Trotz Gerichtsentscheidung: Innenminister hält an Asyl-Zurückweisungen fest

Trotz eines Urteils des Berliner Verwaltungsgerichts will Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) weiter Asylsuchende direkt an der Grenze zurückweisen. Juristen und Politiker sprechen von einem rechtlich fragwürdigen Kurs – der Druck auf den Innenminister wächst. Auch aus der Ampel kommt Kritik.

Berlin (red) – Trotz der Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts will Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) an seiner Anweisung festhalten, Asylsuchende bei Grenzübertritt zurückzuweisen.

“Es gibt keinen Grund aufgrund einer Gerichtsentscheidung, die heute hier erfolgt ist in diesem Einzelfall, unsere Praxis zu verändern”, sagte er am Montagabend. “Wir bleiben dabei.” Der Minister sieht im Urteil eine Einzelfallentscheidung und keinen Beschluss zur allgemeinen Rechtslage. Außerdem strebe er ein Hauptsacheverfahren an. Davon erhofft sich der CSU-Politiker abschließende Klarheit über die rechtlichen Gegebenheiten.

Scharfe Kritik kam von Linken-Chef Jan van Aken. “Die Bundesregierung verstößt gegen geltendes Recht, nur weil sie Sündenböcke braucht”, sagte er der “Rheinischen Post” (Dienstag) mit Blick auf die Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, wonach die Zurückweisung von Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet rechtswidrig ist.

Van Aken weiter: “Mit ihrer widerlichen Hetze gegen Migrantinnen versucht sie nur davon abzulenken, dass sie eine Politik gegen die Mehrheit der Menschen hier im Land macht. Statt Ablenkungsdebatten auf dem Rücken der Schwächsten zu führen, muss sich die Bundesregierung endlich um die echten Probleme kümmern: einen Mietendeckel, eine aktive Investitionspolitik und eine Vermögenssteuer.”

Der Innenpolitik-Experte Lars Castellucci (SPD) kritisierte, dass das Haus von Dobrindt in der verschärften Asylpolitik einen wenig rechtssicheren Weg gewählt habe. “Die Reaktionen aus den Nachbarstaaten, zuletzt aus Frankreich, und nun auch das Gerichtsurteil offenbaren: Das Bundesinnenministerium ist offensichtlich weder ausreichend in die Abstimmung mit unseren Partnerländern gegangen, noch hat es einen klar rechtssicheren Weg für Zurückweisungen eingeschlagen”, sagte Castellucci den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Dienstag).

“Wer sich auf Recht und Ordnung beruft, muss Recht und Ordnung einhalten”, so Castellucci, der Mitglied im Innenausschuss ist. Um die irreguläre Migration zu begrenzen, sei eine enge Zusammenarbeit mit den Nachbarn zwingend, idealerweise in Form gemeinsamer Kontrollen. Es gelte unbedingt zu verhindern, dass Migranten im Grenzgebiet untertauchen.

“Bereits die frühere Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte damit begonnen, Dublin-Verfahren grenznah und beschleunigt durchzuführen, um den zuständigen Staat für ein Asylverfahren zu ermitteln. Das scheint mir, zumindest bis zur Einführung des neuen europäischen Asylsystems, der geeignetere Weg”, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete.

Verwaltungsgericht stoppt Rückweisung von Asylsuchenden an der Grenze

Deutschland darf Asylsuchende nicht direkt an der Grenze abweisen, wenn sie auf deutschem Boden ein Asylgesuch äußern. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden. Konkret ging es um drei Somalier, die aus Polen kamen und am Bahnhof Frankfurt (Oder) zurückgewiesen wurden. Laut Gericht hätte erst ein Dublin-Verfahren eingeleitet werden müssen – ein Verstoß gegen EU-Recht.

 Berlin (red) – Das Berliner Verwaltungsgericht hat entschieden, dass Personen, die bei Grenzkontrollen auf deutschem Staatsgebiet ein Asylgesuch äußern, nicht ohne Durchführung des Dublin-Verfahrens zurückgewiesen werden dürfen.

Das teilte das Gericht am Montag mit. Die Entscheidung betrifft drei somalische Antragsteller, die aus Polen kommend nach Deutschland eingereist waren. Sie wurden am 9. Mai 2025 am Bahnhof Frankfurt (Oder) von der Bundespolizei kontrolliert und nach Äußerung eines Asylgesuchs noch am selben Tag nach Polen zurückgewiesen. Die Bundespolizei begründete die Zurückweisung mit der Einreise aus einem sicheren Drittstaat.

Die Antragsteller legten Eilanträge gegen die Zurückweisung ein, während sie sich in Polen aufhielten. Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts gab den Anträgen im Wesentlichen statt und erklärte die Zurückweisung für rechtswidrig. Die Bundesrepublik sei nach der Dublin-Verordnung der EU verpflichtet, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats für das Asylverfahren vollständig durchzuführen, wenn ein Asylgesuch auf deutschem Staatsgebiet gestellt wird. Die Antragsteller hätten ein entsprechendes Gesuch geäußert, weshalb der Grenzübertritt erlaubt und das Dublin-Verfahren in Deutschland durchgeführt werden müsse.

Das Gericht stellte klar, dass die Bundesrepublik sich nicht auf die Ausnahmeregelung des Art. 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union stützen könne, da keine hinreichende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung dargelegt wurde. Die Antragsteller könnten jedoch nicht verlangen, über den Grenzübertritt hinaus in das Bundesgebiet einzureisen, da das Dublin-Verfahren auch an der Grenze oder im grenznahen Bereich durchgeführt werden könne. Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

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Grünen-Politiker bringt Sanktionen gegen israelische Minister ins Gespräch

Der Grünen-Fraktionsvize kritisiert Israels Vorgehen im Gazastreifen scharf. Waffenexporte sollen gestoppt, Minister wie Smotrich sanktioniert werden.

Berlin (red) – Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch hat wegen der Angriffe im Gazastreifen Sanktionen gegen Israel ins Spiel gebracht. “Das kann auch sein, dass das Sanktionen gegen die sind, die solche völkerrechtswidrigen Taten, Brutalitäten anordnen”, sagte Audretsch den Sendern RTL und ntv. Als Beispiele nannte er Finanzminister Smotrich und Sicherheitsminister Ben-Gvir.

Er sprach sich zudem für einen Exportstopp von Offensivwaffen an Israel aus. “Deutsche Waffen dürfen nicht im Gazastreifen völkerrechtswidrig eingesetzt werden.” Die Lage im Gazastreifen sei verheerend, so Audretsch. Menschen würden ausgehungert und vertrieben, die Infrastruktur zerstört. “Das ist mit dem Völkerrecht nicht mehr zu vereinbaren, das hat kein Ziel und das muss enden.” Darüber hinaus müsse Israel humanitäre Hilfen garantieren.

Gleichzeitig sagte der Grünen-Politiker, Israel brauche Schutz vor Attacken wie zuletzt aus dem Jemen. “Selbstverständlich muss sich Israel gegen solche Angriffe auf die Existenz des Landes auch erwehren können.” Man müsse daher eine Differenzierung zwischen Abwehr- und Angriffswaffen machen.

Hitze bedroht Amphibien weltweit – Studie warnt vor Folgen für Artenvielfalt

Eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt zeigt: Dürre und Extremwetter gefährden weltweit Amphibienbestände. Besonders betroffen sind Salamander in Europa. Forschende fordern gezielte Schutzmaßnahmen – bevor es für viele Arten zu spät ist.

Frankfurt (red) – Eine aktuelle Studie der Goethe-Universität Frankfurt zeigt, dass steigende Temperaturen und Extremwetterereignisse die Amphibienbestände weltweit gefährden. Besonders betroffen sind Regionen wie Europa, das Amazonasgebiet und Madagaskar, wie die Universität am Montag mitteilte. In Europa leiden vor allem Salamander unter den veränderten Bedingungen, da Dürreperioden zunehmen.

Die Wissenschaftler analysierten globale Wetterdaten der letzten 40 Jahre und verglichen diese mit der Verbreitung von über 7.000 Amphibienarten. Dabei stellten sie fest, dass sich der Bedrohungsstatus der Amphibien in Regionen mit vermehrten Hitzewellen und Dürren seit 2004 deutlich verschlechtert hat. Evan Twomey, Erstautor der Studie, hob die besondere Verwundbarkeit der Amphibien aufgrund ihrer Abhängigkeit von Feuchtgebieten zur Fortpflanzung hervor.

Lisa Schulte, Leiterin der Abteilung Wild- und Zootierbiologie und Systematik, warnt vor allem vor der Situation in Mitteleuropa, wo bereits die Hälfte der heimischen Echten Salamander zunehmend Dürreperioden ausgesetzt ist. Die Autoren fordern gezielte Schutzmaßnahmen wie die Schaffung von Schutzgebieten und die Verbesserung von Feuchtgebieten, um den gefährdeten Arten zu helfen und die Biodiversität zu erhalten.

Angriff mit Flammenwerfer auf pro-israelische Demo in den USA

In Colorado, hat ein Mann eine pro-israelische Kundgebung mit einem Flammenwerfer attackiert. Mehrere ältere Menschen wurden verletzt, eine Person schwebt in Lebensgefahr. Der mutmaßliche Täter, ein ägyptischer Staatsbürger, rief laut Zeugen „Free Palestine“. Die Behörden stufen den Vorfall als möglichen Terrorakt ein.

Boulder (red) – In Boulder im US-Bundesstaat Colorado hat ein Mann am Sonntag eine pro-israelische Demonstration mit einem Flammenwerfer angegriffen. Der Verdächtige, ein ägyptischer Staatsbürger, wurde am Tatort festgenommen, wie die Behörden mitteilten. Er soll bei der Tat “Free Palestine” gerufen haben.

Der Angriff wird den Ermittlern zufolge als Terrorakt untersucht. Die Verletzten sind zwischen 67 und 88 Jahre alt. Einer der Verletzten befand sich in kritischem Zustand, während die anderen leichte Verletzungen erlitten. Die Demonstration wurde von einer Gruppe organisiert, die regelmäßig solche Veranstaltungen abhält, um auf die Geiselnahmen durch die Hamas aufmerksam zu machen.

Der mutmaßliche Täter handelte nach Angaben der Ermittler scheinbar allein und hatte keine nennenswerten Vorstrafen. Sein Motiv ist noch unklar, und die Ermittler prüfen Berichte, wonach er sich als Landschaftsgärtner verkleidet haben könnte, um unauffällig zu bleiben. Der Mann erlitt bei seiner Festnahme leichte Verletzungen, die eine Behandlung im Krankenhaus erforderten.

Ausschreitungen nach PSG-Triumph: Zwei Tote, hunderte Verletzte und Festnahmen

Nach dem Champions-League-Sieg von Paris Saint-Germain ist es in Frankreich zu massiven Ausschreitungen gekommen. Zwei Menschen kamen ums Leben, fast 200 wurden verletzt. In Paris und anderen Städten gab es über 550 Festnahmen. Neben Plünderungen und Angriffen auf Einsatzkräfte wurde ein Polizist schwer durch Feuerwerkskörper verletzt und ins künstliche Koma versetzt.

Paris (red) – Nach dem Champions-League-Sieg von Paris Saint-Germain sind die Feierlichkeiten in Frankreich eskaliert. Nach Angaben des Innenministeriums vom Sonntag kamen zwei Personen ums Leben und fast 200 Menschen wurden verletzt. Zudem gab es in ganz Frankreich mindestens 559 Festnahmen im Zusammenhang mit den Ausschreitungen, darunter 491 in Paris.

Mit Blick auf die Todesfälle hieß es, dass eine Person, die in Paris mit einem Motorroller unterwegs war, starb, nachdem nur wenige Kilometer von den Champs-Élysées entfernt von einem Auto angefahren worden war. In der südwestlichen Stadt Dax wurde ein 17-Jähriger zudem bei einer Feier zum PSG-Sieg niedergestochen – er erlag seinen Verletzungen. Darüber hinaus musste ein Polizist in der Normandie in ein künstliches Koma versetzt werden. Er war während der Feierlichkeiten durch Feuerwerkskörper verletzt worden.

Im Rahmen der Ausschreitungen kam es auch zu Plünderungen von Geschäften, bei denen zudem die Fenster eingeschlagen wurden. PSG hatte sich beim Finale im München am Samstag mit 5:0 gegen Inter Mailand durchgesetzt.

Brücken stürzen in russischen Grenzregionen ein – mehrere Tote nach Explosionen

In den russischen Regionen Brjansk und Kursk nahe der ukrainischen Grenze sind am Wochenende zwei Brücken eingestürzt. In Brjansk kam es offenbar zu einer Explosion, die einen Personenzug entgleisen ließ – mindestens sieben Menschen starben, dutzende wurden verletzt. Auch in Kursk stürzte eine Brücke ein, dort kam eine Güterlokomotive von der Strecke ab. Die Behörden vermuten Sabotage.

Moskau (red) – In den russischen Grenzregionen Brjansk und Kursk sind am Wochenende mehrere Personen bei dem Einsturz von zwei Brücken ums Leben gekommen.

Wie der Gouverneur der Region Brjansk, Alexander Bogomaz, mitteilte, soll eine Explosion am Samstagabend dazu geführt haben, dass eine Brücke über einer Bahnstrecke einstürzte – ein Personenzug soll in der Folge entgleist sein. Mindestens sieben Menschen wurden getötet und 69 weitere verletzt.

Wenige Stunden später kam es auch in der Region Kursk zu einem Brückeneinsturz. Zu diesem Zeitpunkt soll gerade eine Güterlokomotive über die Brücke gefahren sein. Tote gab es bei diesem Vorfall offenbar nicht, die Insassen des Zuges kamen Behördenangaben zufolge in Krankenhäuser.

Die Einsturzorte befinden sich jeweils in der Nähe der Grenze zur Ukraine.

Säumige Scheidungsväter: Staat springt immer häufiger bei Unterhaltszahlungen ein

Die Ausgaben für den staatlichen Unterhaltsvorschuss sind 2024 auf ein Rekordniveau gestiegen: Bund, Länder und Kommunen zahlten 3,24 Milliarden Euro an Familien, bei denen ein Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht nachkam – ein Anstieg um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zurückholen konnten die Behörden davon nur 17 Prozent. Seit 2017 haben sich die Kosten damit verdreifacht. Der Staat greift immer häufiger ein, wenn Ex-Partner nicht zahlen.

Berlin (red) – Bund, Länder und Kommunen haben im vergangenen Jahr so viel Geld an die Familien säumiger Scheidungsväter zahlen müssen wie nie zuvor. Das berichtet die “Bild” (Samstagausgabe) unter Berufung auf neue Zahlen des Bundesfamilienministeriums.

Demnach stiegen die Ausgaben für den sogenannten Unterhaltsvorschuss von 2,69 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf 3,24 Milliarden Euro im Jahr 2024. Das entspricht einem Plus von 20 Prozent. Seit 2017 haben sich die Ausgaben sogar verdreifacht, schreibt die “Bild” unter Berufung auf die Ministeriumsangaben.

Wie die “Bild” weiter berichtet, konnten sich die Behörden im vergangenen Jahr 544,5 Millionen Euro von den Unterhaltsverweigerern zurückholen. Das entspricht 17 Prozent der Ausgaben. Im Jahr 2023 hatte diese Quote noch bei 19 Prozent gelegen.

Die Leistung wird an Scheidungskinder gezahlt, wenn ein Elternteil seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkommt. Für Kinder bis fünf Jahre gibt es 227 Euro, für Kinder zwischen sechs und elf Jahren 299 Euro im Monat. Die Kosten tragen zu 40 Prozent der Bund und zu je 30 Prozent Länder und Kommunen.

2024 erhalten über 249.000 Ausländer deutschen Pass – Turbo-Regel kaum genutzt

Im Jahr 2024 wurden in Deutschland so viele Menschen eingebürgert wie nie zuvor seit Beginn der Erhebung – über 249.000 laut Daten aus 13 Bundesländern. Besonders viele Syrer und Türken erhielten den deutschen Pass. Die neue „Turbo-Einbürgerung“ nach drei Jahren wurde dagegen kaum genutzt. Die schwarz-rote Koalition will sie nun wieder abschaffen.

Berlin (red) – In Deutschland sind 2024 so viele Ausländer eingebürgert worden wie noch nie seit Beginn einheitlicher Erhebungen im Jahr 2000. Das geht aus Daten von 13 Bundesländern vor, über die die “Welt am Sonntag” berichtet.

Demnach erhielten im vergangenen Jahr in diesen Ländern insgesamt 249.901 Menschen den deutschen Pass. 2023 waren es deutschlandweit noch 200.095 Personen, was schon damals ein Rekordwert war. Mehrere Länder teilten die zum Teil vorläufigen Daten auf Anfrage mit, einige hatten sie bereits in den vergangenen Tagen veröffentlicht. Keine Gesamtzahlen nannten Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.

“Mit dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht ist die Zahl der Anträge auf Einbürgerung deutlich gestiegen, denn die Einbürgerung ist jetzt grundsätzlich schon nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland möglich”, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, der “Welt am Sonntag”. “Viele Menschen, die bei den großen Fluchtbewegungen in den Jahren 2015 und 2016 zu uns gekommen sind, stellen jetzt Anträge oder haben es schon getan.”

Hinzu komme, dass die bisherige Staatsbürgerschaft nicht mehr in jedem Fall aufgegeben werden müsse. Auch das motiviere mehr Menschen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Laut den Daten mehrerer Länder ließen sich vor allem syrische und türkische Staatsangehörige in großer Zahl einbürgern. Die Betroffenen lebten dabei oft länger im Land als rechtlich notwendig. So meldete Baden-Württemberg, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Eingebürgerten 14,1 Jahre betragen habe.

Sogenannte Turbo-Einbürgerungen nach drei oder vier Jahren Aufenthalt kamen hingegen in der Praxis kaum vor. Acht Länder nannten der “Welt am Sonntag” entsprechende Zahlen. Rheinland-Pfalz zählte demnach 20 solcher Einbürgerungen, Baden-Württemberg 16, Niedersachsen vier, Hamburg drei, Thüringen “weniger als drei”, Bremen null. In Brandenburg meldeten acht von 17 Einbürgerungsbehörden dem Innenministerium, dass es bei ihnen keine Einbürgerungen unter fünf Jahren Aufenthalt gegeben habe. Nur Berlin registrierte mit 382 beschleunigten Einbürgerungen eine dreistellige Zahl.

“Die Turbo-Einbürgerungen sind ein schönes Beispiel dafür, dass reine Symbolpolitik allein eben nicht zwingend auch mit der konkreten Lebenswirklichkeit übereinstimmen muss”, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistags, Achim Brötel (CDU), der “Welt am Sonntag”. “Die Anforderungen insbesondere an eine eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts und die erforderlichen Deutschkenntnisse sind aus guten Gründen sehr hoch. Und: Das müssen sie auch künftig bleiben. Schließlich soll die Einbürgerung ja so etwas wie der Schlussstein einer gelungenen Integration sein.” Insofern begrüße man es “ganz ausdrücklich, dass jetzt wieder mehr Realitätssinn einkehren soll”.

Die Ampel-Koalition hatte die beschleunigten Einbürgerungen erst Ende Juni 2024 eingeführt. Seitdem können Ausländer bereits nach drei oder vier Jahren eingebürgert werden, wenn sie neben allen sonstigen Voraussetzungen zusätzlich “besondere Integrationsleistungen” vorweisen können, etwa besonders gute schulische oder berufliche Leistungen oder ehrenamtliches Engagement.

Die schwarz-rote Koalition möchte die Regelung aber wieder abschaffen. Das Kabinett beschloss am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf. Man beseitige damit “einen Pull-Faktor”, der eine entsprechende Anziehungskraft für eine Reise nach Deutschland ausgeübt habe, sagte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU).

Innenminister Dobrindt drückt beim Thema Abschiebungen aufs Tempo

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will Abschiebungen ausweiten – auch nach Syrien und Afghanistan. Möglich machen soll das eine EU-weite Drittstaatenlösung. Die Grundlagen würden derzeit vorbereitet, so Dobrindt. Die Wirkung der verschärften Grenzkontrollen seit Mai lobt er: Mehr Zurückweisungen, weniger Anreize zur Einreise. Eine Rückkehr zur alten Migrationspolitik schließt er aus.

Berlin (red) – Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will die Abschiebung von Menschen, die keine Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, durch Umsetzung der sogenannten Drittstaatenregelung in Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedsstaaten forcieren. “Es braucht Drittländer, die bereit sind Migranten zu übernehmen, die objektiv nicht in ihre Heimatländer zurückgeführt werden können. Das Ermöglichen dieser Drittstaatenlösungen besprechen wir gerade auf der europäischen Ebene”, sagte er der “Welt am Sonntag”. Die Bundesregierung könne eine Rückführungsoffensive nur in enger Absprache mit den EU-Partner einleiten.

Mit Blick auf die Drittstaatenlösung sagte Dobrindt: “Ein solches Modell schafft kein Staat im Alleingang, das muss man auf EU-Ebene angehen. Die Grundlagen dafür erarbeiten wir gerade. Ich denke, die Umsetzung kann zum Beispiel mit abgelehnten Asylbewerbern gelingen, denn sie haben das Asylverfahren bereits durchlaufen.”

Dobrindt erklärte zu den Ländern, die künftig für eine Drittstaatenlösung in Frage kämen: “Das kann man auf europäischer Ebene diskutieren. Ich denke, es sollten Länder sein, die heimatnah zu den entsprechenden Herkunftsländern sind.”

Die Regierungen von Großbritannien und Italien hatten Verträge mit Ruanda beziehungsweise Albanien zur Auslagerung von Asylverfahren und Betreuung von Menschen mit Schutztitel ausgehandelt, die praktische Umsetzung scheiterte allerdings an entsprechenden Gerichtsurteilen in den beiden Staaten.

Der Bundesinnenminister kündigte außerdem an, möglichst schnell mit Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber und von Straftätern aus Syrien und Afghanistan beginnen zu wollen: “Ich will, dass in Syrien möglichst bald mit Regierungsvertretern über Rückführungen verhandelt wird. Meine Amtsvorgängerin Nancy Faeser hat dazu ein Vorgespräch geführt, ich will diesen Faden aufnehmen und gemeinsam mit europäischen Nachbarn versuchen, eine Vereinbarung mit Syrien zu erreichen.”

Grundsätzlich werde ohne die Zustimmung der Herkunftsländer keine dauerhaften Rückführungsabkommen möglich sein. “Für mich ist es entscheidend, dass wir sowohl mit Syrien als auch mit Afghanistan diese Rückführungsmöglichkeiten schaffen”, so Dobrindt. “Diese müssen dauerhaft tragfähig sein. Es darf nicht so sein, dass Abschiebungen einmal kurz vor Wahlen durchführt werden, wie wir das bei dem Flug Richtung Afghanistan gesehen haben. Es geht um eine dauerhafte Lösung sowohl mit Syrien als auch mit Afghanistan.”

Dobrindt zog eine positive Bilanz der seit Anfang Mai schärferen Kontrollen an den deutschen Grenzen und Zurückweisungen mit dem Ziel, die illegale Migration einzudämmen. “In den letzten drei Wochen gab es 45 Prozent mehr Zurückweisungen als in den Wochen davor. Die Asylbegehren an der Grenze sind auch deswegen niedrig, weil es sich schnell herumgesprochen hat, dass der Einlass in die Bundesrepublik Deutschland trotz Asylbegehren nicht mehr garantiert ist”, sagte der Minister der “Welt am Sonntag”. In der ersten Woche des strengeren Grenzregimes waren unter den von der Bundespolizei insgesamt 739 Zurückgewiesenen nur 51 Asylbewerber.

Die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten bei den Zurückweisungen verlaufe anderes, als immer wieder kolportiert, einwandfrei, so Dobrindt. “Es gibt keine Probleme an den deutschen Grenzen. Wir sind in Abstimmung mit unseren Nachbarstaaten. Es ist unser Anliegen, unsere Nachbarn nicht zu überfordern”, erklärte der Bundesinnenminister. “Aber unsere Nachbarn müssen eben auch erkennen, dass Deutschland nicht mehr bereit ist, seine Migrationspolitik der letzten Jahre fortzusetzen.”

Die Regierungen der EU-Nachbarstaaten würden die Maßnahmen der Bundesregierung gegen die illegale Migration positiv bewerten, sagte Dobrindt: “Alle begrüßen, dass Deutschland bei der illegalen Migration an Anziehungskraft verliert. Das entlastet auch die Transitländer.” Vor allem mit Frankreich sei die Zusammenarbeit eng. “Mit meinem französischen Kollegen arbeiten wir gerade an weiteren Initiativen. Es geht dabei um zwei große Säulen: die nationale und die europäische. Auf europäischer Ebene wollen wir schneller die Migrationswende voranbringen”, kündigte der CSU-Minister an.

Die Intensität der Grenzkontrollen werde je nach Lage angepasst. “Jetzt setzen wir erst einmal auf sichtbare Zeichen”, sagte Dobrindt. Und die würden bereits wirken: “Im Übrigen nehmen wir heute schon einen Domino-Effekt wahr, denn auch unsere Nachbarn verstärken die Grenzkontrollen zu ihren jeweiligen Nachbarn.”