23 Blumentöpfe als Kündigungsgrund
Renate Shephard ist verzweifelt. Die 70-Jährige soll zum Jahresende aus ihrer Wohnung ausziehen. Dabei wohnt die Seniorin bereits seit rund sieben Jahren in dem Mietshaus in Eglosheim. „Ich habe meine Miete immer pünktlich bezahlt und mir auch sonst nichts zuschulden kommen lassen“, erklärt Shephard auf Anfrage von Ludwigsburg24.
Die Vermieterin, die Stuttgarter Wohnbaugenossenschaft Flüwo Bauen und Wohnen, sieht das anders. Stein des Anstoßes sind im Wesentlichen 23 Blumentöpfe, die die Mieterin im Treppenhaus sowie vor dem Gebäude platziert hat. Das bestätigt auf Nachfrage auch Dominik Ottmar, der bei Flüwo für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist: „Das Abstellen von Gegenständen oder Pflanzen aller Art im Hausflur, im Treppenhaus, auf Wegen zum Mietsgebäude oder sonstigen Allgemeinflächen ist in Deutschland aus Gründen des Brandschutzes – und weil so Fluchtwege versperrt werden – grundsätzlich untersagt.“ Dieses Verbot stehe daher auch in der Hausordnung. Des Weiteren habe Renate Shephard gleich mehrere Aufforderungen ignoriert, ebenso eine entsprechende Abmahnung.
Der Flüwo-Sprecher legt an dieser Stelle sogar nach: „Es geht nicht nur um 23 Blumentöpfe. Die Mieterin hat neben Blumentöpfen auch Schuhe, diverse Figuren und weitere Dekoartikel im Treppenhaus sowie vor dem Mietshaus abgestellt, dabei wurden auch die Außenanlagen in Mitleidenschaft gezogen.“
Eine Behauptung, über die sowohl Renate Shephard als auch ihre Rechtsanwältin Andrea Martin nur den Kopf schütteln können. Das entspreche schlicht nicht den Tatsachen. „Der Vermieter duldet in anderen Häusern und auch in diesem Haus, dass die Bewohner Schränke, Deko und Pflanzen im Treppenhaus aufstellen, ohne dass diese Nachbarn ihrerseits vom Vermieter in die Pflicht genommen werden, diese Gegenstände aus dem Treppenhaus zu entfernen. Eine weitere Nachbarin darf im Gegensatz zu meiner Mandantin eine gemeinschaftliche Außenfläche dazu benutzen, um dort diverse Wildpflanzen zu sähen beziehungsweise einzusetzen, ohne dass dies von dem Vermieter beanstandet wird“, berichtet die Ludwigsburger Mietrecht-Expertin. Hier werde schlicht mit zweierlei Maß gemessen.
Mittlerweile war der Fall vor Gericht. „Der dort geschlossene Vergleichsvorschlag sieht vor, dass meine Mandantin bis zum 31. Dezember 2019 ausziehen soll“, berichtet Martin. Laut Kündigungsfrist hätte bereits Ende April der Rausschmiss der Seniorin aus ihren vier Wänden gedroht. Das sei angesichts der Wohnungsnot allerdings immer noch ein schwieriges Unterfangen. „Wenn meine Mandantin bis dahin keine angemessene Ersatzwohnung gefunden hat, droht die Zwangsräumung durch den Gerichtsvollzieher“, erklärt die Rechtsanwältin. Aufgeben wollen daher weder Renate Shephard noch Andrea Martin: „Wir kämpfen weiter“, so die beiden wie aus einem Mund.
Carsten Nallinger