Ob man flott ausschreitet oder langsam dahinkriecht, ist nicht nur eine Frage der Umstände und persönlichen Vorlieben. Denn Langzeitstudien zeigen: Das Lauftempo lässt auf die Fitness schließen – und auf die verbleibenden Lebensjahre.
Dabei gilt ein simpler Grundsatz: Wer schneller geht, bleibt länger fit – und er lebt auch länger. So analysierte ein Team um Stephanie Studenski, heute Direktorin am National Institute on Aging in den USA, die Laufdaten von mehr als 34.000 Menschen ab 65 Jahren. Je flotter sie sich verglichen mit Gleichaltrigen fortbewegten, desto größer waren ihre Chancen auf ein langes Leben.
Ab 75 war der Zusammenhang besonders deutlich: Von den langsamsten Männern lebten zehn Jahre später nur noch 19 Prozent, von den schnellsten dagegen noch 87 Prozent. Bei den Frauen waren es 35 zu 91 Prozent.
Doch wie schnell läuft ein Mensch normalerweise? Und wann darf man sich zu den Schnelleren zählen? “Das hängt natürlich von Geschlecht und Alter ab”, sagt der Psychologe Christian Müller vom TÜV Nord. Am zügigsten gehen Männer mit Mitte 40. Sie kommen im Schnitt auf 1,4 Meter pro Sekunde. Gleichaltrige Frauen sind im Mittel rund 0,1 Meter pro Sekunde langsamer. Ab der Lebensmitte nimmt die Geschwindigkeit ab. Als Mittsiebziger laufen Männer nur noch durchschnittlich 1,2 und Frauen 1,1 Meter pro Sekunde.
Beim Gehen und Laufen beanspruchen wir Lunge, Herz, Kreislauf, Nervensystem und Bewegungsapparat, so Studenski und ihr Team. Schwächelt eines dieser Systeme, geht es oft auch mit dem Lauftempo bergab. “Kein Wunder also, dass die Gehgeschwindigkeit die weitere Lebensdauer ebenso gut voraussagt wie chronische Krankheiten, Klinikaufenthalte, Tabakkonsum und Blutdruck zusammen”, so der TÜV Nord.
Dazu kommt noch: Ein schneller Schritt lässt nicht nur auf die körperliche, sondern auch auf die geistige Fitness schließen. Das ist eines der Ergebnisse der neuseeländischen Dunedin Longitudinal Study, einer der berühmtesten Langzeitstudien der Welt mit rund 900 Probandinnen und Probanden. Die Langsameren auf dem Laufband waren schon stärker gealtert, sahen älter aus, hatten schlechtere Blutwerte und schnitten in auch Intelligenztests schlechter ab. Die langsamste Versuchsperson erreichte 16 IQ-Punkte weniger als die schnellste.
16 IQ-Punkte – “das ist die Hälfte von dem, was eine Hochbegabung von einem Durchschnitts-IQ unterscheidet”, erklärt der Psychologe Christian Müller. Aus Langzeitstudien in Schweden, Italien und den Niederlanden könne man sogar schließen, dass ein gemächlicher Schritt ein frühes Warnsignal für geistigen Verfall im Alter sein kann.
“Warum Lauftempo und Fitness zusammenhängen, ist längst nicht geklärt”, lautet Müllers Fazit. Nur eines sei klar: “Ein flotter Schritt ist ein Indiz für körperliche und geistige Fitness.”
Rudolf Huber / glp