wir bei meinem Fachgebiet Verkehr an. Derzeit gibt es zwei große Projektbausteine: eine Stadtbahn zu bauen gemeinsam mit der Stadt Ludwigsburg und Radschnellwege umzusetzen. Dafür bringe ich die richtigen Fähigkeiten mit, um das auch schnell hinzukriegen, weil ich die Landes- und Bundesebene kenne, die man für die schnelle Umsetzung benötigt. Und weil ich in meiner Biografie gezeigt habe, dass ich in der Lage bin, aus einer Verwaltung das herauszuholen, was in ihr steckt. Außerdem bin ich fähig, die Stolpersteine, die jedes Projekt zwangsläufig hat, mit wegräumen zu helfen.

Klar ist aber auch, dass wir eine Verdoppelung des öffentlichen Nahverkehrs nicht allein mit diesen beiden Vorhaben schaffen. Wir werden uns parallel dazu den Ausbau anderer Schienenprojekte ebenso anschauen sowie den Busverkehr ausbauen müssen. Da müsste auch ein Erdmenger mit der Autorität des Landrats an den Kreistag herangehen und sagen: Folgende Planungen habe ich ausarbeiten lassen, die konkret und belastbar sind, und jetzt werbe ich bei Ihnen dafür, dass wir die Finanzen auch dafür aufbringen. Dafür braucht es ein bisschen politischen Mut und politische Überzeugungskraft. Ich glaube, beides bringe ich mit.

 

Das heißt, Sie würden sich die gefassten Beschlüsse nochmals ansehen und überdenken oder bleibt alles beim Alten?

Wir fahren fort und beschleunigen die Umsetzung der getroffenen Beschlüsse. Seien sie sicher, dass wir an vielen Punkten auf Alltags- und Umsetzungsprobleme stoßen, wo man sagen muss, so funktioniert es nicht, deswegen haben wir folgende Alternative ausgearbeitet. Aber Grundsätzliches nochmals zu diskutieren, dafür reicht die Zeit nicht. Wenn der Kreistag oder einzelne Kommunen mit besseren Vorschlägen kommen, werden die natürlich aufgenommen und geprüft. Aber der Landrat ist an dieser Stelle Diener der Beschlüsse.

 

Weitere Sorgenkinder sind derzeit der Wohnungsbau, die ganze Verkehrsproblematik mit Feinstaubalarm und Fahrverboten, die Finanzierung der Kliniken, Abfall. Was gedenken Sie hier zu tun?

Wohnen ist deswegen für den Landrat kein leichtes Feld, weil der Landkreis da nicht die unmittelbaren Kompetenzen hat. Zu einem runden Tisch für ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum einzuladen, halte ich für richtig. Meinem Eindruck nach wird dort aber zu unverbindlich miteinander geredet und Ideen gesammelt. Wir brauchen einen Abgleich darüber, wie viel Veränderung und Aktivitäten brauchen wir auf welchem Feld. D.h., wie viel Neubau an Wohnungen brauchen wir, wie viele Wohnungen wollen wir durch Verdichtungen schaffen, wie viele Sozialwohnungen wollen wir auf anderem Wege haben. Um dann zu fragen, ob das bisher geplante ausreicht. Und da hat, meines Erachtens nach, der Landrat eine ganz wesentliche Rolle. Zeigt die ehrliche Bilanz, dass alles nicht reicht oder zu schaffen ist und dass man eigentlich nur an der Oberfläche rumdoktert, dann muss man doch darüber reden, ob es eine Wohnbaugesellschaft des Landkreises benötigt. Besser wäre, wir brauchen das nicht, weil neue Strukturen immer Zeitverlust bedeuten.

Warum?

Es ist unbestritten, dass wir viel zu wenige Sozialwohnungen haben. Wenn wir nur über den Neubau versuchen, dieses Problem zu lösen, wird es sehr lange dauern, bis wir einen Anteil von vielleicht fünf Prozent an den Mietwohnungen erreichen. Aber dieser Anteil ist nicht nur für die Menschen, die eine Wohnung kriegen entscheidend, sondern dieser Anteil an günstigen Wohnungen führt auch dazu, dass das Mietniveau insgesamt nicht in den Himmel schießt, sondern gedämpft wird. Deswegen ist das für den gesamten Wohnungsmarkt eine entscheidende Stellschraube. Wenn wir also miteinander ausrechnen, dass wir nicht ausreichend näherkommen, dann müssen wir uns die Frage stellen, wer zusätzliche Wohnungen am Markt kauft, die wir dann in solche mit vergünstigten Mieten umwandeln können. Dafür gibt es vom Land sogar Förderung, so dass wir richtig was tun können. Aber dann müssen wir auch rechtzeitig loslegen, damit sich wirklich innerhalb der nächsten Jahre was tut auf dem Wohnungsmarkt.

 

Haben Sie auf Landesebene ein so gutes Netzwerk, um leichter an bestimmte Fördertöpfe heranzukommen?

Ja und nein. Ich kenne die Landespolitik sehr gut. Und zwar so gut, um zu wissen, dass man nicht durch persönliche Freundschaften an bestimmte Töpfe kommt. Es geht vielmehr darum auf Zack zu sein, damit man weiß, wie man diese Töpfe nutzt. Also, wie stelle ich die Anträge rechtzeitig, wie sorge ich in der Verwaltung dafür, dass ich weiß, da gibt es Möglichkeiten und wie bereite ich mich darauf vor, dass ich die Voraussetzungen für die Fördergelder sofort erfülle und diese schnell erhalte. Es geht nicht um gute Netzwerke für Mauscheleien, sondern um das entsprechende Knowhow für die professionelle Antragsstellung. Ich kann sagen, dass ich sowohl Bundes- als auch Landesverwaltung verstehe und habe in meinen bisherigen Funktionen auch schon viel mit Kommunalverwaltungen zusammengearbeitet. Damit habe ich tatsächlich das Alleinstellungsmerkmal, für den Landkreis schnelle Verfahren herauszuholen.

 

Welche Chancen rechnen Sie sich im Wettbewerb mit den anderen Kandidaten aus?

Ich habe dann eine Chance, wenn es genug Kreisräte gibt, die sagen, ich lasse jetzt mal meine Fraktionszugehörigkeit und alle bisherigen Prägungen beiseite. Und die sagen, die Chance für eine schnellere Zukunftsgestaltung des Landkreises ist so attraktiv, dass ich den Erdmenger wähle. Die Frage ist, wie viele Kreisräte das machen, was ihnen nicht leichtfallen wird, weil sie meine Mitbewerber besser kennen als mich. Ich kann nur werben und sagen: „Ich bin das neue Pferd im Stall, mit mir kommt man schneller ans Ziel.“ Mein Vorteil ist vielleicht auch, dass ich mit keiner der Kommunen so eng verbandelt bin, dass ich nur bestimmte Projekte im Auge haben könnte, die ich voranbringen will. Andererseits sind meine Mitbewerber nicht nur ehrenwerte Kandidaten, sondern alles Persönlichkeiten, die natürlich auch Einiges mitbringen. Deswegen liegt es mir fern zu sagen, nur ich kann den Job. Aber ich habe ein bestimmtes Profil, für das ich werbe. Es kommt eben nicht nur auf das Hier und Jetzt an, sondern darum, den Landkreis so fit zu machen, dass es uns 2030 genauso gut geht wie 2019.

 

Welches Feedback haben Sie bislang auf Ihre Vorstellungsrunden in den Fraktionen bekommen?

Durchweg bin ich sehr freundlich von allen Fraktionen empfangen worden. Einzig die AFD habe ich nicht besucht und werde es auch bis zur Wahl nicht tun. Ich finde es nicht richtig, bei dieser Wahl auf die Stimmen der AFD zu setzen, denn es kommt für mich nicht infrage, mit einer fremdenfeindlichen Partei zusammenzuarbeiten, auch wenn ich Sie als Landrat dennoch respektvoll behandeln und ihre demokratische Legitimation beachten würde. Aber ich lasse mich nicht aktiv mit ihren Stimmen wählen. Die anderen Fraktionen sind offen auf mich zugegangen und haben sich meine Vorstellungen und Ideen angehört, haben mir Fragen gestellt. Das ist alles fair abgelaufen.

 

Haben Sie das Gefühl oder die Angst, dass es bei der Wahl vielleicht weniger ums Gestalten geht als vielmehr darum, einen Grünen als Landrat zu verhindern?

Natürlich hat jeder Kreisrat seine eigene Motivation. Mir geht es aber darum zu werben, sich die Person und das politische Gesamtpaket anzuschauen und dann zu entscheiden, was das Beste aus der Sicht des jeweiligen Kreisrats für den Landkreis ist. Ich kann nur versuchen zu überzeugen, dass ich seriöse Arbeit leiste und etwas umsetzen will und niemand mit meiner Wahl ein Risiko eingehen wird. Es geht nicht um einen grünen Landrat, sondern um die Frage, wollen wir Erdmenger, der etwas umsetzen will oder wollen wir einen anderen Kandidaten.

 

OB Fritz Kuhn will bis 2030 Stuttgarts Innenstadt autofrei haben. Können Sie sich das für den Landkreis ebenfalls vorstellen?

Nein, ein autofreier Landkreis ist nicht denkbar. OB Kuhn hat von der Stuttgarter Innenstadt gesprochen, was ein relativ kleines Gebiet und eine spezielle Situation betrifft. Wir müssen uns daran orientieren, was der Klimaschutz beim Verkehr uns aufgibt. Das bedeutet, ein Drittel weniger Autoverkehr in den Städten bis 2030. Und das passiert nur, wenn wir attraktive Alternativen bieten und gleichzeitig bestimmte Privilegien des Autoverkehrs bei der Flächenbelegung in den Städten Stück für Stück zurücknehmen. Der Landrat hat zu den Flächengestaltungen der Kommunen wenig zu sagen, weshalb ich nicht die Backen aufblasen und ankündigen würde, wir verändern die Städte. Das ist Sache der Kommunen. Der Landrat hat vielmehr die Aufgabe für einen attraktiven ÖPNV zu sorgen.

 

Sie arbeiten derzeit im Ministerium, ein möglicher Wechsel bringt eine Veränderung der Verantwortung mit sich. Wo sehen Sie die größten Unterschiede?

Die Verantwortung eines Landrats ist größer und für mich wäre das ein nächster Schritt, selbst mehr Verantwortung zu übernehmen. Ich hätte auch großen Respekt vor dieser Aufgabe. Bei einer Führungsaufgabe eines Landesministeriums lenken Sie allerdings auch nicht nur den Teil der Verwaltung, der mit Ihnen auf einem Flur sitzt, sondern Sie lenken große Teile der Landesverwaltung. Dazu gehören Teile der Straßenbauverwaltung, wir haben landeseigene Unternehmen, an denen jede Menge Mitarbeiter hängen. Vom Grundansatz her ändert sich an der Anforderung für die Führungsaufgabe nichts. Sie lautet: Behalte den Überblick, weiß, wo Du hinwillst, beschränke Dich auf die Sachen, wo die Verwaltung Dich braucht und überlass alles andere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese täglichen Herausforderungen sind bei 2.000 Mitarbeitern natürlich höher, aber nicht grundlegend anders.

 

Welcher Führungstyp sind Sie?

Ich bin ein ergebnisorientierter Cheftyp. Das heißt, dass ich am liebsten mit meinen Führungskräften das Ziel definiere und ihnen den Weg der Umsetzung selbst überlasse. Eigenständiges Arbeiten bedeutet für mich aber auch offene Kritik in beide Richtungen, wenn etwas nicht funktioniert. Das ist meine Lieblingsarbeitsweise, die aber nicht immer funktioniert. Es gibt Situationen, da muss ich ganz eng dranbleiben, weil z.B.  die Aufgabenstellungen der Leitungs- und Mitarbeiterebene so eng miteinander verzahnt sind, dass eine Trennung nicht mehr möglich ist.

 

Wären Sie bei einer Niederlage sehr enttäuscht?

Bei einer Niederlage werde ich keine Flasche Sekt öffnen. Eine Niederlage ist eine Niederlage. Aber sowohl ich persönlich als auch der Landkreis hätten natürlich trotzdem weiterhin gute Perspektiven und deswegen muss da niemand in Sack und Asche gehen, sollte es nicht klappen mit dem Wahlsieg.

 

Würden Sie sich bei einer Niederlage trotzdem im Landkreis einbringen? 

Prinzipiell engagiere ich mich gerne in meinem Lebensumfeld, wenn sich eine Möglichkeit ergibt. Aber einen Plan B habe ich nicht, um mich hier an irgendeiner anderen Stelle einzubringen. Ich habe als Abteilungsleiter im Ministerium keine Langeweile und bin ehrlich gesagt auch froh über jeden freien Tag, den ich mit meiner Familie verbringen kann

 

Sie sind ein sehr rationaler Mensch. Wann kommen bei Ihnen die Emotionen in den Vordergrund?

Emotional werde ich beispielsweise bei gefühlvollen Filmen, dann weine ich auch durchaus mal, meist in den schönen Szenen.

 

Worüber können Sie lachen?

Ich lache viel und herzhaft, nach Meinung meiner Mitmenschen auch zu laut. Ich lache über Witze oder Comedians, wenn Menschen sich dabei selbst auf die Schippe nehmen, sich selber nicht ernst nehmen oder über sich selbst lachen können. Ebenso kann ich herzhaft mitlachen, wenn ich mich selbst nicht so ernst nehme.

 

Welcher Comedian trifft Ihren Humor?

Sehr gerne schaue ich Carolin Kebekus zu, Michael Mittermeier finde ich auch sehr lustig und ich bin ein regelmäßiger Zuschauer der Heute-Show.

 

Was machen Sie in Ihrer Freizeit, um richtig abzuschalten?

Radfahren ist wichtig. Bewegen, Nachdenken, Kopf freipusten, das hilft mir. Ansonsten gehört es zu meinen großen Vergnügen, eine schöne Mahlzeit zu kochen. In den Urlauben besorge ich mir Kochbücher oder Rezepte aus dem jeweiligen Land und koche sie nach. In Schweden habe ich jetzt gelernt, den Fliegenden Jacob zuzubereiten. Und weil mein Sohn einen Hecht gefangen hat, musste ich auch lernen, diesen schmackhaft zu verarbeiten.

 

Sie kommen aus Braunschweig, sind öfter umgezogen. Haben Sie einen Lieblingsverein im Fußball?

Lustig, das hat man mich in den Fraktionen ebenfalls gefragt. Ganz ehrlich: Ich verfolge selbstverständlich die Spiele von Eintracht Braunschweig. Ebenso interessiert mich, was der SC Freiburg so macht. Ich habe den VfB Stuttgart während meiner Zeit hier schon zu schätzen gelernt, doch noch hat er es nicht zu meinem Lieblingsverein geschafft. Ich finde allerdings, dass er in der 2. Liga nicht richtig aufgehoben ist.

 

INFOKASTEN:

1970 in Braunschweig geboren und aufgewachsen, Studium der Geoökologie sowie einige Semester Volkswirtschaft in Karlsruhe. Nachdem Examen arbeitete Erdmenger für das Städtenetzwerk ICLEI, 2004 wechselte er nach Dessau ins Umweltbundesamt, wo er zuerst das Fachgebiet „Nachhaltige Energieversorgung“ verantwortete und ab 2008 die Abteilung „Umwelt und Verkehr“ leitete. 2011 zog der Umweltwissenschaftler für die Grünen in den Landtag von Sachsen-Anhalt ein und wurde dort wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion.

“Landrat, das passt zu mir” – Ludwigsburg24 im Interview mit Dietmar Allgaier

In Kornwestheim sieht man mit einem lachenden und einem weinenden Auge der anstehenden Landratswahl entgegen. Denn der allseits beliebte Erste Bürgermeister Dietmar Allgaier ist einer der vier Kandidaten, die sich um das Amt des Landrats in Landkreis Ludwigsburg bewerben. Dem gebürtigen Stuttgarter werden gute Chancen ausgerechnet, das Rennen für sich zu entscheiden. Ebenfalls gute Chancen auf eine behutsame Überprüfung aller Fakten, hätte die beschlossene Doppelstrategie der ÖPNV bei einer Wahl Dietmar Allgaiers zum neuen Landrat. Darüber hat er sich sogar schon mit dem neuen Oberbürgermeister von Ludwigsburg ausgetauscht.

Sie haben gesagt: Landrat, das passt zu mir! Warum passt das?

Die Aufgaben eines Landrats passen nach meiner Ansicht zu meiner Persönlichkeit. Ich bin gerne unter Menschen, bewege mich gerne in der Gesellschaft, bin sehr kommunikativ. Und ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen und gehe zielstrebig voran. Dies alles sind Eigenschaften, die das Berufsbild eines Landrats prägen. Ich bin niemand, der auf der Suche nach einem neuen Job ist. Aber diese Stelle reizt mich, auch weil sie eine besondere Herausforderung darstellt.

Wie hat man in Kornwestheim darauf reagiert, dass Sie das Rathaus verlassen wollen?

Bevor ich mich um das Amt beworben habe, habe ich mit den Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats persönlich gesprochen, alle anderen Gemeinderäte habe ich per Mail informiert. Die Reaktionen sind sehr herzlich, was mich sehr ehrt und freut. Gerade erst hat mir wieder eine Mitarbeiterin gesagt, dass sie mir die Daumen drückt und mir den Sprung ins Landratsamt gönnen würde. Zugleich sagen alle unisono, dass sie es sehr bedauern, wenn ich Kornwestheim verlasse würde. Das freut mich deshalb, weil es eine schöne Anerkennung meiner Arbeit ist. Werde ich nicht gewählt, dann bleibe ich auf jeden Fall hier.

Wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein, gewählt zu werden?

Wir sind vier Bewerber, die zur Wahl stehen, von denen drei Bewerber eine politische Basis haben. Die 103 wahlberechtigten Kreisräte machen sich derzeit ein Bild von den Persönlichkeiten der Kandidaten und deren Inhalte. Als einer der Bewerber steht es mir nicht zu, eine Prognose über die einzelnen Chancen abzugeben.

Wird die Entscheidung schon im ersten Wahlgang fallen?

Ich rechne damit, dass erst der dritte Wahlgang mit einfacher Mehrheit die Entscheidung bringt, weil davon auszugehen ist, dass die Parteien in den ersten beiden Wahlgängen die Stimmen ihren eigenen Kandidaten geben werden. Im dritten Wahlgang ist dann alles möglich.

Sie rechnen also durchaus mit Stimmen anderer Parteien?

Das wird man sehen. 2008 beispielsweise bin ich hier in Kornwestheim zum Bürgermeister gewählt worden von der CDU, der SPD und mit zahlreichen Stimmen aus den Reihen der Grünen sowie der Freien Wähler. Damals habe ich 21 von 27 Stimmen bekommen. 2012 bin ich dann bei geheimer Wahl einstimmig zum Ersten Bürgermeister gewählt worden. Von daher ist das Rennen für jeden Kandidaten offen. Ich habe mich allen Fraktionen vorgestellt und bin zudem der Meinung, dass der gewählte Landrat nur dem Landkreis und dem Kreistag unterworfen ist, aber keiner Partei. Deshalb sollte er auch immer einen Kontakt zu allen Fraktionen pflegen. Das tue ich als Erster Bürgermeister ebenso.

Auf welche Aufgaben freuen Sie sich besonders, sollten Sie die Wahl gewinnen?

Im Falle einer Wahl freue ich mich zuerst einmal, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennenlernen zu dürfen. Ebenso freue ich mich auf den Kontakt mit den ganzen Städten und Gemeinden, deren Bindeglied der Landrat ist. Die kommunalpolitische Arbeit eines Landrats ist spannend, weil sie direkt am Menschen ist. Natürlich freue ich mich auch auf die Herausforderungen, die dieses Amt mit sich bringt.

Welche Herausforderungen wären neu für Sie?

Ergänzend zu den Tätigkeiten meiner jetzigen Aufgabe als Erster Bürgermeister sind es die gemarkungsübergreifenden Themen der Mobilität, weitere Möglichkeiten beim Umwelt- und Klimaschutz und die Klinikenfinanzierung im Landkreis Ludwigsburg. Bei rein kommunalen Themen Wirtschaft und die Wohnraumversorgung, auch wenn der Landkreis da oftmals keine direkte Einwirkung darauf hat, möchte ich mit Städten und Gemeinden kooperieren und meine Erfahrungen einbringen. Außerdem würde ich dann gerne das Thema Innovation in meine Arbeit einfließen lassen.

Der Landkreis Ludwigsburg gehört zu den Top Ten der einkommensstärksten Kreise. Was kann der zukünftige Landrat tun, damit dies so bleibt.

Die Einnahmenseite ist immer nur mittelbar beinflussbar von den politischen Gremien und der Verwaltung oder gar dem Landrat selbst. Deswegen halte ich eine vernünftige und solide Haushaltspolitik des Landkreises auch in der Zukunft für wichtig. Das heißt beispielsweise, dass geplante Investitionen grundsätzlich immer auch auf ihre Folgekosten überprüft werden müssen. Wenn der Landkreis solide sowie generationengerecht handelt, wird auch, trotz aller nicht steuerbaren Einflüsse wie beispielsweise 2015 die Flüchtlingswelle, die ein enormes Finanzvolumen gebunden hat, der Wohlstand der Einwohnerinnen und Einwohner zu halten sein.

Sie selbst mussten in Kornwestheim vor ein paar Jahren als Finanzbürgermeister eine ungeplante Steuerrückzahlung in Höhe von über 20 Mio. Euro stemmen…

… was die Stadt tatsächlich geschafft hat, weil sie gemeinsam mit dem Gemeinderat in den Folgejahren den Haushalt so konsolidieren konnte, dass es an der einen oder anderen Stelle zwar schmerzhaft war, aber wir keine Leistungen streichen mussten. Wir haben die Krise überwunden, Kornwestheim steht schuldenfrei da und ist die Stadt im Landkreis mit der zweithöchsten Liquidität.

Kann ein Landrat neue Gewerbegebiete ausweisen, um neue Unternehmen an Land zu ziehen?

Die Hoheit über Planungen und Maßnahmen haben letztlich immer die Kommunen. Aber der Landrat kann gut unterstützen, wenn er mit den Bürgermeistern entsprechend über Entwicklungsmöglichkeiten kommuniziert. Als Landrat würde ich gerne Schwerpunkte setzen im Bereich Innovation und in den nächsten Jahren, junge, innovative Unternehmen in den Landkreis holen. Das sind nicht die Unternehmer, die große Flächen verbrauchen und Flächenressourcen benötigen, sondern sie benötigen oftmals am Anfang einfach nur eine Chance sowie eine politisch ideelle Unterstützung und manchmal vielleicht eine räumliche oder sachliche. Baden-Württemberg war schon immer das Land der Tüftler und Denker, wir haben dank guter Hochschulen sehr viele junge, innovative Köpfe, die man versuchen sollte, für den Landkreis zu gewinnen.

Welche Mechanismen hat ein Landrat, um beispielsweise beim Thema Wohnungsbau einzuwirken?

Der Landrat sollte ausgleichend und moderierend unterwegs sein. Natürlich sind die Bürgermeister und Gemeinderäte in ihren Entscheidungen autonom. Aber so ein übergreifendes Thema wie Wohnraum kann man nur gemeinsam angehen. Hier kann der Landkreis schon unterstützen, weil der Landkreis beispielsweise bei der Baulandplanung direkten Einfluss hat. Bei der Flächenausweisung und bei der Erstellung von Flächennutzungsplänen kann man unterstützen. Wichtig wird ebenso sein, mit den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zu kooperieren und Gemarkungsübergreifend gemeinsam Projekte zu entwickeln, sofern die Kommunen dazu bereit sind.

Stichwort Doppelstrategie ÖPNV: Würden die Beschlüsse unter Ihrer Regie so durchgesetzt werden oder würden Sie sich nochmals genau anschauen, was seinerzeit zwischen Landrat Haas und Ludwigsburgs Ex-OB Spec verabredet wurde?

Gefassten Beschlüssen ist natürlich auch der neue Landrat unterworfen. Aber ich halte es dennoch für wichtig und richtig, die Fakten nochmals zusammenzutragen, um sie nüchtern und objektiv zu überprüfen auf das, was in dieser doch sehr aufgeregten Zeit insgesamt festgelegt wurde. Darüber habe ich mich mit dem neuen OB Dr. Knecht vor Kurzem bereits ausgetauscht, der es so ähnlich sieht wie ich. Man sollte dieses Thema noch einmal sehr behutsam angehen und sich besprechen, denn am Ende geht es um die hoffentlich beste Lösung für den Landkreis und da ist die Stadt Ludwigsburg ein wesentlicher Faktor. Aber die Frage der Mobilität geht weit über diese Diskussion hinaus, denn wir brauchen letztlich eine Lösung für den gesamten Landkreis.

„Ich ticke kommunal“, sagen Sie über sich. Was finden Sie an der kommunalen Ebene reizvoller als an der Landes- oder Bundespolitik?

Neben der Nähe am Menschen ist es die Sichtbarkeit des Handelns der Verwaltung sowie der Beschlüsse der Gremien. Die kommunalpolitische Arbeit findet an der Basis statt. Ich persönlich genieße es, wenn ich unterwegs bin und das Feedback der Bürgerinnen und Bürger bekomme, Anregungen und auch mal Kritik. Auf der kommunalen Ebene hat man eben die Möglichkeit, sehr viel schneller zu gestalten als in übergeordneten Organen.

 

Sie haben eben das Thema Kritik angesprochen. Wie reagieren Sie auf Kritik?

Mit sachlicher Kritik kann ich gut umgehen, was nicht geht, sind persönliche Anfeindungen, die ich allerdings in meinen elf Jahren als Bürgermeister noch nicht erlebt habe. Es ist natürlich auch immer eine Frage, wie man selbst mit seinem Gegenüber umgeht. Ich versuche, dies respektvoll zu tun, erwarte das allerdings auch umgekehrt. Die Gesellschaft hat sich allerdings verändert. Früher war die Verwaltung ein hoheitliches Organ, heute ist sie Dienstleister. Die Kommunen haben dies bereits zu großen Teilen wahrgenommen, der Landkreis muss noch ein bisschen daran arbeiten. Wenn man die Bürger mit ihren Anliegen ernstnimmt und vernünftig begründet, warum man nicht alles erfüllen kann, dann ist zumindest eine gewisse Akzeptanz vorhanden.

Sie sind Mitglied der CDU. Wann und warum sind sie in die Partei eingetreten?

Eingetreten bin ich 1994, also vor 25 Jahren. Zu dieser Zeit war ich Vorsitzender der Städtischen Orchester Kornwestheim. Als Vereinsvorsitzender ist man vor anstehenden Kommunalwahlen eigentlich immer im Blick der Parteien und Fraktionen. Also hat mich die CDU, deren Fraktionsmitglieder ich teils gut kannte und deren Themen mich überzeugt haben, angesprochen und ich konnte mir vorstellen, mich in meiner Heimatstadt politisch zu engagieren.

Würden Sie heute wieder in die CDU eintreten?

Ja, ich würde wieder in die CDU eintreten, möchte aber betonen, dass ich in all den Jahren meiner kommunalpolitischen Tätigkeit nie Parteipolitik betrieben habe. Für mich ging und geht es immer um Sachthemen.

Haben Sie Vorbilder in der Politik?

Vorbilder sind für mich die Politiker der alten Generation aus der Nachkriegszeit von Theodor Heuss bis Willy Brandt, also unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Sie haben letztlich alle dafür gesorgt, dass Deutschland wiederaufgebaut wurde.

Sie würden gerne Barack Obama kennenlernen, warum?

Seinen Politikstil fand ich sehr ansprechend. Als Präsident war er aus meiner Sicht wahnsinnig glaubwürdig und er hat eine sehr ehrliche, verlässliche Politik gemacht. Diese Eigenschaften halte ich für sehr wichtig, zumal die Politik allgemein sehr an Glaubwürdigkeit verloren hat.

Worüber würden Sie mit ihm reden?

Obama interessiert mich als Mensch. Er hat eine Kindheit erlebt, die nicht von Wohlstand geprägt war. Ich würde ihn viel zu seiner Biografie fragen, aber ebenso zu seinen Erfahrungen, die er während seiner Präsidentschaft gemacht hat.

Zurück zu Ihrer eigenen Karriere: Ihre Frau und die beiden Töchter unterstützen Ihre Landratskandidatur. Wie wichtig ist Ihnen diese Unterstützung?

Diese Unterstützung ist eine Grundvoraussetzung. Schon der Schritt in meine jetzige Funktion war mit meiner Familie eng abgestimmt. In so einem Amt brauchen sie diesen Rückhalt sowohl vom Ehepartner als auch von den Kindern, weil dieser Beruf großen Einfluss auf die Familie hat.

Hätten Sie im Zweifelsfall die Familie über die Karriere gestellt?

Ja, dann hätte ich tatsächlich auf eine Kandidatur verzichtet. Das habe ich schon einmal getan, als mir vor ein paar Jahren eine Kandidatur für eine OB-Stelle in einer Stadt mit 60.000 Einwohnern angeboten worden ist. Das war eine große Ehre für mich und ich habe ernsthaft darüber nachgedacht, das Angebot anzunehmen. Aber die Stelle wäre mit einem Umzug verbunden gewesen, die Kinder hätten Schule und Umfeld wechseln müssen und das wollten wir damals nicht.

Wäre Ihnen ein Umzug ebenfalls schwergefallen?

Schon, denn ich fühle mich hier ausgesprochen wohl, hier sind meine Wurzeln. Kornwestheim bedeutet für mich Familie, Freunde, Heimat. Das geht aber über die Stadtgrenze hinaus. Wir haben hier im Landkreis eine solche Vielfalt, die finde ich einfach fantastisch. Wir haben hier Wirtschaft, Sport, Kultur, Kunst und Freiraum. Wir haben Weinberge, Naherholungsräume, landwirtschaftliche Freiflächen, das alles ist wunderschön und ich genieße es.

Dabei wollten Sie doch angeblich mal nach Kanada auswandern…

Das kommt durch meinen Vater. Als er neunzehn Jahre alt war, ist er für vier Jahre nach Kanada, um dort zu arbeiten. Als er auf Heimatbesuch kam, lernte er meine Mutter kennen und blieb. Er hat mir immer viel über dieses Land erzählt und mich dafür begeistert. Aber ich muss gestehen: Bis heute war ich noch nicht ein einziges Mal dort und der Auswanderertraum ist längst begraben.

Was für ein Vatertyp sind Sie?

Meine beiden Töchter liebe ich sehr. Manchmal bin ich wohl etwas überfürsorglich – zumindest aus der Sicht meiner Töchter. Ich möchte immer gerne wissen, wo sie sind, was sie machen und ob es ihnen gutgeht. Aber zugleich habe ich beiden immer den Freiraum gelassen, den sie benötigen. Lisa, meine Große, ist jetzt für ein Jahr nach Amerika. Sie findet das großartig, ich leide ein bisschen. Plötzlich fehlt ein Teil der Familie. Lisa ist nicht mehr in Reichweite, denn Washington ist nicht gerade ums Eck. Aber es war ihr Wunsch, das habe ich respektiert, weil ich weiß, dass es wichtig und richtig ist für ihre Persönlichkeitsentwicklung. Also lerne ich jetzt loszulassen.

Welche Werte waren Ihnen wichtig in der Erziehung?

Ehrlichkeit ist mir sehr wichtig, aber auch ein gutes Sozialverhalten und dass meine Kinder aus innerer Überzeugung fühlen, wie wertvoll Familie ist. Sie sollen sicher sein können, dass Familie, Eltern immer eine Basisstation sind – in jedem Alter und egal, worum es auch im Leben geht. Meine Frau und ich haben auch immer eine frühe Selbständigkeit der Mädchen unterstützt. Unsere jüngere Tochter Franziska wollte trotz Gymnasialempfehlung unbedingt auf die hiesige bilinguale Realschule. Wir haben sie diese Entscheidung tatsächlich selbst treffen lassen und es hat sich im Nachhinein gezeigt, dass dies goldrichtig war. Nun wird sie dieses Schuljahr ihr Abitur an der Mathilde-Planck-Schule in Ludwigsburg machen.

Wo möchten Sie sich als Politiker einbringen, dass Sie nachhaltig etwas für die Generation Ihrer Töchter und deren Nachkommen hinterlassen?

Das fängt schon damit an, dass ich die junge Generation ernst nehme. Die Jugend formuliert gerade sehr hörbar ihre ihnen wichtigen Bedürfnisse für die Zukunft. Da spielt der Klima- und Umweltschutz eine große Rolle. Auch meine große Tochter hat an den Friday for Future-Demonstrationen teilgenommen und wir haben daheim über das Thema diskutiert. Es ist unsere Pflicht, dass wir unsere Erde, unser Klima, unsere Natur so für die Enkel und Urenkel erhalten, dass unsere Jugend positiv in die Zukunft blicken kann.

Die Medien der Zukunft, also die Digitalisierung liegt mir ebenfalls am Herzen sowie das Thema Wohnen und der Schutz unseres unbebauten Lebensraums zur Erhaltung der Freizeitmöglichkeiten. Nicht zu vergessen die ständige Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Neben Frau und Töchtern gehört Ihre Liebe dem abgestiegenen VfB. Wie groß ist derzeit Ihr Liebeskummer?

Da ich jede Menge Herzblut mitbringe für diesen Verein, leide ich genauso mit wie jeder andere Fan. Zweimal zweite Liga innerhalb von zwei Jahren ist schon sehr schmerzhaft. Ich bin ja ehrenamtlich im Mitgliederausschuss tätig und schaue mir möglichst oft die Heimspiele im Stadion an. Natürlich ärgere ich mich über jede Niederlage und fiebere mit, dass am Ende der Saison der Aufstieg steht. Doch unterm Strich ist und bleibt es Sport.

Wie schätzen Sie derzeit Form und Leistung des Vereins ein?

So, wie die neuen Strukturen gerade aufgebaut werden, glaube ich, dass der Verein organisatorisch sowie personell gut aufgestellt sein wird und dadurch wieder in ruhigere Fahrwasser kommt. Die Ausgliederung halte ich noch immer für den richtigen Schritt und ich bin auch der Meinung, dass Wolfgang Dietrich zum damaligen Zeitpunkt der richtige Präsident war. Herr Dr. Gaiser ist für die Übergangszeit in seiner ruhigen, sachlichen und überlegten Art als kommissarischer Präsident ebenfalls der richtige Mann. Er ist sehr erfahren und ich schätze ihn sehr. Vieles wird jetzt davon abhängen, wer der neue Präsident wird. Er sollte auf jedem Fall die VfB-Familie wieder zusammenführen und integrieren, damit der Verein wieder eine Einheit wird. Was sportlich auf dem Platz abläuft, möchte ich nicht kommentieren, weil ich kein Fachmann bin.

Der neue Präsident muss mit Finanzen umgehen können, sich mit Verwaltung auskennen, er sollte für Personal ein Händchen haben, Fußballverstand und eine gehörige Portion Leidenschaft für diesen Sport sowie ein gutes Netzwerk mitbringen. Passt doch, falls das mit dem Landrat nicht klappen sollte!

(lacht herzhaft) Na ja, ich suche einen Job für mindestens acht Jahre und nicht nur für eins. Der Präsident des VfB Stuttgart sollte auch Sport- und Fußball-Kompetenz mitbringen und im besten Fall auch das passende Netzwerk. Und beides habe ich nicht. Deshalb wäre das für mich nicht der richtige Posten. Ich bewerbe mich nur auf Stellen, bei denen ich von mir selbst überzeugt bin, dass ich sie wirklich zu hundert Prozent gut ausfülle. In diesem Segment würde ich mir das auf jeden Fall absprechen.

Patricia Leßnerkraus und Ayhan Günes

“Meine Chancen stehen 50:50” – Ludwigsburg24 im Gespräch mit Gerd Maisch

Sein Arbeitsplatz in Vaihingen an der Enz ist ein kleines Schmuckkästchen, das Gerd Maisch jetzt nach 13 Jahren verlassen will. Denn er möchte das alte Rathaus, das 1693 abbrannte und 1720 wieder neu aufgebaut wurde, gegen das viel modernere Landratsamt in Ludwigsburg tauschen. Wie groß der 55-jährige Oberbürgermeister von Vaihingen an der Enz (Freie Wähler) seine Chancen für diesen Wechsel einschätzt und warum er glaubt, der richtige Kandidat zu sein, erzählt er in einem ausführlichen Gespräch mit Ludwigsburg24.

 

Ludwigsburg24: Sie haben sich knapp vor Ablauf der Bewerbungsfrist entschieden, für die Landratswahlen am 15. November zu kandidieren. Warum kam Ihre Entscheidung erst in der letzten Minute?

Ich bin vielleicht ein Last-Minute-Kandidat was die Abgabefrist für die Bewerbung betrifft, aber mein Entscheidungsprozess ging natürlich schon viel länger. Dabei haben viele Überlegungen eine Rolle gespielt, zum Beispiel, dass ich hier als Oberbürgermeister eine schöne Aufgabe habe. Wir haben den Zuschlag für eine Gartenschau bekommen, die die Stadt im Jahr 2029 ausrichten wird. Die ersten Planungsvorbereitungen dafür beginnen schon jetzt. Eine Gartenschau zu gestalten ist eine Aufgabe, die nicht jeder meiner Amtskollegen und -kolleginnen bekommt.

Auch gefällt mir der gute und ständige Kontakt zu den Bürgern meiner Stadt, der natürlich intensiver ist als der eines Landrates. Außerdem sehe ich die geleistete Arbeit auf kommunaler Ebene sehr konkret. Ich laufe durch die Stadt und kann sagen: Hier haben wir was gemacht, dort haben wir etwas umgesetzt. Das macht natürlich Spaß. Mit jeder höheren beruflichen Ebene werden die Ergebnisse zwangsläufig abstrakter.

Warum haben Sie sich am Ende doch für eine Kandidatur entschieden?

Mit 55 Jahren möchte ich jetzt gerne nochmal neue Herausforderungen annehmen. Diese Kandidatur bietet mir eine gute Möglichkeit, zumal ich im Kreis Ludwigsburg fest verankert und gut vernetzt bin. Der Landkreis bietet viele spannende Themen und anspruchsvolle Aufgaben, denen ich mich gerne stellen möchte. Ich sehe dabei vor allem die Chancen, die man im gemeinsamen Erreichen von Zielen als Kommune, Kreis und Region hat, um das Beste für die Bürger zu erreichen. Hierfür möchte ich meine Erfahrung einbringen als Oberbürgermeister, als Kreisrat und auch als Mitglied der Regionalversammlung vom Regionalverband Stuttgart, der ich seit fünf Jahren angehöre.

Ihre Wahl zum Oberbürgermeister haben sie 2006 im ersten Wahlgang überraschend gewonnen, Ihre Wiederwahl war mit 97 Prozent noch fulminanter Wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein, zum neuen Landrat gewählt zu werden?

Sie können eine Volkswahl natürlich nicht mit einer Gremienwahl vergleichen. Bei der nun anstehenden Gremienwahl spielt beispielsweise die Parteizugehörigkeit zumindest in den beiden ersten Wahlgängen eine gewisse Rolle. Meine Chancen schätze ich 50:50 ein. Die Gespräche, die ich bisher mit den Fraktionen geführt habe, waren sehr positiv, und ich habe den Eindruck gewonnen, dass man mich als kompetenten Bewerber wahrnimmt, der diese Aufgabe erfüllen könnte.

Bei der OB-Wahl in Ludwigsburg wurden parteipolitische Koalitionen geschmiedet, um eine Ablösung des den Freien Wählern angehörenden Werner Spec an der Rathausspitze herbeizuführen. Fürchten Sie, dass sich gegen Sie auch etwas zusammenbraut?

Nein, das fürchte ich nicht. Bei der OB-Wahl entscheidet allein die Bevölkerung und wählt den Kandidaten, den sie für das Amt am besten hält. Die Parteien positionieren sich zwar zugunsten des einen oder anderen Kandidaten, aber das geht auch gar nicht anders. Eine OB-Wahl in einer Stadt wie Ludwigsburg erfordert einen beachtlichen finanziellen Aufwand des Kandidaten, aber es gibt anders als bei Bund und Land keine Wahlkampfkostenerstattung. Ohne Unterstützung von irgendwelchen Gruppierungen, die sich hinter den Kandidaten stellen und ihn auch finanziell unterstützen, ist so ein Wahlkampf allein kaum durchzuführen. Aber das hat mit der Landratswahl aus meiner Sicht sehr wenig zu tun. Eine Abrechnung in irgendeiner Form kann ich mir nicht vorstellen. Dafür besteht weder ein Bedarf noch ein Wunsch noch eine Strömung in diese Richtung.

Sie wollen wechseln von einer Stadt mit rund 29.000 Einwohnern und einer Verwaltung mit 650 Mitarbeitern in einen Landkreis mit 39 Gemeinden, über 500.000 Einwohnern und 2.000 Mitarbeitern. Wie groß ist Ihr Respekt vor diesem gewaltigen Sprung?

Die Organisationsstruktur einer Stadt und eines Landkreises ist ähnlich und doch wieder ganz anders. Ein Oberbürgermeister hat mindestens so viel direkten Kontakt mit seinen Mitarbeitern wie ein Landrat, das ist durch die Organisationsstruktur einfach gegeben. Und ich behaupte, dass jeder OB mehr Bürgerkontakt hat als ein Landrat. Und ob sie jetzt im Kontakt sind mit viel oder wenig Mitarbeitern, ob mit 29.000 Bürgern oder über 500.000, das ist egal. Den Umgang mit Menschen habe ich in 25 Jahren als Bürgermeister und Oberbürgermeister gelernt und bin somit gut aufgestellt und erfahren genug, um einen Landkreis führen zu können.

Sagen Sie uns doch bitte, warum Sie Ihrer Meinung nach der beste Kandidat von den vier Bewerbern sind.

Wenn man eben diese 25 Jahre Erfahrung als Bürgermeister und Oberbürgermeister hat, seit 20 Jahren im Kreistag sitzt, dann hat man den wichtigen Blick von beiden Seiten. Den Blick auf den Kreis durch den Kreisrat, den auf die kommunale Seite als OB. Ich glaube, dass ich die beiden Sichtweisen und Erwartungen gut zusammenbringen und zu einem Miteinander führen kann, um letztlich das Ziehen an einem gemeinsamen Strang von allen Beteiligten zu erreichen.

Beschreiben Sie sich doch bitte mal selbst. Wie sind Sie als Mensch, als Politiker?

Ich bin sicherlich sehr zielstrebig, arbeite gerne für die Allgemeinheit, ich glaube, dass ich mich verständlich ausdrücke und den Menschen alle Verwaltungsentscheidungen nachvollziehbar erklären kann. Ich bin sehr ehrlich und damit auch verlässlich. Mir kann man nicht vorwerfen, dass ich jemals etwas gesagt habe, was ich hinterher anders gemacht habe.

Und welcher Typ Chef sind Sie, welche Führungsqualitäten zeichnen Sie aus?

Ich weiß, dass der Kopf einer Organisation sehr wichtig ist. Ich weiß aber auch, dass es ohne das Team nicht geht. Ich bin nicht beratungsresistent und pflege schon immer mit meinen Mitarbeitern eine gute sowie vertrauensvolle Zusammenarbeit, suche ihren Rat, da sie naturgemäß in der Detailarbeit viel stärker drin sind als ich. Wir tauschen uns intensiv aus und versuchen gemeinsam, gute Vorschläge zu erarbeiten. Klappt das mal nicht, dann ist klar, am Ende entscheidet der Chef – mit allen Konsequenzen. Das heißt, ich ertrage dann im schlimmsten Fall auch die Kritik von außen und ducke mich nicht etwa weg, sondern ich stehe vor meinen Mitarbeitern und übernehme die volle Verantwortung.

Jeder von uns hat neben Stärken auch die eine oder andere Schwäche. Woran würden Sie gerne noch an sich arbeiten?

In der Regel habe ich mich im Griff, aber dennoch werde ich manchmal ungeduldig, zum Beispiel dann, wenn man ein Thema schon mehrfach durch- und ausdiskutiert und auch Entscheidungen getroffen hat und dann fängt irgendwer alles wieder von vorn an. Es gehört zum politischen Geschäft, dass getroffene Entscheidungen auch schlussendlich akzeptiert werden müssen.

Wie äußert sich Ihre Ungeduld, werden Sie laut, hauen Sie auf den Tisch?

Nein, weder noch, ich habe meine Emotionen gut im Griff. Ich äußere sachlich, aber sehr bestimmt, dass ich nicht bereit bin, erneut zu diskutieren. Allerdings gibt es ein paar langjährige Gemeinderäte, die behaupten, meine Ungeduld an meinem Blick erkennen zu können.

Was die eigene Karriere betrifft, sind Sie sehr erfolgsverwöhnt. Haben Sie auch gelernt mit Niederlagen umzugehen?

Seit über 30 Jahren arbeite ich nun in der öffentlichen Verwaltung, davon 25 Jahre in einer Führungsfunktion. Das ist zwar eine gerade Linie im Lebenslauf, dennoch gibt es im politischen Geschäft immer wieder Situationen oder Erlebnisse, von denen man überrascht, enttäuscht ist. Das habe ich natürlich auch erlebt. Das tut im ersten Moment weh, aber man lernt damit umzugehen.

Sind Sie ein nachtragender Mensch?

Wenn mich jemand persönlich verletzt, verändert sich mein Verhalten. Diesen Menschen gehe ich außerhalb meines Amtes aus dem Weg, weil ich privat nicht meine Zeit mit ihnen verbringen will. Das würde ich nicht als nachtragend bezeichnen, sondern als konsequent.

Würden Sie als Landrat mit allen Parteien zusammenarbeiten oder gibt es Ausnahmen?

Prinzipiell sind alle im Kreisrat sitzenden Vertreter demokratisch gewählt und somit darf jede Partei jederzeit ihre Vorschläge einbringen, die in den Gremien beraten werden. Aber natürlich habe ich eine Position und Meinung, die ich offen vertrete, weshalb nicht jede Idee bei mir auf Gegenliebe stößt. Aber ich schließe auch niemanden aus. Sie spielen wahrscheinlich auf den Umgang mit der AFD an. Einen sachlich guten Vorschlag eines AFD-Vertreters nehme ich genauso an wie den von allen anderen Parteien, auch wenn ich mit meinen eigenen politischen Ansichten von dieser Partei sehr, sehr weit weg bin.

Mit welcher Partei sehen Sie die größten Überschneidungen?

Der Kreistag ist mit seinen sieben Gruppierungen ein Querschnitt der Bevölkerung, die komplexer, heterogener geworden ist. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es für die Sachthemen immer große Mehrheiten über die Parteigrenzen hinweg gab, deshalb bin ich auch zuversichtlich für die Zukunft. Es gibt kein linkes oder rechtes, kein grünes, schwarzes oder rotes Krankenhaus, sondern nur eine gute medizinische Versorgung für die Bevölkerung. Deshalb ist die Parteistruktur in einem Kreistag nicht ganz so deutlich wahrnehmbar wie in einem Parlament. Das ist auch gut so und macht das kommunale Geschäft so angenehm.

In der Vergangenheit gab es häufig große Differenzen zwischen dem ausscheidenden Landrat Rainer Haas und dem jetzt abgewählten OB von Ludwigsburg, Werner Spec. Wie stehen Sie zu der beschlossenen Doppelstrategie im ÖPNV von Schnellbussen und Niederflurbahnen? Bleibt es dabei oder werden Sie das Kapitel als neuer Landrat nochmals neu aufmachen?

Die Diskussion dazu ist geführt, die Beschlüsse sind gefasst. Dabei bleibt es jetzt auch. Der Bürger hat das Recht darauf, dass die Beschlüsse endlich umgesetzt und abgearbeitet werden.

Welche Themen stehen als möglicher neuer Landrat noch ganz oben auf Ihrer Agenda?

Ein wichtiges Thema ist die Verbesserung des ÖPNV im gesamten Landkreis. Es geht um den S-Bahn-Ausbau beispielsweise der S5 oder die Ausdehnung der Strohgäubahn. Das ganze Krankenhauswesen bleibt wichtig. Das Akut-Krankenhaus in Vaihingen an der Enz wurde geschlossen, gerade wird über den Krankenhausstandort Marbach diskutiert. Hier brauchen wir bei allen Beschlüssen eine gute Transparenz für die Bürger, um die nötige Akzeptanz zu erzielen. Beim Thema Abfall geht es um die freigemessenen Abfälle aus Neckarwest und die damit verbundenen langfristigen Entsorgungsmöglichkeiten. Die Deponien sind irgendwann voll, dann brauchen wir neue. Einen neuen Standort kann man heute aber nur noch umsetzen, wenn man die Bevölkerung hinter sich hat.

Haben Sie auch ein Herzensprojekt, das Sie gerne vorantreiben würden?

Die Pflege ist mir ein Herzensanliegen. Neben dem allgemeinen Problem der fehlenden Pflegekräfte, haben wir im Landkreis auch zu wenig Kurzzeit-Pflegeplätze. Hier muss der Landkreis mit ins Boot, um die Kurzzeitpflege wieder interessanter zu machen für die Pflegeheimbetreiber und um die pflegenden Angehörigen besser zu unterstützen und zu entlasten.

Auf welches Projekt sind Sie als OB von Vaihingen an der Enz besonders stolz?

Er gibt durchaus mehrere Projekte, über die ich glücklich sein kann. So haben wir für unsere Mitarbeiter bessere strukturelle Arbeitsbedingungen oder für den Bauhof eine neue Einrichtung schaffen können. Richtig stolz bin ich jedoch auf den Umstand, dass es uns seit Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz im Jahr 2013 irgendwie immer gelungen ist, allen Eltern mit dringendem Betreuungsbedarf ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Wir haben einen bunten Strauß an Maßnahmen dafür ergriffen, haben u.a. neue Kindergärten gebaut, bestehende erweitert, so dass wir einen wichtigen Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie geleistet haben. Es gab bislang keine einzige Klage gegen die Stadt.

Sie sind Vater von vier Kindern, diskutieren Sie daheim über Politik? Und was halten Sie von der Bewegung „Fridays for Future“?

Als Vater und als Politiker habe ich Verantwortung für die kommenden Generationen und natürlich habe ich für die nachwachsende Generation und ihre berechtigten Sorgen großes Verständnis. Ich denke zwar, dass es in der Emotionalität manchmal ein bisschen zu weit geht, aber die Sorgen als solche kann ich nachvollziehen. Wir müssen deutlich machen, was schon passiert ist und was künftig passieren muss und soll. Es ist zwar das Privileg der Jugend zu fordern, dass alles noch schneller gehen sollte, aber die Lebenswirklichkeit in einer sehr heterogen gewordenen Gesellschaft bedingt nun mal, dass es nicht immer sofort und schnell gehen kann. Darüber diskutiere ich selbstverständlich auch mit meinen Kindern.

Welchen Beitrag leisten Sie zum Klimaschutz?

Schon seit vielen Jahren haben wir die Dächer unserer kommunalen Einrichtungen mit Photovoltaik ausgestattet. Vor 15 Jahre haben wir bereits unsere Stadthalle und auch unsere Innenstadtschulen jeweils auf eine Holzhackschnitzel-Heizungsanlage umgestellt. Dieses System verlängern wir gerade in die Innenstadt. Wir haben im Stadtteil Gündelbach ein Fernwärmenetz aufgebaut und vieles mehr. Es ist also schon viel passiert auf unserer kommunalen Ebene. Aber jedem muss klar sein, dass der Klimaschutz ein gesamtgesellschaftliches Thema ist, zu dem jeder Einzelne seinen Beitrag leisten muss und das wird eine spannende Herausforderung, denn das heißt für jeden Einzelnen auch persönlicher Verzicht, beispielsweise schon bei der nächsten Urlaubsreise. Die Umsetzung zum Schutz des Klimas ist für viele Menschen in Bezug auf ihr eigenes Leben leider noch sehr abstrakt.

Warum hat es Sie bislang nicht in den Landtag oder in den Bundestag gezogen?

Politisch gehöre ich den Freien Wählern Baden-Württemberg an, die sich auch ganz bewusst nur in Stadt, Kreis und Region engagieren. Damit habe ich von Beginn an ganz bewusst deutlich gemacht, dass ich meine berufliche Zukunft ausschließlich auf der kommunalen Ebene sehe. Hier ist die Welt durch Bürger- und Projektnähe konkret, hier setze ich gefasste Beschlüsse auch selbst um, das macht mir Spaß.

Haben Sie auch nie darüber nachgedacht, in einer anderen Region beruflich Fuß zu fassen?

Nein, warum hätte ich dies tun sollen? Ich bin im Raum Böblingen aufgewachsen, habe hier in der Region meine ganz persönlichen Beziehungen wie Verwandtschaft, Freundeskreis. Alle sind in der Region, ich fühle mich hier wohl, warum sollte ich dann woanders hingehen. Ich hatte durchaus berufliche Anfragen aus anderen Regionen, mit denen ich mich auch beschäftigt habe, aber letztlich habe ich mich immer für meine hiesige Heimat entschieden, weil mir die Verwurzelung wichtig ist.

Sollten Sie gewählt werden, wollen Sie dann Richtung Ludwigsburg umziehen?

Nein, dafür besteht keine Notwendigkeit, denn man kann hier sehr schön wohnen und leben. Ich fühle mich privat sehr wohl in dieser Stadt.

Interview: Patricia Leßnerkraus und Ayhan Günes

“Platzt die GroKo, gehe ich von Neuwahlen aus” – Steffen Bilger im großen Interview mit Ludwigsburg24

Ein Gespräch mit Steffen Bilger (40), CDU Bundestagsabgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär für Verkehr und digitaler Infrastruktur, über die Abwahl von Ludwigsburgs OB Werner Spec, die aktuelle Krise der SPD, wer aus der CDU Kanzlerin Angela Merkel beerben könnte und seine Prognose bei möglichen Neuwahlen im Bund.

 

Herr Bilger, Sie leben als Politiker die Woche über in Berlin, privat in Ludwigsburg. Welche Stadt liegt Ihnen mehr?

Berlin ist eine tolle, lebenswerte Stadt, dennoch bin ich lieber in Ludwigsburg. Hier ist alles etwas übersichtlicher und in den Teilorten gibt es noch eine dörfliche Struktur mit viel Natur. Wir haben den Neckar, Weinberge, Felder und Wiesen und trotz der Nähe zur Großstadt Stuttgart haben wir alles, was man braucht. Mit meiner Familie wohne ich nahe dem Blühenden Barock. Es ist einfach wunderschön, dass wir dort durch den herrlichen Garten gehen können und so viele blühende Blumen mitten in der Stadt haben.

Was sind Ihre Lieblingsplätze in Ludwigsburg?

Dazu gehört neben dem Blühenden Barock selbstverständlich auch der Märchengarten. Beide habe ich schon als Kind häufig besucht, heute gehe ich mit meinen eigenen Kindern hin. Nicht zu vergessen sind das Schloss und unser wunderschöner Marktplatz. Für mich gehört er zu den schönsten in Deutschland.

Im Moment ist die Stadt im Wandel. Hat Sie die Abwahl von Oberbürgermeister Werner Spec überrascht?

Werner Spec ist ein sehr visionärer, offener Mensch, der Ludwigsburg bestens aufgestellt hat. Ich habe mit ihm sehr gut zusammengearbeitet bei meinen Themen Nachhaltigkeit, Mobilität und Zukunft. Die Wahlentscheidung der Bürger wurde jedoch nicht anhand solcher Themen getroffen. Ich habe eine Wechselstimmung in der Stadt wahrgenommen, weshalb mich das Ergebnis nicht wirklich überrascht hat. Es war spürbar, dass die häufigen Berichte über Streit zwischen Oberbürgermeister und Landrat Dr. Rainer Haas oder mit dem Gemeinderat bei vielen zu Unzufriedenheit geführt hat und die Menschen mehr Ruhe wollten. Vielleicht war es auch manchen zu viel Veränderung innerhalb kurzer Zeit. Das fände ich bedauerlich, denn wenn man sich weiterentwickeln will, dann gehören gelegentliche Baustellen dazu. Es kann nicht immer alles nur rund verlaufen. Ich hoffe, dass Ludwigsburg auch mit dem neuen Gemeinderat weiterhin gestalten und nicht nur verwalten will.

Oberbürgermeister Spec hat extrem von seinem großen, bundesweiten Netzwerk gelebt und sich außerhalb der Stadtgrenze einen guten Ruf erarbeitet. Wird das der Stadt künftig fehlen?

Auch unabhängig von der Person Spec genießt Ludwigsburg einen ausgezeichneten Ruf. Ich werde in Berlin oft auf Ludwigsburg angesprochen als nachhaltigste Stadt Deutschlands, wegen der Mobilitäts- und Zukunftsthemen, wegen Institutionen wie die Filmakademie. Das gute Standing der Stadt hat sicherlich viel mit der Rathausspitze zu tun, aber auch mit der Tatsache, dass der Oberbürgermeister in seiner Stadtverwaltung ein gutes Team hat. Dieses erfahrene, verlässliche und kompetente Team sowie dessen Kontakte nach Berlin bleiben ja erhalten.

Welche Erwartungen haben Sie an Nachfolger Matthias Knecht?

Ich hoffe, dass es mit Matthias Knecht genauso zukunftsorientiert, innovativ weitergeht. Dabei geht es neben dem Thema Verkehr auch um bezahlbaren Wohnraum und andere Infrastrukturthemen. Natürlich hat er keine klare bürgerliche Mehrheit mehr im Gemeinderat, deshalb wird es durchaus eine Herausforderung werden, Grüne, SPD bis hin zur CDU alle als Unterstützer bei der Stange zu halten. Das wird nur gelingen, wenn er versucht, auszugleichen und nicht mit Lagerdenken in die Diskussion zu gehen, sondern ergebnisorientiert. Wenn er auch die Stadtverwaltung weiterhin in seiner Arbeit mitnimmt, dann wird er die anstehende Aufgabe gut hinkriegen.

In ein paar Monaten wird ein neuer Landrat gewählt. Wie wichtig wird es sein, dass der neue Landrat und der OB mit einer Stimme sprechen.

Da ich nicht nur Bundestagsabgeordneter für die Stadt Ludwigsburg bin, sondern auch für fünfzehn weitere Gemeinden, merke ich immer wieder, dass es unter den Gemeinden gewisse Missstimmungen gibt. Die große Stadt darf nicht alles dominieren, sie muss auch an die Nachbarn denken. Hier müssen Landrat und Oberbürgermeister wieder zusammenführen und mehr Gemeinschaftssinn stiften, indem man rechtzeitig miteinander die anstehenden Dinge bespricht und gemeinsam versucht, Lösungen zu finden.

Wie zufrieden sind Sie als Parlamentarischer Staatssekretär für Verkehr und digitale Infrastruktur bezüglich der Zusammenarbeit mit Ludwigsburg?

Mit Ludwigsburg kann man sehr gut an Zukunftslösungen arbeiten. Wir gehörten hier einst zu den fünfzehn am meisten durch Luftreinhalteprobleme belasteten Städten Deutschlands. Ludwigsburg hat dann wirklich alle möglichen Maßnahmen ergriffen, um das in den Griff zu bekommen. Mittlerweile liegt die Stadt mit dem Stickoxidwert unter der kritischen Grenze von 50 Mikrogramm. Das läuft leider nicht in allen belasteten Städten so. Ludwigsburg hat dagegen bei der Problemlösung bisher keine noch so große Hürde gescheut.

Wie erklären Sie sich dieses Engagement?

Die Stadt identifiziert frühzeitig wichtige Themen und weiß auch, wo es ideelle und materielle Förderung gibt. Ludwigsburg ist regelmäßig Gast bei uns im Ministerium, wenn Förderbescheide übergeben werden. Beispielsweise soll hier bald ein Modellprojekt zum neuen Mobilfunkstandard 5G entwickelt werden. Ein anderes, bereits umgesetztes Beispiel dafür ist die frühzeitige Digitalisierung im Verkehr, die es in einem ersten Schritt bei einem Feuerwehreinsatz möglich macht, durch eine intelligente Vernetzung der Ampelanlagen alle Ampeln für den Einsatzweg auf Grün zu schalten, um einen ungehinderten und vor allem schnellen Einsatz zu gewährleisten.

Aber auch die Klassiker wie der Schleusenausbau auf dem Neckar zur Entlastung des Güterverkehrs auf der Straße müssen jetzt konsequent angegangen werden, ebenso der Straßenausbau wie der heiß diskutierte Nord-Ost-Ring. Das ist natürlich mit viel Emotionalität bei den Menschen verbunden, weil jede bauliche Maßnahme mit Belastungen einhergeht. Gerade beim Nord-Ost-Ring ist es jetzt richtig und wichtig, dass alle Beteiligten in einen Dialogprozess eintreten, um Lösungen auszuarbeiten, die die Menschen akzeptieren können. Der Nord-Ost-Ring ist das wirtschaftlichste Projekt im ganzen Bundesverkehrswegeplan bei den Bundesstraßen, was bedeutet, dass man viel Geld investieren kann, um wirklich intelligente sowie zufriedenstellende Lösungen zu finden.

Als Politiker sind Sie viel unterwegs. Welchen persönlichen Beitrag leisten Sie zum Thema Verkehrsberuhigung und Umweltschutz?

Schon immer versuche ich möglichst umweltfreundlich unterwegs zu sein. Wenn möglich fahre ich Bus und Bahn, ich bin aufgrund meiner vielen Termine aber auch oft mit dem Auto unterwegs. Und ich stehe dazu, dass ich die Strecke Stuttgart-Berlin fast immer fliege. Am Ende einer Sitzungswoche komme ich erst freitagnachmittags in Berlin los. Wenn ich dann noch meine Kinder sehe und einen Wahlkreistermin wahrnehmen möchte, muss ich mit dem Flugzeug die schnellere Möglichkeit nutzen.

Kommen wir zu einem anderen Thema. Als Landeschef der Jungen Union haben Sie sich früher mit den Parteifreunden in Berlin angelegt und selbst vor der Kanzlerin mit Kritik nicht haltgemacht. Wie ist ihr Verhältnis heute zu Angela Merkel?

Ich habe ein gutes Verhältnis zur Kanzlerin. Damals habe ich wohl unterschätzt, dass alles, was ich als JU-Vorsitzender im Ländle gesagt habe, sehr wohl bis nach Berlin gedrungen ist. Als ich in den Bundestag eingezogen bin, war es dann schon so, dass ich gelegentlich zu klärenden Gesprächen vom Generalsekretär Hermann Gröhe einbestellt wurde. Mit ihm verstehe ich mich inzwischen super. Und Angela Merkel hat mir anscheinend meine Kritik nicht krumm genommen, denn sie hat ja entschieden, dass ich Staatssekretär werde. Was nicht bedeutet, dass ich heute schweige. Im persönlichen Gespräch oder in kleiner Runde sage ich ihr weiterhin, wenn ich anderer Meinung bin, ohne dass sie mir das übel nimmt.

Was schätzen Sie an der Kanzlerin?

Auch wenn ich nicht immer mit allem zufrieden war, macht Angela Merkel ihren Job über diesen langen Zeitraum ganz hervorragend und mit wenigen Fehlern im täglichen Geschäft. Bedenken Sie, wie viele Journalisten gerade in Berlin jeden Halbsatz sezieren, um eine Schlagzeile daraus zu entwickeln. Annegret Kramp-Karrenbauer macht damit gerade so ihre Erfahrungen. Aber Angela Merkel übt ihr Amt nahezu fehlerfrei, ruhig und besonnen aus. Das ist bemerkenswert. Ich mag ihren trockenen Humor und bin verblüfft, wie interessiert und gut informiert sie trotz ihren hohen Arbeitspensums bei Zukunftsthemen wie Digitalisierung ist. Sie kann mit jedem Digitalexperten in Deutschland auf höchstem Niveau diskutieren. Bei ihr kann man sich zudem darauf verlassen, dass sie integer ist und nicht nach ihrer Karriere zu russischen Gas-Konzernen wechseln wird. Geld ist für sie keine Motivation.

Wer passt einmal aus der CDU in Merkels große Fußstapfen?

Als Angela Merkel Parteichefin und Kanzlerin wurde, haben ihr wohl die wenigsten Menschen zugetraut, so lang und so erfolgreich auch auf internationaler Ebene die Herausforderung zu bewältigen. Sie hat sich in der langen Zeit entwickeln können. Wir müssen uns davon lösen, die Nachfolgerin oder den Nachfolger an der Amtsinhaberin zu messen.

Wer also wäre für die Merkel-Nachfolge geeignet?

Wir haben als CDU mit der Wahl zur neuen Parteivorsitzenden eine Entscheidung getroffen. Annegret Kramp-Karrenbauer ist nicht zu unterschätzen. Sie hat sich knapp, aber aus guten Gründen in dem Dreikampf mit Friedrich Merz und Jens Spahn durchgesetzt. Sie ist in der CDU als erfolgreiche Ministerpräsidentin sehr anerkannt. Es sind zwar in den letzten Wochen ein paar Dinge unglücklich gelaufen, aber sie kann noch lernen, zumal sie erst vor kurzem aus der Landes- in die Bundespolitik gewechselt ist.

Gibt es noch andere Kandidaten?

Friedrich Merz, der einen ganz anderen Politikstil mitbringt und sehr erfahren ist, hat auch ohne bedeutendes Amt eine wichtige Rolle in der CDU. Er bringt sich jetzt aktiv in die Wahlkämpfe ein. Und mit Jens Spahn bin ich schon seit einigen Jahren befreundet. Ich finde, er macht seinen Job als Gesundheitsminister sehr gut, hat in kürzester Zeit schon fast den ganzen Koalitionsvertrag in seinem Zuständigkeitsbereich abgearbeitet. Damit gehört er zu den erfolgreichsten Ministern in der Regierung. Auch mit ihm wird in der Zukunft zu rechnen sein. Alle drei haben durchaus die Fähigkeit, in die Fußstapfen der Kanzlerin reinwachsen zu können.

Sie sind noch jung für einen erfolgreichen Politiker. Könnte einer der kommenden Kanzler Steffen Bilger heißen?

(lacht) In der Politik kann man eine Karriere weder planen noch selbst beeinflussen. Hätte mein Vorgänger im Wahlkreis Matthias Wissmann nicht eines Tages entschieden aus der Politik auszusteigen, wäre ich vielleicht heute noch in dem Unternehmen, in dem ich zuvor beschäftigt war. Ich versuche, meine Arbeit gut zu machen. Bisher hat es geklappt, so dass sich für mich mehr Möglichkeiten ergeben haben. Wir werden sehen, was noch passiert.

Die SPD steckt in der größten Krise ihrer Geschichte. Zerreißt das Theater um den neuen Vorsitzenden die Partei?

Um die Sozialdemokraten mache ich mir ernsthaft Sorgen, denn wir brauchen eine Partei wie die SPD. Sie gehört zu den ältesten Parteien in Europa und hat viel geleistet in der Geschichte der Bundesrepublik. Man steht wirklich fassungslos davor, was da gerade abgeht. Eine Zeitung schrieb, dass die CDU nach dem Rückzug Merkels vom Parteivorsitz am nächsten Tag drei Bewerber hatte, die um den Posten kämpften. Die SPD dagegen hatte innerhalb eines Tages fünf potentielle Kandidaten, die sagten, dass sie es nicht machen wollen. Und jetzt hat sie sich für einen nicht nachvollziehbaren Prozess der Selbstzerfleischung entschieden, um endlich zu einem neuen Bundesvorsitzenden zu kommen.

Wird die GroKo in Berlin halten?

Der SPD hilft es keinesfalls, die Große Koalition ständig schlechtzureden. Sie ist wesentlich besser als ihr Image derzeit. Aber wir sind daran selber schuld, weil wir nur den Streit pflegen und nicht über die Leistungen reden, die leider keiner mitbekommt. In der SPD herrscht die nackte Angst, weshalb es keine rationalen Entscheidungen mehr gibt. Wir werben nicht um den Verbleib der SPD in der Koalition, sondern machen unsere Arbeit und lassen die SPD ihre eigenen Entscheidungen treffen. Lässt sie die Koalition platzen, wird sie dafür von den Wählern die Quittung bekommen.

Gehen Sie von Neuwahlen aus, falls die GroKo platzt?

Die Wahrscheinlichkeit, dass die SPD die Koalition verlässt, ist auf jeden Fall gegeben, um nicht zu sagen relativ hoch. Eine Minderheitsregierung klingt relativ attraktiv, aber ich bezweifele, dass wir damit Deutschland durch die Herausforderungen der nächsten Jahre führen können. Jamaika halte ich für unwahrscheinlich, das hat die FDP verbockt. Außerdem werden die GRÜNEN nicht für acht Prozent in eine Koalition eintreten, wenn sie in Umfragen derzeit bei 25 Prozent liegen. Also für mich ist klar, dass es dann recht schnell Neuwahlen geben wird.

Wie schätzen Sie bei Neuwahlen die Chancen der CDU ein?

Ich denke, wir haben alle Chancen, wieder stärkste Fraktion zu werden und eine Regierung zu bilden. Auch gehe ich davon aus, dass die GRÜNEN im nächsten Wahlkampf deutlich entzaubert werden können, denn laut einer Allensbach-Analyse haben die GRÜNEN ihre Hochzeiten immer nur zwischen den Bundestagswahlen, weil sie dann sowohl von den Journalisten wohlwollend begleitet werden, als auch von den anderen Parteien – die CDU selbstkritisch eingeschlossen -nicht wirklich angegriffen werden.

Am 1. September wählt Sachsen. Die AFD liegt mit 24 Prozent nur sechs Prozent hinter der CDU. Laut Umfragen ist derzeit nur ein Bündnis aus CDU, SPD und Grünen möglich. Oder eines aus CDU und AFD…

Ein Bündnis mit der AFD hat Ministerpräsident Michael Kretschmer ganz klar ausgeschlossen. Über diese klare, konsequente Linie bin ich sehr froh. Sie führt auch dazu, dass die CDU in den Umfragen wieder zulegt. Im Bundestag erlebe ich die AFD als eine Partei, in der es viele hasserfüllte Menschen gibt, die eine ganz andere Republik wollen, welche mit dem Werteverständnis meiner Partei rein gar nichts zu tun hat. Die AFD ist für die CDU ein Gegner, zu dem eine deutliche Abgrenzung aus inhaltlichen Gründen dringend geboten ist.

Warum macht Ihnen Politik Spaß?

Zugegeben, sie hat schon mal mehr Spaß gemacht als derzeit. Aber ich setze mich gerne für andere Menschen ein. Und es gefällt mir, etwas bewegen und verändern zu können, damit auch meine Kinder eine schöne Zukunft haben. In der Politik braucht man jedoch einen langen Atem. Erst nach ein paar Jahren im Deutschen Bundestag habe ich an das eine oder andere Projekt einen Haken machen können. Aber ich habe dabei gelernt, dass es sich tatsächlich lohnt, fünf Jahre oder länger überzeugt an einem Thema dranzubleiben.

Herr Bilger, wir danken Ihnen für das ausführliche Gespräch.

 

Das Interview führten Chefredakteurin Patricia Leßnerkraus und Geschäftsführer Ayhan Günes.

Sein letztes Interview: Ludwigsburg24 trifft Wolfgang Dietrich

Am kommenden Sonntag um 13 Uhr findet in der Mercedes-Benz Arena in Stuttgart die Mitgliederversammlung des Vereins mit dem Brustring statt. Ludwigsburg24 hat sich davor mit VfB-Präsident Wolfgang Dietrich getroffen und ihm Fragen gestellt: Über seine Fehler, die Personalie Michael Reschke, Mobbing in den sozialen Netzwerken und der Parallele zwischen Stuttgart21 und dem VfB 

 

Ludwigsburg24: Unternehmer, später Stuttgart21, dann Präsident beim VfB Stuttgart. Es gibt einfachere Jobs auf dieser Welt. Mögen Sie schwierige Jobs?

Fangen wir mit dem Thema Stuttgart 21 an: Hätte ich vorher gewusst, dass, eine Woche nachdem ich angefangen hatte, die Lage dermaßen eskaliert, dass sich Menschen verletzen, hätte ich das sicher nicht gemacht. Es war eine Dimension, die nicht vorhersehbar war.

 

Wie beim VfB Stuttgart?

Da war mir schon klar, dass die Emotionalität sehr groß ist. Viel, viel größer als irgendwo anders. Was mich aber in den vergangenen Jahren überrascht hat, war die Geschwindigkeit, in der sich im Profifußball die Stimmung drehen kann. Sowohl ins Positive als auch ins Negative. Das war mir vorher so nicht bewusst.

 

Wie meinen Sie das?

Ich bin seit 46 Jahren Mitglied beim VfB Stuttgart und habe gefühlt mehr Tiefen als Höhen erlebt. Ich habe miterlebt, wie immer wieder in den Stadien Namen skandiert wurden, deren Weggang gewünscht wurde. Aber dass das so krass persönlich werden kann, das war mir dann schon neu.

 

Kritik gehört eben zum Job dazu.

Ja, natürlich, aber bitte nicht aus der Anonymität heraus. Kritik muss sein, aber manchmal ist es eben die Art und Weise, wie Kritik geäußert wird. Dieses Extreme hatte ich so nicht erwartet. Ich hatte auf einen größeren Zusammenhalt gehofft.

 

Herr Dietrich, fühlen Sie sich bedroht?

Wenn in den sozialen Medien geschrieben wird, „Betoniert ihn ein“, „Belagert sein Haus“, `Dietrich tieferlegen` oder wenn meine Familie beleidigt wird, sind das Dinge, die einem schon nahe gehen. Da frage ich mich manchmal schon: Was mache ich da eigentlich? Auf der anderen Seite ist die geäußerte Kritik aber überwiegend sachlich.

 

Ist der VfB die größte Herausforderung Ihres Lebens?

Ich habe in meinem Leben schon einiges erlebt. Aber als Unternehmer hatte ich immer selbst das `Heft des Handelns‘ in der Hand. Beim VfB ist es so, dass man als Präsident oder Aufsichtsratsvorsitzender oft keinen unmittelbaren Einfluss hat. Der Job ist dazu da, die wirtschaftlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen, damit im Sport möglichst erfolgreich gearbeitet werden kann. Darüber hinaus versucht man natürlich den sportlichen Bereich zu unterstützen. Neu ist für mich, für Ergebnisse verantwortlich gemacht zu werden, auf die ich nur einen sehr begrenzten Einfluss habe. Denn ob ein Trainer im entscheidenden Moment richtig funktioniert oder ein Spieler beim Freistoß im Abseits steht, können wir nicht steuern. Da sitzt man wie alle anderen auch machtlos im Stadion und freut sich oder leidet.

 

Welchen Fehler würden Sie gerne wiedergutmachen?

Wolfgang Dietrich und sein damaliger Manager Michael Reschke. Foto: Herbert Rudel

Das kann ich Ihnen sagen: Die Personalentscheidungen rund um Michael Reschke. Uns war klar, dass einer allein den Job Sportvorstand eigentlich nicht machen kann. Kaderplanung und Klubführung sind heutzutage zwei so unterschiedliche Rollen, dass das ein Mensch gar nicht alles allein abdecken kann. Wir haben auch mit ihm klar besprochen, dass wir eine Doppelspitze brauchen – mit ihm als Vorstand und Kaderplaner sowie einem Sportdirektor. Wir hatten sogar Einigung mit jemanden erzielt, aber derjenige hat zweimal zurückgezogen. Dass diese Position trotzdem schnellstmöglich besetzt wird, darauf hätte ich massiver drängen sollen.

 

Wo soll die Reise des VfB nach dem bitteren Abstieg nun hinführen?

Klar ist, dass wir ein verlorenes Jahr hinter uns haben. Den sportlichen Bereich haben wir bereits komplett umgebaut. Und wenn wir weiter die richtigen Schlüsse ziehen und die Fehler korrigieren, ist es vielleicht doch kein komplett verlorenes Jahr gewesen. Maßgeblich wird sein, dass wir uns im Jugendbereich weiter so konsequent entwickeln, wie wir das vor zwei Jahren begonnen haben. Über allem steht aber, dass wir wieder aufsteigen, sportlich Nachhaltigkeit bewerkstelligen, alle anderen Bereiche stabil bleiben und der VfB Stuttgart seinen großartigen Fans wieder mehr Freude macht als zuletzt.

 

Mit Wolfgang Dietrich sprach Ludwigsburg24-Herausgeber Ayhan Günes

 

 

Kornwestheim ist eine echte Vorzeige-Stadt!“ – Ludwigsburg24 im Gespräch mit OB Ursula Keck

Seit 2007 hat die parteilose Ursula Keck den Posten der Oberbürgermeisterin von Kornwestheim inne. Im Interview sprach sie über die Entwicklung der Stadt, ihre Nähe zu den Bürgern und die soziale Lage in Kornwestheim.

 

Frau Keck, seit 12 Jahren sind Sie Oberbürgermeisterin von Kornwestheim. Bitte eine kurze Selbsteinschätzung: Welche Dinge in Ihrer Amtszeit sind Ihnen gut gelungen?

Als ich im Jahr 2007 meinen Dienst angetreten habe, war es ein großer Wunsch von mir, dass die Bürgerschaft, der Gemeinderat und die Institutionen gut zusammenarbeiten. Diesen Wunsch habe ich in Form eines Hefezopfes mit drei Strängen visualisiert. Ich glaube, die Umsetzung ist mir gut gelungen

 

Aber es gibt doch sicherlich auch Dinge, die nicht so gelaufen sind, wie Sie sich das vorgestellt haben?

So etwas gibt es natürlich immer (lacht). Zum Beispiel, wenn ich von Kornwestheim nach Stuttgart fahre. Da gibt es eine Ampel und jedes Mal, wenn ich dort stehe, denke ich, dass ein Kreisverkehr an dieser Stelle viel besser gewesen wäre.

 

Sie haben gerade die Bürgerschaft von Kornwestheim angesprochen. Wie wichtig ist Ihnen die Nähe zu den Bürgern?

Bürgernähe ist mir sehr wichtig. Ich gehe zum Beispiel fast jeden Morgen ins Rathaus, kaufe hier regelmäßig ein, gehe hier zum Arzt und besuche privat viele Lokalitäten in der Stadt. Ich genieße es hier zu leben, zu arbeiten und all das in Anspruch zu nehmen, was Kornwestheim zu bieten hat.

 

War Oberbürgermeisterin zu sein, schon immer so etwas wie ein Traumberuf?

Nein, auf keinen Fall. Als ich im Jahr 1986 meine Ausbildung zur Diplom-Verwaltungsbeamtin abgeschlossen habe, gab es in Deutschland noch keine Bürgermeisterin oder Oberbürgermeisterin. Deshalb konnte das gar nicht mein Lebensziel sein. Die erste Oberbürgermeisterin war Beate Weber im Jahr 1996 in Heidelberg, mittlerweile sind sechs Prozent aller Bürgermeister in Baden-Württemberg weiblich. Meine berufliche Laufbahn hat sich bis zu meiner Kandidatur im Jahr 2007 kontinuierlich entwickelt. Hätte mir jemand vor 20 Jahren prophezeit, dass ich einmal eine Oberbürgermeisterin sein würde, dann hätte ich das bestimmt nicht geglaubt (lacht).

 

Und warum gerade in Kornwestheim? Was fasziniert Sie an der Stadt?

Ich habe früher in Stuttgart-Mühlhausen gewohnt, also in der unmittelbaren Nachbarschaft, von daher war ich öfters Mal als Besucherin in Kornwestheim. Für mich hat die Stadt einen großen Charme. Sie ist sehr kompakt, dazu eng vernetzt und eine Stadt der kurzen Wege. Ich finde, Kornwestheim kann sich als Vorzeige-Stadt in der Region betiteln. Sie ist wirtschaftlich gut aufgestellt und hat alle Kindertages- und Bildungseinrichtungen, die für Familien wichtig sind.

 

Kommen wir von der Stadt zur Region. Wie ist da Ihre regionale Sicht?

Ich bin selbst ein Kind der Region Stuttgart und bewege mich hier seit Geburt, mit Ausnahme einer kurzen Zeit in Dresden. Von daher kenne ich die Region sowohl aus ländlicher, wie auch aus städtischer Sicht. Ich finde, dass sie ein Wirtschaftszentrum im süddeutschen Raum ist. Mir ist es wichtig, dass wir eine regionale Identität entwickeln, dass wir uns als Region definieren, gute Beziehungen zu anderen Städten pflegen und uns stärken und stützen. Kurz gesagt, die Lebensqualität hier ist sehr hoch.

 

Wie ist die Beziehung der Städte Ludwigsburg und Kornwestheim zueinander?

Die ist sehr gut. Die beiden Städte haben viele Berührungspunkte, zum Beispiel die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim. Dadurch gibt es sehr viele Themen, die beide Städte verbinden.

 

Wie hat sich in Ihrer Amtszeit und unter Ihrer Regie das Thema sozialer Wohnungsbau entwickelt?

Der soziale Wohnungsbau ist kein neues Thema, das unsere Gesellschaft beschäftigt. Es begleitet uns schon seit Jahrzehnten. Sehr viele Kommunen haben ihren Wohnungsbestand verkauft oder privatisiert – Kornwestheim ging da einen zukunftsorientierteren Weg. Die Stadt hat schon seit jeher einen eigenen, relativ hohen Wohnungsbestand und hat vor 29 Jahren die Städtische Wohnbau gegründet. Diese hat schon immer sozialen Wohnungsbau betrieben und eigene Bauprojekte als Bauträger realisiert. Das Ziel der Bauträgerprojekte ist, den Gewinn in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. Für mich persönlich ist die Wohnraumversorgung die wichtigste Grundlage unseres sozialen Friedens. Deshalb macht es uns Sorgen, dass unsere Gesellschaft dieses Thema immer wieder entzweit.

 

Auch das Thema Ganztageskinderbetreuung wird hier in der Region kontrovers diskutiert. Welchen Ansatz verfolgt die Stadt Kornwestheim in diesem Bereich?

Wir müssen den Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren erfüllen, flexible Betreuungsangebote bieten und eine möglichst hohe Trägervielfalt bieten. Das bedeutet, dass sowohl die Stadt selbst Kindergartenträger ist, aber auch andere Einrichtungen der Kirchen oder anderer freier Träger unterstützt.

 

In den letzten Jahren sind immer mehr Familien mit Kindern nach Kornwestheim gezogen. Deshalb fiel vor einigen Jahren auch die Entscheidung des Gemeinderats an der Ravensburger Kinderwelt bis 2019 festzuhalten. War die Entscheidung rückblickend richtig? Immerhin belaufen sich die Subventionen dafür auf rund 700.000 Euro im Jahr. Dazu kamen im 2018 noch 180.000 Euro Umbaukosten.

Diese Immobilie, in der sich heute die Ravensburger Kinderwelt befindet, stand ursprünglich leer. Ein Investor wollte damals eine 1.200 qm große Spielhalle in dem Gebäude errichten. Wir standen vor der Wahl, dort etwas zu eröffnen, was das städtische Leben bereichert oder eben der Spielhalle zuzustimmen. Deshalb war es die richtige Entscheidung, mit allen finanziellen Folgekosten, die Ravensburger Kinderwelt dort unterzubringen.

 

Wie geht es ab nächstes Jahr mit der Ravensburger Kinderwelt weiter?

Für mich ist die Kinderwelt ein Magnet in der Region Stuttgart. Der Gemeinderat muss im Rahmen der Haushaltsplanberatungen entscheiden, ob die Einrichtung weitergeführt wird.

 

Kornwestheim hat nicht nur einen hohen Kinderanteil, es gibt hier auch sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund. Welche Maßnahmen wurden bzw. werden seitens der Stadt getroffen, um die Einbindung dieser Menschen hier zu verbessern?

Um diese Frage zu beantworten, würde ich gerne in die 1960er Jahre zurückgehen, denn Kornwestheim ist seit dieser Zeit eine wahre Vorzeigestadt, was das Thema Integration betrifft. Ich bin davon überzeugt, dass sich unsere Stadt dadurch auszeichnet, dass sie sehr früh eine aktive Integrationsarbeit betrieben hat. Sie hat die Gastarbeiter in den 1960er und 70er Jahren sehr erfolgreich in ihr Gemeinwesen integriert. Sozialwissenschaftler haben uns bestätigt, dass der Garant für diese Einbindung unser vielfältiges Vereinsleben ist. Hier gibt es ausländische Vereine, die bei uns ihre Kultur pflegen, aber auch in guten Kontakten zu anderen Vereinen und Organisationen stehen, um so ein möglichst breites kulturelles Miteinander zu gewährleisten. Darauf bin ich persönlich sehr stolz.

 

Ihre offizielle Amtszeit als Oberbürgermeisterin von Kornwestheim geht noch bis zum 2023. Wäre eine weitere Amtszeit danach für Sie denkbar?

Aber selbstverständlich (lacht). Bis dahin ist aber noch etwas Zeit. Jetzt konzentriere ich mich voll und ganz auf meine Arbeit, die mir sehr großen Spaß bereitet.

 

Das Interview wurde geführt von Bodo Mönk

 

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