CSU und Bayern klagen gegen Bundestagswahlrechtsreform

München – Die Bayerische Staatsregierung und die CSU haben jeweils eine Klage gegen die Reform des Bundestagswahlrechts beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Das teilten das Bayerische Innenministerium und die Partei am Mittwoch mit. “Die neu geschaffenen Regeln sind verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit sowie gegen das Demokratie- und Bundestaatsprinzip”, sagte der Bayerische Innenminister, Joachim Herrmann (CSU). Im Kern der Kritik steht der Wegfall von Überhang- und Ausgleichsmandaten. Bislang entstehen diese, wenn Parteien mehr Direktmandate durch die Erststimmen erhalten, als ihnen proportional zu den Erststimmen zustehen würden.

Mit ihrem Wegfall will die Regierungskoalition ein weiteres Anwachsen des Parlaments verhindern. Die Neuregelung könnte nun allerdings zur Folge haben, dass Wahlkreisgewinner nicht in den Bundestag einziehen, wenn ihre Partei nicht ausreichend Zweitstimmen erhalten hat. Herrmann kritisierte dieses Vorgehen: “Gewählten Abgeordneten ihr Wahlkreismandat zu verwehren, halte ich für völlig inakzeptabel.”

Wäre das neue Wahlrecht bereits bei der Bundestagswahl 2021 zur Anwendung gekommen, wären nach den Worten des Bayerischen Innenministers allein in Bayern sieben von 46 Wahlkreisen “verwaist” geblieben. “Aber auch in Baden-Württemberg und im Osten Deutschlands wären viele Regionen ohne direkt gewählte Abgeordnete geblieben”, fürchtet er. Durch die zusätzlich erfolgte Abschaffung der Grundmandatsklausel könnte sich dies noch weiter verschärfen.

“Würde die CSU deutschlandweit weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten, aber aufgrund ihrer flächendeckenden Verwurzelung weiterhin nahezu alle Wahlkreise gewinnen, bliebe fast ganz Bayern ohne Wahlkreisabgeordneten”, so Herrmann. Er kritisierte, Bayern würde dann nur durch Abgeordnete repräsentiert, die Parteien entstammen, die in Bayern nicht die Mehrheit haben, während die bayerische Mehrheitspartei im Bundesparlament fehle. Es würden in diesem Fall auch insgesamt deutlich weniger Abgeordnete aus Bayern in den Bundestag einziehen, weil den Ländern keine Mindestsitzzahlen entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil mehr zugeteilt werden, sagte Herrmann.

“Bayern wäre daher nicht-, falsch- und unterrepräsentiert.” Ein solches Wahlrecht sei mit dem Grundgesetz unvereinbar. “Wir sind davon überzeugt, dass auch das Bundesverfassungsgericht dies so sehen wird”, so der Landesinnenminister.

CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte zur Klage der Partei, das “zugunsten der Ampel-Parteien zusammengschusterte Wahlrecht” sei “undemokratisch, föderalismusfeindlich, manipulativ und verfassungswidrig”. Die Union hatte als Gegenentwurf zu der Wahlrechtsreform unter anderem ein sogenanntes “Grabenwahlrecht” vorgeschlagen. Erst- und Zweitstimme würden dabei nicht mehr wie bisher miteinander verrechnet, sondern getrennt voneinander betrachtet werden.

Der Vorschlag stieß bei den anderen im Bundestag vertretenen Parteien auf Gegenwind, weil sie darin eine deutliche Bevorteilung zugunsten der Union witterten.

red

“Ich werde mein Mandat nicht aufgeben”: Wagenknecht lehnt Forderung der Linken-Spitze ab

Berlin – Sahra Wagenknecht lehnt die Forderung des Linken-Parteivorstandes an sie ab, ihr Bundestagsmandat abzugeben. “Gerade seit dem PV-Beschluss schreiben mir viele, dass sie empört sind und bei der letzten Bundestagswahl die Linke wegen mir gewählt haben”, sagte Wagenknecht dem “Spiegel”. “Auch Mitglieder bitten mich, mein Mandat nicht aufzugeben. Das werde ich auch nicht tun.” Er ist das erste Mal, dass sie sich zu dem Thema äußert. Sie habe schon vor Monaten angekündigt, nicht wieder für die Linke zu kandidieren, so Wagenknecht.

Insofern habe die Aussage des Parteivorstands, dass es keine gemeinsame Zukunft gebe, wenig “Neuigkeitswert” für sie. “Statt sich an mir abzuarbeiten, hätte sich die Parteispitze lieber mal mit der Frage beschäftigen sollen, warum der Linken seit Jahren die Wähler davonlaufen.” Hauptgrund für den Beschluss der Linken-Spitze sollen Anwerbungsversuche in der Partei für ein neues Projekt Wagenknechts sein.

Nach Informationen des “Spiegel” soll es Screenshots von Mails und SMS aus mehreren ostdeutschen Landesverbänden geben, die belegen, dass Kommunalpolitiker direkt von Wagenknechts engerem Kreis angesprochen wurden, ob sie am neuen Projekt teilnehmen wollten. Wagenknecht bestreitet die Existenz solcher Anwerbungsversuche nicht, stellt aber klar: “Ich habe niemanden angesprochen, ich werde angesprochen von Kommunalpolitikern und anderen Mitgliedern der Linken, die sich ein neues Projekt wünschen, weil sie in der Linken keine Perspektive mehr sehen.” Ob sie Kenntnis von den möglichen Anwerbungsversuchen ihrer Verbündeten hatte, wollte Wagenknecht nicht beantworten.

Wagenknecht schloss sich der Forderung des früheren Linken-Parteichefs Klaus Ernst und weiterer Abgeordneten an, dass der gesamte Vorstand zurücktreten sollte. “Der Vorstand gefährdet mutwillig den Erhalt der Bundestagsfraktion und damit auch 200 Arbeitsplätze. Natürlich wäre es gut, wenn diese Hasardeure zurücktreten und vernünftigen Leuten Platz machen würden. Aber ich habe da keine Illusionen.”

red

Kulturpass ab 18: Kostenloses Kulturbudget in Höhe von 200 Euro für junge Menschen

Berlin – Der sogenannte “Kulturpass”, mit dem junge Menschen Kulturangebote nutzen können, ist am Mittwoch an den Start gegangen. “Der Kulturpass ist eine herzliche Einladung an alle jungen Menschen in Deutschland, die dieses Jahr 18 Jahre alt werden, Kultur vor Ort zu erleben”, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). “Mit einem Budget von 200 Euro pro Person können die jungen Menschen die ganze Vielfalt unserer Kulturlandschaft entdecken, sie können selbst entscheiden, wo es hingeht – ob zum Konzert, in die Oper, ins Theater, ins Museum oder vielleicht doch in die nächste Buchhandlung oder den Plattenladen.”

Auf einer entsprechenden Plattform sind deutschlandweit bislang über 5.600 Anbietende mit rund 1,7 Millionen Produkten registriert. Die App mit dem Titel “KulturPass DE” ist für Apple- und Android-Geräte in den entsprechenden App-Stores kostenfrei erhältlich. Für die Freischaltung des Budgets müssen Alter und Wohnort in Deutschland per Online-Ausweis (deutsche Staatsangehörige), eID-Karte (EU-Staatsangehörige) oder elektronischem Aufenthaltstitel (Drittstaatsangehörige) nachgewiesen werden.

Die Kosten für die Angebote, die junge Menschen mit ihrem Budget nutzen, sollen den Anbietenden im Nachgang erstattet werden. Dafür stellt der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages in diesem Jahr 100 Millionen Euro zur Verfügung, die Mittel kommen aus dem Kulturetat des Bundes. Falls das Projekt erfolgreich verläuft, soll das Programm fortgesetzt und weiterentwickelt werden, hieß es.

Die App kann von allen Bürgern genutzt werden, auch wenn das Budget nur an Menschen geht, die in diesem Jahr 18 Jahre alt werden. Man könne sich “über Kulturangebote in ihrer Nähe zu informieren und sich für Kulturerkundungen inspirieren zu lassen”, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). “Die Kulturpass-App ist damit ein Gewinn für alle Menschen in unserem Land. Der Kulturpass ist auch ein kraftvolles Signal für die Kulturbranche, die wir damit nach den so harten Pandemiejahren gezielt unterstützen.”

red

Polizei startet bundesweite Razzia gegen Internet-Hasspostings – Verfasser von strafbaren Inhalten im Visier

Mit einer bundesweiten Razzia gehen die Polizeibehörden der Länder am Mittwoch gegen die Verfasser von strafbaren Hasspostings im Internet vor. Seit dem Morgen werden über 130 Maßnahmen durchgeführt, darunter Wohnungsdurchsuchungen und Vernehmungen, wie das Bundeskriminalamt mitteilte. “Denn Aufforderungen zu Straftaten, Bedrohungen, Nötigungen oder Volksverhetzungen im Netz sind Straftaten, die mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden können”, so das BKA. Nach Angaben der Behörde sind die polizeilich erfassten Fallzahlen von Hasspostings im vergangenen Jahr stark angestiegen (2022: 3.396; 2021: 2.411 – Anstieg um 40,85 Prozent).

Die Dunkelziffer liege vermutlich weitaus höher, da viele strafrechtlich relevante Posts nicht angezeigt würden oder lediglich den Netzwerkbetreibern gemeldet werden. “Hass und Hetze im Netz sind Nährboden für Radikalisierung und Impulsgeber für Gewalttaten”, so das Bundeskriminalamt.

red

Steigende Besorgnis über Wasserknappheit – Landkreise ergreifen bereits Maßnahmen zur Verbrauchsregulierung

Angesichts der aktuellen Dürre in Deutschland hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund aktive Maßnahmen für Deutschland gefordert. “Es braucht in Deutschland ein aktives Wassermanagement”, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland”. Neben dem sparsamen Umgang mit der Ressource, bedürfe es insbesondere einer verbesserten Wasserrückhaltung und eines Ausbaus von Verbundsystemen und Fernwasserleitungen, sagte Landsberg.

“Auch der Neubau von Talsperren darf kein Tabuthema sein.” Solche Infrastrukturprojekte müssten hinsichtlich der erforderlichen Planungs- und Genehmigungsverfahren, ähnlich wie der Ausbau der Erneuerbaren Energien, “zügig und einfach” umgesetzt werden. Zudem seien auch eine verstärkte Brauchwassernutzung sowie wassersparende Beregnungstechniken in der Landwirtschaft unerlässlich.

Städte und Gemeinden müssten bei lang anhaltenden Hitze- und Dürreperioden als Ultima Ratio Nutzungsbeschränkungen und Verwendungsverbote aussprechen, beispielsweise ein Befüllungsverbot von Pools oder auch das Bewässern privater Gärten nur zu bestimmten Zeiten. Im vergangenen Jahr habe es annähernd 30 Landkreise gegeben, die mittels Allgemeinverfügungen die Wasserentnahme beschränkt haben, erklärte Landsberg.

red

110 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht

Berlin – Die Bundesregierung ist besorgt über die rasant wachsende Zahl der Flüchtlinge weltweit. “Es ist sehr bedrückend, dass die Zahl der weltweit gewaltsam Vertriebenen auch 2022 erneut einen Höchststand erreicht hat”, sagte die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland” am Mittwoch. Dies zeige, dass mehr denn je die Achtung der flüchtlingspolitischen Verpflichtungen, politische Kraft und Menschlichkeit gegenüber denen, die aus ihrer Heimat fliehen müssen, nötig seien.

“Europa und Deutschland werden sich auch künftig ihrer flüchtlingspolitischen Verantwortung nicht entziehen”, sagte Alabali-Radovan. Sie verteidigte in diesem Zusammenhang die migrationspolitischen Beschlüsse der europäischen Justiz- und Innenminister aus der vergangenen Woche. “Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns mit aller Kraft einbringen und für Menschenrechte einsetzen”, so die Staatsministerin.

“Legale, sichere Zugangswege wie Resettlement und die Familienzusammenführung sind ein wichtiger Bestandteil dieser humanitären Verantwortung und müssen weiter ausgebaut werden”, forderte Alabali-Radovan. Die Politikerin reagierte damit auf den Migrations-Report 2022, den das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR an diesem Mittwoch veröffentlicht. Danach sind laut RND bis Mai dieses Jahres 110 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht vor Krieg, Gewalt, Hunger und klimabedingten Veränderungen gewesen.

red

Ex-Präsident weist Anklagepunkte vor Bundesgericht zurück

Miami – In der Geheimdokumentenaffäre hat der ehemalige US-Präsident Donald Trump am Dienstag vor einem Bundesgericht in Miami in 37 Anklagepunkten auf “nicht schuldig” plädiert. Das berichten mehrere US-Medien übereinstimmend. Zuvor wurde ihm die Anklageschrift verlesen, in der ihm 37 schwere Straftaten vorgeworfen werden.

Trump soll nach seiner Amtszeit Geheimdokumente unerlaubterweise in seinem Wohnsitz in Mar-a-Lago aufbewahrt haben. Einer Aufforderung, diese nicht zurückzugeben sei er nicht gefolgt. Daher werden ihm und einem Mitangeklagten unter anderem eine Verschwörung zur Behinderung der Justiz vorgeworfen.

Trump soll die Dokumente mehrmals anderen gezeigt haben und dabei zugegeben haben, dass er sie als Ex-Präsident nicht in seinem Besitz haben darf. Die Geheimdokumente enthielten laut Anklageschrift “Informationen über die Verteidigungs- und Waffenkapazitäten der Vereinigten Staaten und anderer Länder, über die Nuklearprogramme der Vereinigten Staaten, über die potenzielle Verwundbarkeit der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten durch militärische Angriffe sowie über Pläne für mögliche Vergeltungsmaßnahmen im Falle eines ausländischen Angriffs”. 17 der gefundenen Dokumente sind als “Top Secret” eingestuft, 54 als “Secret” und 31 als “Confidential”.

Zum Teil durften die Dokumente nicht einmal verbündeten Staaten gezeigt werden, heißt es in der Anklage. Der Sonderermittler Jack Smith war Ende letzten Jahres beauftragt worden, Trumps Aufbewahrung geheimer Unterlagen in seinem Anwesen Mar-a-Lago zu untersuchen. Zuvor hatte das FBI Trumps Privaträume durchsucht und die Dokumente unter anderem unter einer Dusche gefunden.

Es ist das erste Mal, dass ein ehemaliger US-Präsident vor ein Bundesgericht gestellt wird.

red

Gasheizungsverbot wird wohl verschoben: Kommunale Wärmeplanung entscheidend

Berlin – Das ursprünglich geplante Verbot neuer Gasheizungen wird faktisch wohl um mehrere Jahre verschoben. Solange noch keine kommunale Wärmeplanung vorliege, sollen außerhalb von Neubaugebieten die Regelungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) beim Heizungstausch noch nicht gelten, wie aus einer gemeinsamen Erklärung der Fraktionsspitzen vom Dienstagnachmittag hervorgeht. FDP-Fraktionschef Christian Dürr nannte das Jahr 2028 als Termin.

“Zuerst wird der Staat etwas machen müssen”, sagte Dürr. Neue Gasheizungen müssten ab 2024 allerdings “auf Wasserstoff umrüstbar” sein. Das gelte auch für Neubauten außerhalb von Neubaugebieten.

Auch Holz- und Pelletheizungen sollen eingesetzt werden können. Die entsprechende Novelle des Gebäudeenergiegesetzes soll noch diese Woche im Bundestag in erster Lesung beraten werden, angestrebt wird nun von allen Ampel-Partnern eine Verabschiedung noch vor der Sommerpause. Ursprünglich sollte der Einbau neuer Gas- und Ölheizungen bereits ab 1. Januar 2024 verboten werden, die Kommunen sollten ihre langfristigen Pläne erst später festlegen müssen.

Das Gesetz für die kommunale Wärmeplanung soll nun auch schon zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Sobald ein solcher Plan vorliegt, soll der Einbau neuer Gasheizungen weiterhin erlaubt sein, allerdings unter bestimmten Bedingungen, je nachdem welche Planung die Kommune hat: Bei einem “klimaneutralen Gasnetz” bleiben auf Wasserstoff umrüstbare Gasheizungen erlaubt, in anderen Gasnetzen nur solche Heizungen, die mit mindestens 65 Prozent Biomasse oder Wasserstoff betrieben werden.

red

Wassermangel in Deutschland: Neue Maßnahmen erforderlich, warnt Deutscher Städte- und Gemeindebund

Berlin – Angesichts der anhaltenden Dürre und Hitze rechnet der Deutsche Städte- und Gemeindebund mit Wasserrationierungen im Sommer. Verbandshauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte der “Bild-Zeitung”, wenn sich nichts ändere, werde an Rationierungen “in vielen Teilen des Landes zumindest im Sommer kein Weg vorbeiführen”. Landsberg mahnte ein “neues Wassermanagement” an.

“Dazu gehören Fernwasserleitungen, die Wasser von da, wo es noch welches gibt, dorthin bringen, wo es fehlt. Wir brauchen aber ganz dringend neue Talsperren, in denen wir Wasser speichern können.” Landsberg forderte entsprechende gesetzliche Änderungen, um schneller bauen zu können.

“Das geht aber bei unseren Vorschriften nicht unter 15 Jahren, die Zeit haben wir nicht”, sagte der Verbandschef der “Bild”.

red

Weltrüstung und geopolitische Spannungen: Bericht warnt vor gefährlichster Zeit in der Geschichte

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri warnt, dass die Menschheit sich auf “eine der gefährlichsten Perioden” ihrer Geschichte zubewege. “Die Regierungen der Welt müssen unbedingt Wege der Zusammenarbeit finden, um geopolitische Spannungen abzubauen, das Wettrüsten zu verlangsamen und die sich verschlimmernden Folgen von Umweltzerstörung und steigendem Welthunger zu bewältigen”, fordert Sipri-Direktor Dan Smith. Die Forscher veröffentlichten am Montag ihren Jahresbericht zur globalen Rüstungsentwicklung.

Demnach erlitt die Nuklearwaffenkontroll- und Abrüstungsdiplomatie durch den Ukrainekrieg “einen schweren Rückschlag”. In der Folge setzten die USA und Russland ihren bilateralen Dialog darüber nach und nach aus. Bei den Gesprächen über das iranische Atomprogramm sah es ähnlich aus.

Sowohl die USA als auch das Vereinigte Königreich lehnten es laut Sipri ab, Informationen über ihre Nuklearstreitkräfte im Jahr 2022 an die Öffentlichkeit zu geben, was sie in den vergangenen Jahren getan hatten. “n dieser Zeit der großen geopolitischen Spannungen und des Misstrauens, in der die Kommunikationskanäle zwischen den nuklear bewaffneten Rivalen geschlossen sind oder kaum noch funktionieren, sind die Risiken einer Fehlkalkulation, eines Missverständnisses oder eines Unfalls unannehmbar hoch”, so Smith. Es bestehe die dringende Notwendigkeit, die Nukleardiplomatie wiederherzustellen und die internationalen Kontrollen von Atomwaffen zu verstärken, fügte er hinzu.

Dem Jahresbericht zufolge modernisieren die neun nuklear bewaffneten Staaten weiterhin ihre Nukleararsenale, und mehrere haben 2022 neue nuklear bewaffnete oder nuklearfähige Waffensysteme eingesetzt. Vom weltweiten Gesamtbestand von schätzungsweise 12.512 Sprengköpfen im Januar 2023 befanden sich demnach etwa 9.576 Sprengköpfe in militärischen Lagerbeständen für den potenziellen Einsatz – 86 mehr als im Januar 2022. Davon seien schätzungsweise 3.844 Sprengköpfe mit Raketen und Flugzeugen im Einsatz gewesen und etwa 2.000 – fast alle im Besitz Russlands oder der USA – in hoher Alarmbereitschaft gehalten worden, was bedeute, dass sie in Raketen eingebaut oder auf Luftwaffenstützpunkten für Atombomber gelagert worden seien. Russland und die USA verfügten zusammen über fast 90 Prozent aller Atomwaffen.

Zusätzlich zu ihren einsatzfähigen Atomwaffen besaßen sie über jeweils mehr als 1.000 Sprengköpfe, die zuvor aus dem Militärdienst ausgeschieden seien und die sie nun nach und nach abbauten. Die von Sipri geschätzte Größe des chinesischen Atomwaffenarsenals stieg von 350 Sprengköpfen im Januar 2022 auf 410 im Januar 2023, und es wird erwartet, dass es weiter wachsen wird. Je nachdem, wie es seine Streitkräfte strukturiert, könnte China bis zur Jahrtausendwende über mindestens so viele ballistische Interkontinentalraketen (ICBM) verfügen wie die USA oder Russland, erwarten die Forscher.

Obwohl das Vereinigte Königreich sein Atomwaffenarsenal im Jahr 2022 nicht aufgestockt haben soll, wird erwartet, dass der Bestand an Sprengköpfen in Zukunft zunehmen wird, nachdem die britische Regierung im Jahr 2021 angekündigt hatte, ihre Obergrenze von 225 auf 260 Sprengköpfe anzuheben. Die Regierung kündigte außerdem an, die Anzahl der Atomwaffen, der stationierten Sprengköpfe und der stationierten Raketen nicht mehr öffentlich bekannt zu geben. Auch bei Frankreich, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel sieht Sipri Modernisierungen beziehungsweise Aufstockungen des nuklearen Waffenarsenals.

“Die meisten Atomwaffenstaaten verschärfen ihre Rhetorik in Bezug auf die Bedeutung von Atomwaffen, und einige drohen sogar explizit oder implizit mit deren Einsatz”, kommentierte Sipri-Forscher Matt Korda den Bericht.

red