Debatte um Vier-Tage-Woche geht weiter

Vertreter von Union und FDP haben den Vorschlag von SPD-Chefin Saskia Esken für eine Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich kritisiert. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Hermann Gröhe (CDU), warnte, dies werde Deutschlands Wirtschaft schaden. “In Zeiten von Fachkräftemangel die Arbeitszeit zu verkürzen und die Arbeit zu verteuern, würde der Wettbewerbsfähigkeit einen Bärendienst erweisen”, sagte Gröhe dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel (Ausgabe vom Sonntag): “Auf dem Weg wirtschaftlicher Vernunft zeigt sich die SPD-Chefin einmal mehr als Geisterfahrerin.”

Der der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, sagte der Zeitung, angesichts des in vielen Branchen massiven Fachkräftebedarfs sei Eskens Vorschlag “wenig verständlich”. Die Vermutung, es würde generell bei geltender Viertagewoche produktiver gearbeitet, sei nicht richtig, weil viele Tätigkeiten, gerade im Care-Bereich, Polizei oder der medizinischen Versorgung, eine Präsenz des Arbeitnehmers erforderten. “Wo eine Viertagewoche doch vereinbart werden kann, können dies Arbeitnehmer und Arbeitgeber selbst miteinander vereinbaren, ohne auf Ratschläge aus der Politik zurückgreifen zu müssen”, meinte der FDP-Politiker.

red

Bahn-Chaos in Baden-Württemberg: Investitionsmangel von über 8 Milliarden Euro

Stuttgart – Bei der Deutschen Bahn (DB) in Baden-Württemberg klafft eine Investitionslücke von mehr als acht Milliarden Euro. Das geht aus einer Antwort von Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer (FDP) auf eine Anfrage der Mannheimer Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut (Die Linke) hervor, über die der “Mannheimer Morgen” (Samstagausgabe) berichtet. Demnach fehlen für Brücken 2,6 Milliarden Euro, für Gleise 1,3 Milliarden, für Weichen 0,3 Milliarden und für Stellwerke 0,6 Milliarden Euro.

Weitere 2,5 Milliarden entfallen auf “sonstige Gewerke” der Infrastruktursparte DB Netz und 0,9 Milliarden Euro auf Bahnhöfe. “Auch in Baden-Württemberg fährt die Bahn auf Verschleiß. Die Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage offenbart einen Milliarden-Sanierungsrückstand”, kritisiert Gökay Akbulut.

“So kann die Verkehrswende nicht gelingen.” Wie der FDP-Politiker Theurer, der auch Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr ist, unter Berufung auf die Bahn erläutert, sollen bis 2027 im Land rund 15 Milliarden Euro investiert werden.

red

Verbraucherpreise steigen im April um 7,2 Prozent

Der starke Anstieg der Verbraucherpreise in Deutschland hat sich im April wie erwartet leicht abgeschwächt. Die Inflationsrate wird voraussichtlich 7,2 Prozent betragen, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. Im März hatte die Teuerung noch bei 7,4 Prozent gelegen.

Innerhalb eines Monats stiegen die Preise in Deutschland aber weiter, von März bis April um 0,4 Prozent. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine sind insbesondere die Preise für Energie und Nahrungsmittel merklich angestiegen und haben die Inflationsrate erheblich beeinflusst. Im April 2023 stiegen die Preise für Nahrungsmittel im Vergleich zum Vorjahresmonat mit +17,2 Prozent weiterhin überdurchschnittlich.

Der Anstieg der Energiepreise lag im April 2023 mit +6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, wie schon im März 2023 mit +3,5 Prozent, erneut unterhalb der Veränderungsrate des Gesamtindex. Gegenüber dem hohen Indexstand im April 2022 liegt ein Basiseffekt vor, nachdem im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine die Energiepreise stark gestiegen waren. Daneben trügen auch die Maßnahmen des dritten “Entlastungspakets” der Bundesregierung, die im Verbraucherpreisindex abgebildet werden, zur aktuellen Abschwächung der Energiepreisentwicklung bei, so die Statistiker.

red

EVG droht mit längeren und heftigeren Streiks bei der Bahn: “Wochenlang lahmlegen”

Die Eisenbahngewerkschaft EVG droht mit neuen, noch heftigeren Arbeitsniederlegungen bei der Bahn. “Die nächsten Streiks werden länger dauern”, sagte Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay der “Süddeutschen Zeitung” (Freitagausgabe). Die EVG könne die Bahn wenn nötig “wochenlang lahmlegen”.

Die Gewerkschaft wirft den Arbeitgebern vor, ein akzeptables Lohnangebot zu verweigern: “Es ist die Bahn, die die neuen Streiks provoziert.” Die Bahnreisenden müssen sich damit auf stärkere Zugausfälle als bisher einstellen. Denkbar sei, dass die Gewerkschaft nacheinander unterschiedliche Berufsgruppen im Wechsel zum Streik aufrufe, etwa Zugbegleiter und Instandhalter, oder unterschiedliche regionale Schwerpunkte setze.

Die EVG befindet sich in einem heftigen Tarifkonflikt mit der Bahn und weiteren Zugunternehmen. Für 230.000 Beschäftigte fordert sie 12 Prozent mehr Lohn beziehungsweise einen Mindestbetrag von monatlich 650 Euro brutto mehr. Die Verhandlungen kamen bisher kaum voran, sodass die EVG bereits vergangenen Freitag und Ende März den Bahnverkehr nahezu deutschlandweit für viele Stunden lahmgelegt hat.

Am Mittwoch scheiterte die dritte Verhandlungsrunde. Die Schuld an den Streiks geben Ingenschay und ihr Co-Verhandlungsführer Kristian Loroch dem Management der Deutschen Bahn. “Das Problem ist, dass die Bahn unsere Vorbedingungen ignoriert.”

So müsse die Bahn vorab zustimmen, den gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro im Tarifvertrag festzuschreiben. Bahn-Personalvorstand Martin Seiler hatte die EVG aufgefordert, keine Vorbedingungen zu stellen, sondern derlei Fragen mit ihm am Verhandlungstisch zu lösen. Er bietet etwa für Mittel- und Geringverdiener zehn Prozent mehr Lohn plus knapp 3.000 Euro Inflationsprämie bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von 27 Monaten an.

Das Angebot entspricht in etwa den Lohnabschlüssen, welche die Großgewerkschaften IG Metall und Verdi für die knapp vier Millionen Metaller und die 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst herausgeholt haben. Für die EVG ist es dennoch “keine Basis”, wie Verhandlungsführer Loroch sagte. “Die erste dauerhafte Lohnerhöhung käme erst nach einem Jahr und läge für Mittelverdiener erstmal nur bei 150 Euro. Wir fordern monatlich mindestens 650 Euro mehr.” Die Gewerkschafter argumentieren, das Lohnplus bei den Bahn-Beschäftigten müsse besonders kräftig sein, da viele Niedrigverdiener unter der hohen Inflation litten. Außerdem habe sich die EVG in der Corona-Pandemie, als die Züge leer waren, mit einem Lohnabschluss von 1,5 Prozent zurückgehalten.

Mit Blick auf die Gehälter von Bahn-Vorstandschef Richard Lutz und Personalvorstand Martin Seiler, die 2022 auf 2,2 Millionen Euro sowie 1,4 Millionen Euro verdoppelt worden waren, sagte Loroch: “Vielleicht wäre es angebracht, wenn auch der Bahn-Vorstand mal auf etwas verzichten würde.”

red

Schornsteinfegerverband warnt vor Altersüberprüfung von Hauseigentümern

Der Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks lehnt eine Altersüberprüfung von Hauseigentümern im Rahmen der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes ab. Verbandspräsident Alexis Gula sagte der “Bild” (Freitagausgabe): “Robert Habeck will, dass wir künftig Personalausweise kontrollieren, um das Alter von Hausbesitzern festzustellen. So etwas zerstört das bewährte Vertrauensverhältnis der Schornsteinfeger zu den Menschen.”

Ferner kritisierte Gula: “Wir sind keine Heizungspolizei”. Schornsteinfeger seien dazu da, “das Alter von Heizungen zu überprüfen, nicht von Menschen”. Der Schornsteinfeger-Verband rechnet damit, dass “viele Menschen künftig Angst vor uns haben werden”.

Unter den Menschen herrsche sowieso schon große Verunsicherung. “Eine Kontroll-Maßnahme wie diese wird das weiter verstärken. Unseren Beitrag für die Wärmewende leisten wir gerne, machen uns aber für Technologie-Offenheit stark”, erklärte Gula weiter.

Nach der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) müssen Schornsteinfeger künftig überprüfen, ob Hauseigentümer von einem Heizungsverbot betroffen sind. Über 80-jährige Hausbesitzer sollen von der Pflicht zum Heizungstausch ausgenommen sein.

red

Linkenchef fordert gerechte Löhne: Vorstandsgehälter sollen als Vorbild dienen

Der Parteivorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, hat im Vorfeld des Tages der Arbeit am 1. Mai einen verpflichtenden Mindestlohn gefordert, der sich im Verhältnis 1:20 an den Gehältern von Vorstandschefs deutscher Großkonzerne orientiert. “Während Beschäftigte für höhere Löhne streiken müssen, die gerade einmal die Inflation ausgleichen, werden sich in den Manageretagen fleißig die Taschen vollgestopft, als gäbe es kein Morgen mehr”, sagte Schirdewan zur Begründung dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland” (Freitagausgabe). Als Beispiel nannte der Linkenchef das Einkommen von Bahnchef Richard Lutz, der laut Geschäftsbericht im vergangenen Jahr inklusive Bonuszahlungen rund 2,24 Millionen Euro bekam.

Nach der Forderung von Schirdewan müssten dann alle Bahnangestellten 112.000 im Jahr oder 9.333 Euro im Monat erhalten. Wenn das Unternehmen diese Löhne nicht zahlen könne, müsste das Gehalt des Bestbezahlten heruntergeschraubt werden, erläuterte Schirdewan. Im Falle der Bahn hieße das beispielsweise eine Orientierung am Grundgehalt von Vorstandschef Lutz von fast 970.000 Euro.

Nach Schirdewans 1:20-Modell bekämen dann die Angestellten 48.500 Euro im Jahr. Schirdewan begründete seinen Vorstoß weiterhin damit, dass “die soziale Schere zwischen Superreichen und denen, die nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen” immer weiter auseinandergehe und ergänzte: “Die ungerechte Lohnverteilung gefährdet zunehmend die Demokratie.” Dabei nahm der Linkenchef Bezug auf eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die große Unterschiede bei der Zufriedenheit mit der Demokratie je nach sozialer Lage der Befragten dokumentiert.

Demnach sind ökonomisch schlechter gestellte Menschen und solche mit niedrigeren Bildungsabschlüssen deutlich unzufriedener. So sagen laut Studie 67 Prozent der Angehörigen der “Unter- bzw. Arbeiterschicht”, dass sie mit der Demokratie “weniger bis überhaupt nicht zufrieden” sind, während es in der “Mittel- und Oberschicht” nur 35 Prozent sind. “Die Inflation frisst die Gehälter der Menschen auf, und die Existenzangst steigt an allen Ecken”, kommentierte Schirdewan und forderte, der “Raubzugmentalität in den Unternehmen” dürfe nicht mehr tatenlos zugesehen werden.

“Wenn Manager es nicht selbst schaffen irgendwie noch den Blick für die Realität zu behalten, dann muss der Staat regulierend eingreifen und einen verpflichtenden Mindestlohn durchsetzen, der sich im Verhältnis am Gehalt der Vorstände orientiert”, sagte der Linken-Politiker. Dazu brauche es eine Gesetzesänderung.

SPD-Chef fordert Inflationsausgleichsprämie für Arbeitnehmer: Bis zu 3.000 Euro steuerfrei möglich

Angesichts sinkender Reallöhne in Deutschland appelliert SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil an Arbeitgeber, stärker auf die sogenannte Inflationsausgleichsprämie zu setzen. Die steuerfreie Einmalzahlung von bis zu 3.000 Euro sei “eine gute Möglichkeit, um auch die Arbeitnehmer zu stärken”, sagte er dem Sender RTL. “Was wir sehen, ist: Da, wo es starke Gewerkschaften gibt, da, wo es starke Tarifverträge gibt – da wird von diesen Einmalzahlungen Gebrauch gemacht, jetzt gerade im öffentlichen Dienst”, so der SPD-Politiker weiter. Zudem verwies Klingbeil auf die Tarifautonomie: “Vor allem geht es in diesen Tagen darum, dass wir mehr Tarifabschlüsse bekommen, dass die Mitbestimmung gestärkt wird und dass damit dann auch die Löhne steigen.”

Angesprochen auf die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes sicherte der SPD-Chef umfassende staatliche Hilfen beim Heizungsaustausch zu: “Wenn man sich den Beschluss der Bundesregierung anguckt, dann kann es eine Förderung von bis zu 50 Prozent geben.” Jetzt werde man im Bundestag “noch mal genau hinschauen: An welchen Stellen gibt es Belastungen, wie können die im Zweifelsfall auch aussehen und wo können wir als Parlament noch mal nachbessern bei dem, was die Regierung auf den Weg gebracht hat”, kündigte Klingbeil an.

red

Streit in der Ampelkoalition: Wie viel soll die neue Kindergrundsicherung kosten?

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hat erstmals dargelegt, um welche Punkte sich der Streit der Ampel-Koalitionäre über die Kindergrundsicherung dreht. Man sei sich uneinig über das künftige Existenzminimum von Kindern, die in der Ampel vereinbarte Neuberechnung des Minimums bedeute, dass die staatlichen Leistungen höher ausfallen müssten, sagte Paus der “Süddeutschen Zeitung” (Freitagsausgabe). Die Frage sei, wie hoch.

Man habe im Koalitionsvertrag verankert, dass das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern neu definiert werde. “Das bedeutet im Ergebnis, dass der sogenannte Zusatzbetrag in der neuen Kindergrundsicherung, den ärmere Familien zusätzlich zum heutigen Kindergeld erhalten sollen, höher ausfallen wird”, sagte Paus. Zudem gehe es um die Frage, wie die Erwerbsanreize gestärkt würden.

Bisher ist es so, dass Familien ein Großteil ihres zusätzlich verdienten Geldes bei den Sozialleistungen abgezogen werde, manchmal sogar alles. “Das müssen wir ändern, damit sich Arbeit stärker lohnt. Wir wissen, wie wichtig diese Anreize sind”, sagte Paus.

“Sie zahlen sich langfristig aus, aber zunächst einmal verursachen sie dem Staat Kosten. Auch das ist ein Milliardenbetrag, der bisher strittig ist.” Mit zusätzlichen Kosten in Milliardenhöhe rechnet Paus dadurch, dass mehr Berechtigte die ihnen zustehende Leistung tatsächlich erhalten sollen.

Christian Lindner hatte diese kürzlich mit “zwei bis drei Milliarden Euro” beziffert. Bisher nehmen viele Menschen die Hilfen nicht in Anspruch, weil ihnen die Antragstellung zu kompliziert ist oder sie nichts von der Unterstützungsmöglichkeit wissen. “Meine Experten schätzen die Mehrkosten allein dafür auf bis zu fünf Milliarden Euro”, sagte die Grünenpolitikerin.

“Dazu kommen Anreize für die Arbeitsaufnahme, moderate Leistungsverbesserungen und die Kosten für die Digitalisierung, die sehr anspruchsvoll ist. Deswegen habe ich für die Kindergrundsicherung insgesamt zwölf Milliarden Euro ab 2025 angemeldet”, sagte Paus. “Die endgültige Zahl steht erst fest, wenn wir die inhaltliche Ausgestaltung der Kindergrundsicherung geklärt haben.”

Die Ministerin und FDP-Chef Lindner streiten seit Wochen öffentlich über die Ausgestaltung und die Finanzierung der Kindergrundsicherung.

red

Erwerbsmigration nach Deutschland steigt stark – Indische Fachkräfte an der Spitze

Die Erwerbsmigration nach Deutschland ist im Jahr 2022 stark gestiegen. Ende des Jahres wurden rund 351.000 Personen aus Staaten außerhalb der EU mit einem befristeten Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit im Ausländerzentralregister (AZR) erfasst, teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag mit. Die Zahl der Erwerbsmigranten legte demnach seit 2010 (damals 85.000 Personen) stetig zu.

Nachdem in den stark von der Corona-Pandemie geprägten Jahren 2020 und 2021 ein vergleichsweise geringes Wachstum gegenüber dem jeweiligen Vorjahr zu verzeichnen war (2021: +21.000 Personen oder +8 Prozent; 2020: +16.000 Personen oder +6 Prozent), stieg die Zahl der Erwerbsmigranten 2022 um 56.000 Personen oder 19 Prozent. Einer der Gründe für den starken Anstieg dürften Nachholeffekte durch den Wegfall vieler coronabedingter Einschränkungen im Jahr 2022 gewesen sein. Die zum Jahresende 2022 registrierten Personen mit einem Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit waren mehrheitlich männlich (236.000 Personen oder 67 Prozent) und zwischen 25 und 35 Jahren alt (196.000 Personen oder 56 Prozent).

Ende des Jahres verfügten 89.000 Personen in Deutschland über eine Blaue Karte für akademische Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten, so die Statistiker weiter. Das waren mehr als ein Viertel aller Erwerbsmigranten und 20.000 Personen oder 28 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Blaue Karte EU war damit der häufigste Aufenthaltstitel im Bereich der befristeten Erwerbsmigration.

Mit Abstand die meisten Inhaber kamen aus Indien (26.000), gefolgt von Personen mit türkischer (5.900) und russischer (5.500) Staatsangehörigkeit; rund 71 Prozent der Personen waren Männer. Voraussetzung für die Erteilung der Blauen Karte EU ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium sowie ein konkretes, der Qualifikation angemessenes Arbeitsplatzangebot mit einem bestimmten Mindestgehalt. Für Inhaber einer Blauen Karte EU gelten Erleichterungen beim Familiennachzug und die Möglichkeit zur schnelleren Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis.

Für Akademiker aus Staaten außerhalb der EU gibt es neben der Blauen Karte noch weitere Aufenthaltstitel zur Erwerbmigration, zum Beispiel eine Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung: Ende 2022 verfügten 40.000 Personen über eine solche Aufenthaltserlaubnis (+12.000 Personen beziehungsweise +41 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Voraussetzung ist unter anderem ein konkretes Arbeitsplatzangebot; anders als bei der Blauen Karte gilt hierfür keine Mindestgehaltsgrenze. Zudem gibt es breitere Beschäftigungsmöglichkeiten, da nicht nur eine Beschäftigung im der eigenen Qualifikation entsprechenden Beruf, sondern auch in verwandten Berufen möglich ist.

Seit 1. März 2020 erleichtert das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch Fachkräften mit Berufsausbildung aus Nicht-EU-Staaten die Einreise und den Aufenthalt für die Ausübung einer Beschäftigung: 41.000 Personen verfügten Ende 2022 über eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein deutliches Plus von 13.000 Personen oder 44 Prozent. Im Gegensatz zur Gruppe der Erwerbsmigranten insgesamt überwog bei den Fachkräften mit Berufsausbildung der Frauenanteil mit 58 Prozent.

Die häufigste Staatsangehörigkeit unter den Fachkräften mit Berufsausbildung war die bosnisch-herzegowinische (6.400), gefolgt von der philippinischen (5.000). Auf Grundlage der sogenannten “Westbalkanregelung” hielten sich Ende 2022 rund 62.000 Nicht-EU-Staatsangehörige mit einer Aufenthaltserlaubnis für Erwerbszwecke in Deutschland auf, teilte das Bundesamt weiter mit. Das waren 16.000 oder 35 Prozent mehr als noch im Vorjahr.

88 Prozent dieser Personen waren männlich, mit 27 Prozent bildeten Staatsangehörige des Kosovo die größte Gruppe (17.000). Die Westbalkanregelung eröffnet Arbeitskräften aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien seit 2016 unter bestimmten Voraussetzungen wie dem Vorliegen eines konkreten Arbeitsplatzangebotes, aber unabhängig von der Qualifikation als Fachkraft einen befristeten Zugang zum Arbeitsmarkt in Deutschland. Die Regelung war zunächst bis Ende 2020 befristet, wurde aber aufgrund hoher Nachfrage der Arbeitgeber in Deutschland bis Ende 2023 verlängert.

Ukrainer machten Ende 2022 einen Anteil von gut zwei Prozent an den Personen mit einem befristeten Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit aus. Ende 2021 hatte der Anteil bei knapp drei Prozent gelegen. Die meisten der rund 1,16 Millionen Ukrainer, die Ende 2022 in Deutschland lebten, haben vorübergehenden Schutz und damit einen humanitären Aufenthaltstitel erhalten, darunter waren 762.000 Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren.

Diese verfügten in der Regel über eine Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit. Wie viele dieser Personen erwerbstätig sind oder über eine Qualifikation als Fachkraft verfügen, lässt sich aus dem AZR nicht auswerten.

red

Prostituierte in Deutschland: Nur ein Bruchteil ist sozialversichert

Nur ein verschwindend geringer Anteil der Prostituierten in Deutschland ist bei den Sozialversicherungen gemeldet. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion vor, über die die “Welt” berichtet. Demnach waren in der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit zum Stichtag 30. September 2022 gerade einmal 50 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sowie zehn ausschließlich geringfügig Beschäftigte unter der entsprechenden Berufsgattung gemeldet.

Schätzungen gehen von 200.000 bis 400.000 Prostituierten in Deutschland aus. Aus der Antwort geht hervor, dass zum Ende des vergangenen Jahres lediglich 23.743 Prostituierte bei den Behörden angemeldet waren. Seit 2017 sind Prostituierte verpflichtet, ihrer Tätigkeit bei lokalen Behörden anzumelden.

Der Bundesregierung liegen “keine Erkenntnisse” vor, wie viele Menschen darüber hinaus unangemeldet als Prostituierte tätig sind sowie wie viele angemeldete Prostituierte krankenversichert sind. Von den angemeldeten Prostituierten hatten 8.619 die rumänische, 4.509 die deutsche, 2.594 die bulgarische sowie 1.486 Personen die ungarische Staatsangehörigkeit. Unionsfraktionsvize Dorothee Bär nimmt die Ergebnisse zum Anlass für eine Positionierung für eine andere Rechtslage.

“Nach vielen Gesprächen mit Betroffenen und Vor-Ort-Besuchen ist meine Überzeugung: Alles ist besser als was jetzt ist. Ich persönlich bin für die Einführung des Nordischen Modells in Deutschland”, sagte die CSU-Politikerin der “Welt”. Bär ist innerhalb des Fraktionsvorstands für Familienpolitik zuständig.

“Die Intention des Gesetzgebers vor 20 Jahren war, die Prostituierten zu schützen und soziale Härten abzufedern”, sagte sie. “Die Sozialversicherungszahlen zeigen, dass hier etwas nicht stimmen kann. Für mich heißt das: Wir können als Staat nicht Frauen in der Prostitution schützen, sondern müssen sie vor der Prostitution schützen. Darauf gibt es nur eine Antwort: den Paradigmenwechsel in Form eines Verbots von Sexkauf, die Entkriminalisierung der Prostituierten und die Kriminalisierung der Freier.”

red